Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Von den Reizen der neuen Rechtschreibung
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margel
08.10.2003 13.58
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Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren...

Ja, werter guest, Sie und ich können uns um eine immer präzisere Ausdrucksweise bemühen. Aber für „die Sprache“, die aus millionenfachen Sprech – und Schreibakten besteht – und aus nichts anderem (Frau Popp!) – ist das wohl eine illusionäre Wunschvorstellung. Man kann hoffen, durch das gute Beispiel zu wirken. Sprechen und Schreiben vollziehen sich eben auf sehr unterschiedlichen Niveaus, wie andere menschliche Tätigkeiten auch. Genau darum ist es auch verfehlt, wenn die Reformer fordern, daß alle Schulabgänger grundsätzlich die Orthographie beherrschen müßten. Alles ist eine Frage des richtigen Maßstabs. Über den Wert eines Menschen ist damit gar nichts gesagt. Wer sich nur unvollkommen ausdrücken kann, ist vielleicht auf einem ganz anderen Gebiet dem Spachgewandten überlegen.

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guest
08.10.2003 13.39
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Das Werkzeug Sprache kann gar nicht genau genug sein

Die deutsche Sprache hat nicht wie die englische zwei verschiedene Wortschatz-Ebenen. Wenn man sich im Englischen ganz genau ausdrücken will, benutzt man die sehr zahlreichen Hard Words mit ihren sehr feinen Bedeutungsunterschieden. Für die Alltagssprache benutzt man die viel weniger zahlreichen Universalwörter, von denen fast jedes viele verschiedene Bedeutungen hat, sodaß es fast unmöglich ist, sich mit ihnen ganz genau auszudrücken. Deshalb ist englische Lyrik voll von Hard Words. Das ist der große Unterschied zum Deutschen. Das Deutsche hat entsprechende Wörter nur in den wissenschaftlichen Fachsprachen. Außerhalb der Fachsprachen muß man sich mit den normalen deutschen Wörtern möglichst genau ausdrücken können. Die deutsche Lyrik ist das beste Beispiel dafür. Es muß möglich sein, sich auch im Telegrammstil präzise ausdrücken zu können, das heißt, die Wörter selbst müssen die Bedeutung ausdrücken und nicht erst ihr Kontext im Satzgebilde. Zwischen Ausdrücken, die das Ziel oder Ergebnis einer Tätigkeit und Ausdrücken, die die Art und Weise einer Tätigkeit beschreiben, muß schon durch ihre Schreibweise unterschieden werden können, zum Beispiel im Telegrammstil. Deshalb müssen alle Wörter, die zwei derartig verschiedene Tätigkeiten ausdrücken, verschiedene Schreibweisen haben, auch wenn das nicht in allen grammatischen Formen durchgehalten werden kann. (Dabei ist nicht an die Unterscheidung von direkter und übertragener Bedeutung gedacht, denn diese beiden Bedeutungen können auch einfache Wörter haben.) Eines der häufigsten Wörter ist das Wort „machen“ mit allen seinen Zusätzen. Hier sollte diese Unterscheidung konsequent durchgeführt werden, auch wenn das noch nicht von der Mehrheit der Schreiber erfüllt wird. In den Wörterbüchern müssen beide Schreibweisen zugelassen werden, und in „Anleitungen zum genauen Schreiben“ muß das erkärt werden. Es ist ganz einfach, die deutsche Sprache genauer zu machen. Ohne genaue Ausdrucksmöglichkeiten ist keine Spitzenstellung in Wirtschaft und Kultur erreichbar, das war schon im Altertum so.

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margel
08.10.2003 13.39
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Auf der Suche

Zwei Fragen an Frau Popp: 1. Wo ist die Sprache als System, also neben/über den konkreten Sprachäußerungen „aufbewahrt“? 2. Warum schreibt man in neuer Rechtschreibung „Du tust mir Leid“, aber „Du tust mir weh“ ?

