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Wolfgang Wrase
12.04.2001 22.00
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Was soll das, Herr Lachenmann?

Sie mokieren sich höhnisch über die Schreibung „für etwas gerade stehen“ in der Süddeutschen Zeitung und damit zugleich über den entsprechenden Eintrag (Getrenntschreibung ist möglich und durchaus üblich) im Icklerschen Wörterbuch. Wollen Sie weiterhin Herrn Riebe hier ersetzen, indem Sie die Schreibrealität vor 1996 als „Beliebigkeitsschreibung“ angreifen und die willkürlichen Duden-Festlegungen so wie Herr Jansen als allgemeinverbindliche Norm verstehen? Es ist Ihnen wohl auch entgangen, daß die Neuregelung an der Differenzierung von „gerade_stehen“ im Ergebnis nichts geändert hat. Mit Ihrer Polemik landen Sie also keinen Treffer gegen die Neuregelung, sondern gegen Professor Icklers Wörterbuch – aber es ist ja nichts Neues, daß Sie viel besser wissen als der Verfasser, wie dieses Wörterbuch auszusehen habe, daß nämlich eine Veränderung der Bogeneinträge nach Duden-Muster vorzunehmen sei, zum Beispiel: „geradestehen: Zusammenschreibung bei der Bedeutung „verantwortlich sein“.

Was Herrn Jansen betrifft, scheint mir der Schwachsinn seiner Beiträge meistens derart offensichtlich zu sein, daß sich eine Entgegnung erübrigt. Wenden Sie sich doch an die Kommission, Herr Jansen – vielleicht wird man Ihnen dort, anders als hier, eine gewisse Anerkennung entgegenbringen. Beispielsweise für die Ansicht, daß entgegen allen bisherigen Kommentaren der Reformer „richtigstellen“ oder „Handvoll“ doch mit dem Regelwerk vereinbar seien oder daß die durchgängige Getrenntschreibung von „...einander“ + Verb/Partizip mißlungen sei.



Wolfgang Wrase
München

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Gast
11.04.2001 22.00
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Gehirnakrobatik

Herr Wrase nennt es Gehirnakrobatik, was ich zu Handvoll / Hand voll geschrieben haben. Für mich kommt da nur zum Ausdruck „Ich will mich damit nicht beschäftigen; wir haben uns daran gewöhnt, dass Hand voll als neue Rechtschreibung gilt, und so ist sie auch leichter anzugreifen.“ Ihn interessiere nur, was in den Wörterbüchern steht. Im Spannungsfeld „alte Rechtschreibung“ und „alter Duden“ nimmt er genau die entgegengesetzte Haltung ein; im Zweifelsfall interessiert es einen „Sch...“, was im Duden stand. Ein Reformbefürworter muss als Normfestischist diffamiert werden, er ist natürlich obrigkeitsgläubig. Dass man einen Widerspruch produziert, wenn man einerseits sagt, die Einheitsrechtschreibung sei zerstört worden, und andererseits gegen Normung polemisiert, scheint Herrn Wrase nicht zu kümmern; nein, er spricht sogar von „gesundem Menschenverstand“. Dass man die Reform befürwortet, aber das Wörterverzeichnis und einige Wörterbücher nicht für die einzige Auslegung des Regelwerks hält, das versteht ein Herr Wrase natürlich schon, aber es passt nicht so ganz in die Rhetorik und so muss es vom Tisch gewischt werden. Man will sich ja auch nicht an einer besseren Auslegung der Regeln beteiligen, wenn man die Reform insgesamt ablehnt.

