Eingeprägte Schriftbilder sind schwerer änderbar als Regeln.
Den Reformgegnern wird immer wieder vorgeworfen, sie seien zu faul oder zu alt zum Umlernen. Ich glaube, daß durch jahrzehntelange Wiederholung tief eingeprägte Schriftbilder eine ungeheuer große Hemmschwelle gegen Neuerungen bilden. Das ist aber durch die Art der Speicherung im Hirn vorgegeben und berechtigt nicht zur Verächtlichmachung. Die bildhafte Speicherung dient z.B. der schnellen Orientierung in der Umwelt. Sie beweist die Verwandtschaft des Menschen mit den Tieren und ist daher uralt. Sie ist der Grund für die Resistenz der englischen Sprache gegen Rechtschreibänderungen, denn englische Wörter müssen als Schriftbild gelernt werden, weil es so viele gleichlautende, aber total bedeutungsverschiedene Wörter und kaum Wortfamilien gibt. Deshalb setzen sich die vereinfachten und germanisierten amerikanischen Schreibweisen kaum oder nur äußerst langsam in England durch. Eher wird die Aussprache wieder an alte Schreibweisen zurück-angepaßt, z.B. bei Ortsnamen.
Man muß also als Tatsache anerkennen, daß Leute, die oft Bücher lesen, besonders resistent gegen Rechtschreibänderungen sind und sehr große natürliche innere Widerstände überwinden müssen. Sie sind höchstens dann zu Änderungen bereit, wenn sie es als ganz offensichtliche Verbesserung einsehen.
Weil aber die vorhandene Literatur nicht in zwei verschiedenen Schreibweisen, eine für die älteren und eine für die jungen Leute, gedruckt und gehandelt werden kann, sind Rechtschreibänderungen nur ganz behutsam durchführbar. Dieses Problem gibt es in jeder Sprache und ist dort nachlesbar.
Weil die bildhafte Speicherung das große Hindernis ist, wollen die Reformer sie abschaffen und ganz durch das Lernen von Regeln ersetzen, denn von Paragraphen ist man gewöhnt, daß sie oft geändert werden, krasse Beispiele sind die Steuer- und die Sozialgesetze. Dort kennen sich nur Fachleute aus, aber die Rechtschreibregeln soll jeder beherrschen.
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