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Margret Popp
08.10.2003 12.00
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Re: Re: Re: Re: Vorwärts, Kameraden, wir gehen zurück!

Fortsetzung

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Margret Popp
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Melsa

Ist das, was Sie hier jetzt gerade lesen, etwa keine Sprache? Sprache bleibt auch dann noch Sprache, wenn sie aufgezeichnet ist.

Nein, das was wir hier vor uns sehen ist nicht SPRACHE (als System), sondern bestenfalls aufgezeichnete REDE (ein spezielles und noch dazu sehr vergängliches Beispiel für Sprachverwendung).

Dass die Schreibung die Sprache als System (als den essenziellen Code, mit deren Hilfe sich Menschen überhaupt verständigen können, dasjenige, das jede Sprachverkehrsgemeinschaft zu diesem Zweck eingespeichert hat) zu beeinträchtigen vermöchte, dafür fehlt (abgesehen von ein paar spelling pronunciations) jeglicher Beleg.


Das ist die bisher nicht überwundene strukturalistische Sehweise, korrekt. Sie ist nicht neu, aber selbst diese Binsenwahrheiten werden von den Opponenten der RR vergessen.

Wir haben also:

(a) Die Sprache als System.

(b) Die Rede (die Anwendung der Sprache in einem bestimmten Text).

(c) Kulturtechniken zur permanenten Fixierung der Rede, wobei es eine Skala von Möglichkeiten gibt von einer Morphographie chinesischen Typs, die je nach Region grundverschieden lautiert wird, an dem einen Ende, über eine Alphabetschrift, die zumindest prinzipiell an die Aussprache der betreffenden Rede gebunden ist, eine phonetische Wiedergabe, in der ein Eins-zu-eins-Verhältnis zwischen Schreibung und Aussprache angestrebt wird und die völlig lautgetreue elektronische Aufzeichnung der akustischen Seite der Aussprache am andern Ende.

Die Kulturtechniken unter (c) sind nicht Teil der Sprache. Sie sind nicht einmal Teil der jeweils festgehaltenen Rede, sondern sie sind wie gesagt nur Methoden, um die ansonsten flüchtige Rede permanent festzuhalten.

Wir erörtern hier echte oder vermeintliche Schwächen der heutigen deutschen Rechtschreibung, als da wären die Groß- oder Kleinschreibung, Getrenntschreibung, Zeichensetzung. Auch all das gehört nur zu den heutigen Tricks, wie man deutsche Rede permanent schwarz auf weiß festhält.

WANN wäre einmal ein Einfluss der heutigen Schreibung auf die Sprache im Sinne von (a) festzustellen? Das einzige, was mir einfällt, wäre die Schriftaussprache; also, wenn zB die neue Schreibung „selbstständig“ zu einer Aussprache mit zwei „st“ in der Mitte (etwa /stscht/) führen würde.

Sogar, wenn nicht nur ein sondern eine ganze Reihe von pedantischen Sprachbrauchern plötzlich diese Schriftaussprache gebrauchen würden, wäre das System der Sprache an und für sich noch nicht tangiert, sondern das wären bloß stark idiosynkratische Aussprachen ephemeren Charakters (bzw knapper gesagt, Aussprachefehler). Eine Veränderung der Sprache als System wäre erst dann festzustellen, wenn ein erheblicher Teil der Sprachverkehrgemeinschaft diese Aussprache dauerhaft übernähme (so dass man sie zB in einem deskriptiven Aussprachewörterbuch des Deutschen aufnehmen müsste).

Dies ist aber ein so extremer Einzelfall, dass daraus kein genereller Einfluss der Schreibung auf die Sprache entnommen werden kann. Es gibt einen gewissen Einfluss des Umstands, dass ich schreibe, auf meine Rede; es fehlt mir dann die Intonation und ich drücke mich vielleicht formeller aus. Aber auch das sind keine sehr durchschlagenden Einflüsse (formeller ausdrücken würde ich mich zB auch, wenn ich einen offiziellen Vortrag zu halten hätte: diese stilistische Besonderheit ist nicht auf geschriebene Texte beschränkt).