Die Kritik an dem Bereich „aufeinandertreffen"/"aufeinander aufbauen“ ist berechtigt. Die Regel § 34 E3 (2) ist unbefriedigend; dass ein Adverb zusammengesetzt ist, sollte kein hinreichendes Kriterium für Getrenntschreibung sein, auch wenn die allermeisten Fälle zu völlig sinnvollen Ergebnissen führen. Nach diesem Prinzip geht man ja sonst in der GZS nicht vor. Aber mir ist bisher noch keine bessere Lösung eingefallen. Ich weiß ja noch nicht einmal, wie der Duden damit umgegangen ist. Sich über „Gams"/"Gemse“ auszulassen, ist lächerlich. Es liegt auf der Hand, dass Gämse einer alten Regel der deutschen Rechtschreibung entspricht. Dass hier jemand versucht anzugreifen, zeigt nur, wie sehr man sich in der Formel verrannt hat, dass die Reform der Rechtschreibung etwas Künstliches übergestülpt habe, und man nicht sehen will oder kann, wann es um nichts anderes als eine Regel der deutschen Rechtschreibung geht. Man hat der Reform auch vorgeworfen, Schreibweisen des 19. Jahrhunderts wiederherzustellen. Zu behaupten, dass es irgendetwas zur Sache tut, was Enzensberger und Kempowski – fiel das Wort „Sesselfurzer“? – über Rechtschreibung denken, ist ein Rückgriff, der womöglich sogar auf den Stand des 18. Jahrhundert zurückfällt.

Die Ickler‚sche Schule hat das Lager der Reformgegner in gewisser Hinsicht gestärkt, denn die eigene Position wird nicht mehr automatisch mit getroffen, wenn die Dudenregelung angegriffen wird. Andererseits hat sie die Reformgegner geschwächt, denn wenn selbst ihr prominentester Fachmann nicht einfach zum Stand vor 1996 zurückwill, ist ein Konsens für ein „Kippen der Reform“ sehr unwahrscheinlich geworden.



Michael Jansen

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Theodor Ickler
11.04.2001 22.00
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Orthotheographie

Der Gedanke, die neuen Rechtschreibregeln könnten klüger sein als ihre Verfasser, so daß man sie streckenweise auch gegen die ausdrücklich und beharrlich vorgetragene Selbstdeutung dieser Verfasser interpretieren könne, ja müsse, hat einen eigenen Zauber. Dem gebildeten Hermeneutiker kommt das natürlich bekannt vor. Man sagt ja auch von dichterischen Texten, daß sie ein Eigenleben haben und etwas enthalten können, wovon der Verfasser nichts wußte oder sogar nicht einmal etwas wissen konnte. Das ist die These der Rezeptionsästhetik.    Aber sogar in den Naturwissenschaften kennt man Vergleichbares. In meinem Fachsprachenbuch („Die Disziplinierung der Sprache“) habe ich an die Bemerkung von Heinrich Hertz über die Maxwellschen Gleichungen des Elektromagnetismus erinnert, die klüger als ihr Erfinder seien. (Man denke auch an die „Deutungen“ der Quantentheorie.) Aber das eigentliche Gebiet dieses hermeneutischen Verfahrens ist natürlich die Theologie. Und ihre sachliche Voraussetzung ist klar genug: Inspiration. Wir sollen also damit rechnen, daß die Rechtschreibreformer aufgrund einer ihnen gar nicht bewußten Eingebung etwas formuliert haben, was seine höhere Weisheit erst unter den kongenialen Blicken von Herrn Jansen und ähnlichen Deutern entfaltet. Zwar wird berichtet, daß die Reformer eher ein belämmerten Eindruck machten, aber das kann ja in Wirklichkeit Trance gewesen sein. Nicht ohne österliche Ergriffenheit nehme ich das Amtsblatt künftig in die Hand – einen heiligen Text, über den wir uns demütig beugen wollen, um ihm das Erfolg Versprechendste und immer während Segen Bringendste abzugewinnen.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Walter Lachenmann
11.04.2001 22.00
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Orthopietismus

