Für eine Antwort auf Herrn Melsas Frage muss ich etwas ausholen und ins Detail gehen. Wenn eine Sprache wie das Englische nie eine Schreibreform erlebt hat, droht das, was Frau Philburn so treffend als Verlotterung bezeichnet hat. Die jetzige Reform bringt deshalb in Einzelfällen eine Anpassung der Schriftgestalt an die Aussprache (Delfin, Katarr, platzieren, nummerieren).
Wenn man sich entschlossen hat, bei der Großschreibung der Substantive zu bleiben, war es logisch und für Lernende nützlich, konsequenter als bisher Substantive großzuschreiben (Rad fahren, Auto fahren). Zugegebenermaßen ist die Reform dabei in wenigen Einzelfällen zu weit gegangen (Leid tun, zu Stande bringen); das wird sich korrigieren lassen. Bei zu Stande lässt der aktuelle Duden auch beide Schreibweisen zu.
Gut finde ich auch, dass die Reform die Tendenz des Deutschen zum Zusammenschreiben gebremst hat (Eis laufen statt eislaufen). Die Zusammenschreibe-Tendenz führt zu unübersichtlichen und schwer erlernbaren Wörtern.
Dass, wenn bei Zusammensetzungen drei Konsonanten aufeinandertreffen, alle drei geschrieben werden, hinde ich einfach logisch. Zwei plus eins ist nunmal drei. Warum soll bei Eisschnelllauf oder Geschirrrückgabe eigentlich ein Konsonant ausfallen? Wenn drei gleiche Vokale zusammentreffen, sollte man immer einen Bindestrich setzen (Tee-Ei). Schreiber, die wollen, dass ihr Text vom Leser leicht verstanden wird (nicht jeder Schreiber will das), sollten, wenn das zweite Teil des Kompositums mit Vokal anfängt, großzügig mit Bindestrichen umgehen (Lese-Erleichterung).
Besser sind die neuen Trennungsregeln (s-t; -ck; inte-ressant, anta-gonistisch). Leider erlaubt die Reform auch einige äußerst hässliche Trennungen (A-bend, o-der, Mag-net, Dip-lom); so darf man, muss man aber nicht trennen. Nachdem heutzutage das meiste, was geschrieben wird, nicht mehr auf Setz- oder Schreibmaschinen, sondern auf Computern geschrieben wird, braucht man nicht mehr so oft zu trennen. Das Abtrennen eines einzelnen Vokals (A-bend) ist nie erforderlich.
Eindeutig besser ist die neue ss/ß-Regelung. Wenn man bedenkt, dass sie über 90 % aller Änderungen eines Textes ausmacht, spricht der Saldo für die Reform.
Soweit mein Standpunkt. Sie sehen also, dass mir auch nicht alles zu 100 % gefällt. Aber wenn man grundsätzlich für eine Reform ist (siehe oben), darf man nicht erwarten, dass restlos alles nach dem eigenen Geschmack geht.
Ihre Hinweise, Herr Melsa, auf stets folgsame Duden-Beachtung sind wieder Argumenta ad hominem. Kein Kommentar dazu.
P. Schubert Berlin
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