Ich bin gern bereit, auch über Schwächen der neuen Rechtschreibung zu sprechen, aber nicht unter der Voraussetzung, dass alles, was daran nicht optimal ist oder zu sein scheint, alsbald die deutsche Sprache oder die Ausdrucksmöglichkeiten im Deutschen beeinträchtige. Eine solche Aussage ist einfach Unsinn.

Ebenfalls gefällt mir keine Schmähkritik, bei der nicht den strukturellen Zusammenhängen in der deutschen Sprache und den Schwierigkeiten, diese schriftlich abzubilden, Rechnung getragen wird, und wo die Gegenvorschläge den Zusammenhängen ebenfalls nicht gerecht werden, wie das bei dem Problem der Getrenntschreibung unentwegt der Fall ist.

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Theodor Ickler
08.10.2003 06.24
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guest schrieb: „Leider sind generalisierende Vorschläge dieser Art stets an der auf die Schreibung der Mehrheit ausgerichteten Betrachtungsweise von Prof. Ickler gescheitert.“

Das ist ein Mißverständnis. Ich habe an vielen Stellen vor einer mechanischen Auszählung der Mehrheitsbelege etwa bei Google gewarnt und dagegen die Notwendigkeit hervorgehoben, auf die Qualität der Quellen zu achten. Das Argument der Zirkelhaftigkeit ist mir bekannt: Gute Rechtschreibung zeigen gute Texte, die man an der guten Rechtschreibung erkennt usw. Ich werde darauf nicht nochmals eingehen, da es in Wirklichkeit keine Rolle spielt. Gute Texte in meinem Sinne waren (und sind zum Teil noch) die großen Tageszeitungen sowie Fachzeitschriften und -bücher, nicht dagegen Internet-Chats u. ä. Den Usus habe ich stets in diesem Sinne definiert, so daß die Unterstellung von guest haltlos ist.
__________________
Th. Ickler

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margel
07.10.2003 20.17
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Habe nun, ach!

Es ist ja sehr lehrreich und geradezu schwindelerregend, wenn hier endlich einmal Bildungsgüter ausgebreitet werden, von denen z.B. ich Wäldler bisher nur vom Hörensagen wußte. Herr W. gibt einen Abriß der Aussagen- und formalen Logik, wobei diese Perlen vermutlich verschwendet wurden. Frau P. hält sich am Strukturalismus fest, der ja nun auch nicht mehr so taufrisch ist. Jetzt fehlt nur noch die Frage: „Was ist der Mensch?“ („Recht eigentlich das sprechende Tier“, sagt R. Musil) – Vielleicht sollten wir doch zum Thema zurückfinden, das da lautet; Was ist an der reformierten Rechtschreibung schlechter als an der herkömmlichen? Dies läßt sich zeigen (Evidenz heißt das, glaube ich) – ganz konkret, an Beispielen aus der Schreibwirklichkeit. Am fruchtbarsten scheint mir dabei weiterhin, auf den Werkzeugcharakter der Sprache, speziell der geschriebenen, abzuheben.

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Margret Popp
07.10.2003 18.51
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Re: Re: Re: Vorwärts, Kameraden, wir gehen zurück!

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Melsa
Margret Popp schrieb:

Spielt sie [die Orthographie], außer bei konkreter Poesie, im Sprachleben eine tragende Rolle? Sprachen ohne Orthografie gibt es dagegen.

Sie lenken andauernd mit der Unterstellung ab, die Reformgegner würden Schreibung mit Sprache verwechseln. Dabei ist das gar nicht der Fall, sie erkennen einfach das Offensichtliche, daß Schreibung ein Teil der Sprache ist. Und wer wollte das bestreiten?