Was Herr Prof. D. lic. theol. Theodor Ickler österlich über Orthotheographie schreibt ist an Inspiriertheit kaum zu übertreffen. Als demutsvoller Schwabe möchte ich aber doch noch den Gedanken des Orthographiepietismus daran anschließen, dem man ja in Journalistenkreisen in einem Ausmaße begegnet, daß die letzten übriggebliebenen Schäflein unserer schwäbischen Brüdergemeinen vor Neid ersterben müßten, wäre Neid nicht etwas, was sie in ihrer Frömmigkeit gar nicht kennen können. Wie die Pietisten das Evangelium im Übereifer der Gottesnähe in einer buchstabengetreuen, übertriebenen und teilweise ziemlich törichten Weise auslegen und darnach zu leben sich bemühen, so bemühen sich ja auch unsere vorzüglichsten Journalisten um eine Verwirklichung der orthographischen Ratschlüsse unserer Reformapostel oft in einer Weise, die zu deren Verdruß immer wieder zu nicht zu übersehenden Albernheiten führen.

So wieder heute in meiner lieben SZ: »Für die 540 Millionen Mark Verluste der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) müssen nicht nur Bayerns Steuerzahler gerade stehen.« Herr Jansen, auch wenn Sie gerade sitzen oder sich geradesetzen: Sie müssen aufstehen, und zwar ordentlich aufrecht, denn auch Sie als Nordlicht werden zur Kasse gebeten! Oder Sie müssen sich nur schön gerade hinstellen und müssen dann gar nichts bezahlen, wer weiß?

Und Herr Jansen ist tatsächlich ein Beispiel, das es bei den Theologen oft gibt – Leute, ohne die diese schöne »Wissenschaft« vielleicht ein Niveau hätte, daß man sie tatsächlich als die höchste aller Wissenschaften bezeichnen könnte: Eigentlich recht verständige, kluge und gebildete Menschen stellen sich und ihre denkerischen Fähigkeiten – vermeintlich – in den »Dienst der Sache«, so wie es eine Obrigkeit ihnen aufträgt. Sie verstehen ihre intellektuelle Verantwortung so, daß sie ihre Denk- und Sprachfähigkeiten dazu einsetzen sollen, über die offen zutageliegenden Widersprüche und Unsinnigkeiten – geradezu »auf Teufel komm raus« – hinwegzuargumentieren und die vermeintlich aufgetragene Botschaft, diese vermeintliche »Wahrheit«, zu verkünden. Daß diese Botschaft Wort für Wort von Menschen geschrieben wurde, mit den unterschiedlichsten Beweggründen, und an Widersprüchlichkeiten kaum zu überbieten ist, stört sie seltsamerweise nicht (»da muß der Glaube drüber weghelfen«, wurden wir in der evangelischen Jugend belehrt). Dabei versündigen sich diese Gelehrten gegen ihre eigene Intelligenz, und insofern auch gegen ihren Schöpfer, der ihnen die Intelligenz zum intelligenten Denken anvertraut hat, und leisten »der Sache« damit den denkbar schlechtesten Dienst. Mit solchen oftmals sehr klugen und liebenswerten Menschen konfrontiert zu werden, ist immer ein bißchen traurig. Ein richtiger intellektueller Gegner, der eine andere Überzeugung mit gescheiten Argumenten vertritt, dessen Argumente mir in sich sinnvoll erscheinen, auch wenn ich sie nicht teile, ist mir eigentlich lieber. Was hier auf diesen Seiten mit Reformbefürwortern wie Herrn Jansen oder andern passiert, erscheint mir immer irgendwie als Leichenfledderei, Fledderei an intellektuellen Leichen, das hat etwas klägliches an sich. Man fragt sich, weshalb sie mitdiskutieren – sind es Masochisten? Sind es Beauftragte? An solchen Zauber wiederum mag ich nicht glauben, es bleibt also unverständlich.



