Ersetze ‚Stuttgart 21’ durch ,Rechtschreibreform’!
Jahrelang wurde der Neubau des Stuttgarter Bahnhofs geplant. Nichts geschah. Nun protestieren Tausende. Warum?
Eine Spurensuche von Carsten Lißmann
Die Pläne stammen aus den neunziger Jahren… Wer die alten Zeitungen liest, kann einen Geist atmen, der sich noch Jahre später in einer Werbekampagne der Landesregierung wieder fand: Wir können alles. Außer Hochdeutsch.
… Achtzehn Jahre lang haben CDU, SPD und FDP, die im Landtag mehr als 87 Prozent der Sitze haben, das Projekt durch die demokratischen Institutionen gelotst. Machbarkeitsstudien, Anhörungen, Rahmenvereinbarungen, Planfeststellungsverfahren. Achtzehn Jahre lang hätten die Bürger gegen Stuttgart 21 protestieren können, sie haben es nicht getan. Nun plötzlich sind zwei Drittel der Stuttgarter gegen das Megaprojekt.
… Auf dem Bahnhofsvorplatz dreht ein Opa mit getönter Hornbrille seine Runden. Vorm Bauch trägt er ein Schild, darauf in Großbuchstaben: Wir lassen uns unser Recht auf Volksbefragung von der Stuttgart 21-Mafia und der faschistischen Landesregierung nicht nehmen! …
Wer mit den Leuten spricht, bekommt Worte zu hören, deftiger als die heimische Küche. S21 – ein großer Furz von kleinen Arschlöchern ist da auf Transparenten zu lesen. Die Politiker haben lange nicht begriffen, was passiert ist. …
Die Kommunikation des Projekts überließen die Ratsherren Werbeagenturen. Kostprobe von einem der Plakate, die in der Stadt geklebt wurden: Es stimmt, dass ein Teil des Schloßgartens über Jahre hinweg eine Baustelle sein wird. Es stimmt aber auch, dass in einer Großstadt Baustellen für den Erneuerungswillen ihrer Bürger stehen.
… Eine gemütlich wirkende Mitsechzigerin sagt: Der Kindergarten meiner Enkel wird teurer, weil die Stadt nach der Krise die Zuschüsse gestrichen hat. Und zugleich wird uns erzählt, Stuttgart 21 wäre eine Investition für unsere Nachkommen.
… Am Abend werden auf dem Parkplatz vor dem Hauptbahnhof Kreise gebildet. Die Protestierer beraten, was als nächstes zu tun ist. …
zeit.de 13.9.2010
In Stuttgart haben kürzlich rd. 20000 Bürger gegen den Neubau protestiert, in Schleswig-Holstein hatten 885511 Bürger gegen die Rechtschreibreform gestimmt – die Politiker tricksen weiter.
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