D. theo. Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
11.04.2001 22.00
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Beauftragte und Berufene

Nun, was den Herrn Jansen betrifft, so ist er meines Wissens Korrektor beim Rheinischen Merkur; jedenfalls betrachte ich ihn seit geraumer Zeit als solchen. Wenn nicht, dann möge er mich korrigieren, ehrenrührig ist es ja nicht, so daß ich mich auch nicht zu entschuldigen brauche. Aber immerhin sind zwei der Herausgeber dieser dahinsiechenden christlichen Wochenzeitung sehr aktiv an der Rechtschreibreform beteiligt gewesen: Hans Maier und Wolfgang Bergsdorf.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Walter Lachenmann
11.04.2001 22.00
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Orthopietismus

Was Herr Prof. D. lic. theol. Theodor Ickler österlich über Orthotheographie schreibt ist an Inspiriertheit kaum zu übertreffen. Als demutsvoller Schwabe möchte ich aber doch noch den Gedanken des Orthographiepietismus daran anschließen, dem man ja in Journalistenkreisen in einem Ausmaße begegnet, daß die letzten übriggebliebenen Schäflein unserer schwäbischen Brüdergemeinen vor Neid ersterben müßten, wäre Neid nicht etwas, was sie in ihrer Frömmigkeit gar nicht kennen können. Wie die Pietisten das Evangelium im Übereifer der Gottesnähe in einer buchstabengetreuen, übertriebenen und teilweise ziemlich törichten Weise auslegen und darnach zu leben sich bemühen, so bemühen sich ja auch unsere vorzüglichsten Journalisten um eine Verwirklichung der orthographischen Ratschlüsse unserer Reformapostel oft in einer Weise, die zu deren Verdruß immer wieder zu nicht zu übersehenden Albernheiten führen.

So wieder heute in meiner lieben SZ: »Für die 540 Millionen Mark Verluste der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) müssen nicht nur Bayerns Steuerzahler gerade stehen.« Herr Jansen, auch wenn Sie gerade sitzen oder sich geradesetzen: Sie müssen aufstehen, und zwar ordentlich aufrecht, denn auch Sie als Nordlicht werden zur Kasse gebeten! Oder Sie müssen sich nur schön gerade hinstellen und müssen dann gar nichts bezahlen, wer weiß?

Und Herr Jansen ist tatsächlich ein Beispiel, das es bei den Theologen oft gibt – Leute, ohne die diese schöne »Wissenschaft« vielleicht ein Niveau hätte, daß man sie tatsächlich als die höchste aller Wissenschaften bezeichnen könnte: Eigentlich recht verständige, kluge und gebildete Menschen stellen sich und ihre denkerischen Fähigkeiten – vermeintlich – in den »Dienst der Sache«, so wie es eine Obrigkeit ihnen aufträgt. Sie verstehen ihre intellektuelle Verantwortung so, daß sie ihre Denk- und Sprachfähigkeiten dazu einsetzen sollen, über die offen zutageliegenden Widersprüche und Unsinnigkeiten – geradezu »auf Teufel komm raus« – hinwegzuargumentieren und die vermeintlich aufgetragene Botschaft, diese vermeintliche »Wahrheit«, zu verkünden. Daß diese Botschaft Wort für Wort von Menschen geschrieben wurde, mit den unterschiedlichsten Beweggründen, und an Widersprüchlichkeiten kaum zu überbieten ist, stört sie seltsamerweise nicht (»da muß der Glaube drüber weghelfen«, wurden wir in der evangelischen Jugend belehrt). Dabei versündigen sich diese Gelehrten gegen ihre eigene Intelligenz, und insofern auch gegen ihren Schöpfer, der ihnen die Intelligenz zum intelligenten Denken anvertraut hat, und leisten »der Sache« damit den denkbar schlechtesten Dienst. Mit solchen oftmals sehr klugen und liebenswerten Menschen konfrontiert zu werden, ist immer ein bißchen traurig. Ein richtiger intellektueller Gegner, der eine andere Überzeugung mit gescheiten Argumenten vertritt, dessen Argumente mir in sich sinnvoll erscheinen, auch wenn ich sie nicht teile, ist mir eigentlich lieber. Was hier auf diesen Seiten mit Reformbefürwortern wie Herrn Jansen oder andern passiert, erscheint mir immer irgendwie als Leichenfledderei, Fledderei an intellektuellen Leichen, das hat etwas klägliches an sich. Man fragt sich, weshalb sie mitdiskutieren – sind es Masochisten? Sind es Beauftragte? An solchen Zauber wiederum mag ich nicht glauben, es bleibt also unverständlich.



D. theo. Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
11.04.2001 22.00
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Beauftragte und Berufene

Nun, was den Herrn Jansen betrifft, so ist er meines Wissens Korrektor beim Rheinischen Merkur; jedenfalls betrachte ich ihn seit geraumer Zeit als solchen. Wenn nicht, dann möge er mich korrigieren, ehrenrührig ist es ja nicht, so daß ich mich auch nicht zu entschuldigen brauche. Aber immerhin sind zwei der Herausgeber dieser dahinsiechenden christlichen Wochenzeitung sehr aktiv an der Rechtschreibreform beteiligt gewesen: Hans Maier und Wolfgang Bergsdorf.



Theodor Ickler
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Gast
11.04.2001 22.00
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Gehirnakrobatik

Herr Wrase nennt es Gehirnakrobatik, was ich zu Handvoll / Hand voll geschrieben haben. Für mich kommt da nur zum Ausdruck „Ich will mich damit nicht beschäftigen; wir haben uns daran gewöhnt, dass Hand voll als neue Rechtschreibung gilt, und so ist sie auch leichter anzugreifen.“ Ihn interessiere nur, was in den Wörterbüchern steht. Im Spannungsfeld „alte Rechtschreibung“ und „alter Duden“ nimmt er genau die entgegengesetzte Haltung ein; im Zweifelsfall interessiert es einen „Sch...“, was im Duden stand. Ein Reformbefürworter muss als Normfestischist diffamiert werden, er ist natürlich obrigkeitsgläubig. Dass man einen Widerspruch produziert, wenn man einerseits sagt, die Einheitsrechtschreibung sei zerstört worden, und andererseits gegen Normung polemisiert, scheint Herrn Wrase nicht zu kümmern; nein, er spricht sogar von „gesundem Menschenverstand“. Dass man die Reform befürwortet, aber das Wörterverzeichnis und einige Wörterbücher nicht für die einzige Auslegung des Regelwerks hält, das versteht ein Herr Wrase natürlich schon, aber es passt nicht so ganz in die Rhetorik und so muss es vom Tisch gewischt werden. Man will sich ja auch nicht an einer besseren Auslegung der Regeln beteiligen, wenn man die Reform insgesamt ablehnt.

Die Kritik an dem Bereich „aufeinandertreffen"/"aufeinander aufbauen“ ist berechtigt. Die Regel § 34 E3 (2) ist unbefriedigend; dass ein Adverb zusammengesetzt ist, sollte kein hinreichendes Kriterium für Getrenntschreibung sein, auch wenn die allermeisten Fälle zu völlig sinnvollen Ergebnissen führen. Nach diesem Prinzip geht man ja sonst in der GZS nicht vor. Aber mir ist bisher noch keine bessere Lösung eingefallen. Ich weiß ja noch nicht einmal, wie der Duden damit umgegangen ist. Sich über „Gams"/"Gemse“ auszulassen, ist lächerlich. Es liegt auf der Hand, dass Gämse einer alten Regel der deutschen Rechtschreibung entspricht. Dass hier jemand versucht anzugreifen, zeigt nur, wie sehr man sich in der Formel verrannt hat, dass die Reform der Rechtschreibung etwas Künstliches übergestülpt habe, und man nicht sehen will oder kann, wann es um nichts anderes als eine Regel der deutschen Rechtschreibung geht. Man hat der Reform auch vorgeworfen, Schreibweisen des 19. Jahrhunderts wiederherzustellen. Zu behaupten, dass es irgendetwas zur Sache tut, was Enzensberger und Kempowski – fiel das Wort „Sesselfurzer“? – über Rechtschreibung denken, ist ein Rückgriff, der womöglich sogar auf den Stand des 18. Jahrhundert zurückfällt.

Die Ickler‚sche Schule hat das Lager der Reformgegner in gewisser Hinsicht gestärkt, denn die eigene Position wird nicht mehr automatisch mit getroffen, wenn die Dudenregelung angegriffen wird. Andererseits hat sie die Reformgegner geschwächt, denn wenn selbst ihr prominentester Fachmann nicht einfach zum Stand vor 1996 zurückwill, ist ein Konsens für ein „Kippen der Reform“ sehr unwahrscheinlich geworden.



Michael Jansen

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Theodor Ickler
11.04.2001 22.00
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Orthotheographie

Der Gedanke, die neuen Rechtschreibregeln könnten klüger sein als ihre Verfasser, so daß man sie streckenweise auch gegen die ausdrücklich und beharrlich vorgetragene Selbstdeutung dieser Verfasser interpretieren könne, ja müsse, hat einen eigenen Zauber. Dem gebildeten Hermeneutiker kommt das natürlich bekannt vor. Man sagt ja auch von dichterischen Texten, daß sie ein Eigenleben haben und etwas enthalten können, wovon der Verfasser nichts wußte oder sogar nicht einmal etwas wissen konnte. Das ist die These der Rezeptionsästhetik.    Aber sogar in den Naturwissenschaften kennt man Vergleichbares. In meinem Fachsprachenbuch („Die Disziplinierung der Sprache“) habe ich an die Bemerkung von Heinrich Hertz über die Maxwellschen Gleichungen des Elektromagnetismus erinnert, die klüger als ihr Erfinder seien. (Man denke auch an die „Deutungen“ der Quantentheorie.) Aber das eigentliche Gebiet dieses hermeneutischen Verfahrens ist natürlich die Theologie. Und ihre sachliche Voraussetzung ist klar genug: Inspiration. Wir sollen also damit rechnen, daß die Rechtschreibreformer aufgrund einer ihnen gar nicht bewußten Eingebung etwas formuliert haben, was seine höhere Weisheit erst unter den kongenialen Blicken von Herrn Jansen und ähnlichen Deutern entfaltet. Zwar wird berichtet, daß die Reformer eher ein belämmerten Eindruck machten, aber das kann ja in Wirklichkeit Trance gewesen sein. Nicht ohne österliche Ergriffenheit nehme ich das Amtsblatt künftig in die Hand – einen heiligen Text, über den wir uns demütig beugen wollen, um ihm das Erfolg Versprechendste und immer während Segen Bringendste abzugewinnen.



Theodor Ickler
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Reinhard Markner
10.04.2001 22.00
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Frau Kopsch . . .

. . . wird gebeten, einmal nachzulesen, was ich vor einigen Wochen hier über die französische Debatte geschrieben habe. Das Buch, auf das ich Bezug nahm, kann für 13 Mark versandkostenfrei bei buecher.de erworben werden.



Reinhard Markner

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Reinhard Markner
10.04.2001 22.00
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Frau Kopsch . . .

. . . wird gebeten, einmal nachzulesen, was ich vor einigen Wochen hier über die französische Debatte geschrieben habe. Das Buch, auf das ich Bezug nahm, kann für 13 Mark versandkostenfrei bei buecher.de erworben werden.



Reinhard Markner

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Walter Lachenmann
09.04.2001 22.00
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Die Franzosen...

Was Frau Daniela Kopsch sagt, ist vermutlich richtig.
Aber in der Académie française würde wohl niemals ein solcher Unsinn zusammengeschustert werden, wie es bei unseren Reformern der Fall war. Und ich vermute, die Franzosen würden, wenn so etwas doch über sie hereinbräche, dagegen zwar nicht protestieren, aber sich schlicht und einfach nicht darum kümmern.
Das »franglais« ist in Frankreich schon seit zig Jahren ein Thema, weil man in Frankreich eine historisch gewachsene Abneigung gegen alles Englische hat. Ich lebte in den 60er Jahren dort, da wurde darüber auch schon gejammert. Das hat nicht verhindert, daß sich etliche Begriffe aus dem Englischen eingebürgert haben oder daß französische Schlagersänger, die so gallische Typen sind, wie man es sich nur denken kann, sich Künstlernamen gaben wie Johnny Halliday oder Eddy Mitchell. In der Alltagssprache werden zwar eigene Begriffe gefunden und verwendet für Dinge wie Computer, E-Mail und Handy, aber das geschieht nicht per Ministerbeschluß, sondern setzt sich irgendwie durch. Ein Vorteil ist es meines Erachtens nicht, denn wenn ich zum Beispiel mich mit meinen Kollegen in Frankreich unterhalte, kann ich mit denen über fast alles ziemlich uneingeschränkt reden, nur wenn ich ihnen sagen will, ich würde sie auf dem Handy anrufen, oder irgendwas auf dem Computer machen, dann fehlen mir die Worte, denn diese Dinge gab es in den 60er Jahren noch nicht. Zum Glück wissen die dann aber meistens unsere »internationalen« Begriffe.
Über unsere Rechtschreibreform schütteln meine französischen Freunde verständnislos die Köpfe.
Das alles hilft aber nicht zu neuen Einsichten über unser deutsches Problem.



Walter Lachenmann

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Manfred Riebe
09.04.2001 22.00
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Wie man sich als Lehrer auch dem “ss³ teilweise entziehen kann

Ich nehme Bezug auf die Beiträge von Wolfgang Illauer und Norbert Schäbler. Ich habe in www.deutsche-sprachwelt.de das Beispiel der Gesamtschulrektorin Gisa Berger gebracht, die sich grundsätzlich weigert, die sogenannte neue Rechtschreibung zu unterrichten. Sie erhielt deshalb den Bürger-Oskar für Zivilcourage der „Passauer Neuen Presse“. Die meisten Lehrer, die nicht Deutsch unterrichten, setzen den Neuschrieb ohnehin nicht um.

Lehrer sollen die Schüler zu mündigen demokratischen Staatsbürgern erziehen. Man kann daher erwarten, daß Deutschlehrer privat weiterhin die traditionellen Rechtscheibung anwenden und sich beruflich zumindest teilweise dem Neuschrieb und auch der ss-Schreibung entziehen. Studiendirektor Wolfgang Illauer bringt Beispiele hierfür.

Ein Lehrer kann im Rahmen seines Unterrichts- und Erziehungsauftrages die bewährte traditionelle Erwachsenenschreibung des Duden, 20. Auflage, bei der Korrektur, an der Tafel (alternativ), in Zeugnissen und in Schreiben an Eltern praktizieren. Er kann im Unterricht deren Vorteile aufzeigen und dadurch dazu beitragen, die Schüler zu kritischen Staatsbürgern zu erziehen. Mehr als Drohgebären wären von den Schulleitern und höheren Dienststellen nicht zu erwarten, denn ein Gerichtsverfahren mit der Herstellung von Öffentlichkeit scheuen die Kultusminister erfahrungsgemäß, weil sie allerhand zu verbergen haben.

Der Deutsch-Lehrplan läßt im Rahmen des Deutsch-, Rechtschreib-, Schriftverkehrs- bzw. Textverarbeitungs- und/oder Literaturunterrichts (Goethe, Schiller) sicher auch historische Rückblicke auf die Rechtschreibung des 18./19. Jahrhunderts zu, insbesondere auch in handschriftlichen Aufzeichnungen großer Dichter und Denker.
Mit der Auswahl der passenden historischen Texte von Dichtern kann man einiges erreichen. Als Überblickstext geeignet wäre z.B. Helmut Glück: Von Weiber-Seelen im Liebes-Fieber. Alter Zopf an neuem Kopf: In der Wortbildung geht die Rechtschreibreform auf uralten Pfaden. In: FAZ, 5.9.2000, Seite 54, abrufbar in http://members.aol.com/jfrieling9166379.
Auch folgende Texte kann man nutzbringend verwenden:
1. Lessing: „Schlagt den ‚Adelung´ nach!“ – VRS – Verein für deutsche RS am 03.04.2001
2. Rechtschreiben in der Schule – RenateMariaMenges am 01.04.2001
Boykott der Rechtschreibdiktatur – VRS – Verein für deutsche RS am 02.04.2001
3. Selbstbestimmendes Rechtschreiblernen – Stephanus Peil am 24.03.2001
Hochschularbeitskreis „Kulturelle Selbstbestimmung – VRS – Verein für deutsche RS am 24.03.2001
Boykott der Schreibreform in der Schule – Manfred Riebe am 27.03.2001

Bezüglich der ß/ss-Schreibung kann man an die Fehleruntersuchungen von Professor Marx und Wolfgang Wrase auf dieser Netzseite anknüpfen. Beispiele der ß/ss-Schreibung aus dem 19. Jahrhundert findet man im Forum von www.deutsche-sprachwelt.de unter
Verunsicherung durch ß/ss-Schreibung – Manfred Riebe am 07.04.2001
Der Silikonbusen der Schreibreform – VRS – Verein für deutsche RS am 07.04.2001

Ich widerspreche Norbert Schäbler teilweise: Einen charakterfesten Lehrer, der wie Studiendirektor Wolfgang Illauer seinen Schülern im Gegensatz zu den Kultusministern hinsichtlich der Vermittlung demokratischer und christlicher Werte ein Vorbild ist, darf man nicht mit einem Don Quichotte vergleichen.



Manfred Riebe

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anonymer Gast
09.04.2001 22.00
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Die Franzosen...

Über welche Veränderungen der deutschen Rechtschreibung schütteln die denn so den Kopf? Was sagen denn Ihre französischen Freunde zu den Korrekturen an der französischen Rechtschreibung? Schütteln sie etwas den Kopf, weil man in Deutschland auch umsetzt, was man beschließt? Das ist zunächst der Unterschied zwischen F und D. Die Académie hatte 1990 den Veränderungen zugestimmt. Das gilt als typisch deutsch. Deswegen würde bei uns generell Tempo 100 auch etwas anderes bedeuten als in anderen Ländern. Wir gehen davon aus, dass man sich dann auch daran hält. Deswegen reicht es den meisten Reformgegnern ja auch nicht, zu sagen „je m’en fou!“, denn von der offiziellen Rechtschreibung abzuweichen tut offenbar weh.



Daniela Kopsch

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Theodor Ickler
09.04.2001 22.00
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Le bon usage

Spekulationen über das, was „die“ Franzosen unter gewissen Umständen, die man sich in Frankreich ohnehin schwer vorstellen kann, sagen oder nicht sagen würden, scheinen mir müßig. Fest steht, daß in Frankreich bei der Ermittlung des bon usage immer die Schriftsteller in hohem Ansehen standen, während unsere Schriftsteller, auch und gerade die besten, von Kultusministern als verschlafene Trottel und vom IDS als halbe Psychopathen hingestellt werden. Am ausführlichsten hat sich aus französischer Sicht Professor Jean M. Zemb geäußert, natürlich scharf ablehnend (bis auf die ss-Schreibung, die er aus der Sicht des ausländischen Lesers schon früher befürwortet hat).



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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