Jeder, der sich ernsthaft mit dem Leben der Sprachen auseinandergesetzt und hinsichtlich dessen, was eine Sprache ausmacht, ein einigermaßen klares Weltbild hat.

Ist das, was Sie hier jetzt gerade lesen, etwa keine Sprache? Sprache bleibt auch dann noch Sprache, wenn sie aufgezeichnet ist.

Nein, das was wir hier vor uns sehen ist nicht SPRACHE (als System), sondern bestenfalls aufgezeichnete REDE (ein spezielles und noch dazu sehr vergängliches Beispiel für Sprachverwendung).

Dass die Schreibung die Sprache als System (als den essenziellen Code, mit deren Hilfe sich Menschen überhaupt verständigen können, dasjenige, das jede Sprachverkehrsgemeinschaft zu diesem Zweck eingespeichert hat) zu beeinträchtigen vermöchte, dafür fehlt (abgesehen von ein paar spelling pronunciations) jeglicher Beleg.

(Es tut mir Leid, heute Abend nicht mehr auf alle Erwiderungen und Anfragen eingehen zu können; das kommt demnächst.)

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RenateMariaMenges
07.10.2003 17.48
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who is who

(guest)„Das hat auch Herr Heller mir damals schriftlich bestätigt.“

Es gibt drei Möglichkeiten, wer unser guest hier ist. Interessant ist es auf alle Fälle! Ich kenne den Sprachstil nicht genau- darum muss ich nochmals warten. Es wird so sein, dass guest vor mir hier schon geschrieben hat.

Lieber guest,

erklären Sie mir Ihren Vorschlag der leichteren Erlernbarkeit der Orthografie?
__________________
RenateMariaMenges

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margel
07.10.2003 16.58
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Neuerungen, Steuerungen...?

Werter „guest“, wer soll Ihrer Meinung nach neue Schreibweisen im Sinne einer „logischeren“ Entwicklung der Orthographie vorschlagen? Denken Sie dabei an Wörterbücher? An eine Institution? – Bisher verlief ja die Entwicklung dr Rechtschreibung nicht auf diese Weise. Die Reformer wollten das ändern, sind dabei aber aus vielerlei Gründen gescheitert.(Nebenbei: Auch in einem sogenannten „chaotischen“ Lager findet man mit der richtigen Software jeden Artikel genau so schnell wie z.B. in einem alphabetisch geordneten.) Ist nicht vielleicht jeder Versuch einer bewußten Einflußnahme auf die Rechtschreibung schon im Ansatz verfehlt?

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guest
07.10.2003 11.42
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Adverbien und Präfixe vor Verben

Zu Frau Margret Popp vomm 2.10.03:

Das Betonungskriterium wurde von den Reformern zunächst völlig beseite gelassen. Das hat auch Herr Heller mir damals schriftlich bestätigt.
Bei Präfixen wie „um-" ist es wirklich schwierig, die Betonung schriftlich darzustellen, außer in den geteilten Verbformen: Den Polizisten umfahren oder umfahren bzw. umgefahren oder umfahren haben.
Bei Adverbien ist eine Betonungswiedergabe durch die Schreibweise möglich: etwas festhalten oder fest halten. Aber wiederum nicht in in allen geteilten Formen.
Bei Bedeutungsunterschieden sollte trotzdem dieses Unterscheidungsmittel unbedingt soweit wie irgend möglich angewendet werden.
Leider sind generalisierende Vorschläge dieser Art stets an der auf die Schreibung der Mehrheit ausgerichteten Betrachtungsweise von Prof. Ickler gescheitert. Aber diskussionswert ist das Thema. Es wäre schön, wenn die bisherige Rechtschreibung nicht nur als die Schreibweise der Mehrheit wiederhergestellt, sondern auch in Richtung auf größere linguistische und semantische Logik und dadurch leichtere Erlernbarkeit verbessert werden könnte. Es scheint aber in diesem Kreis dafür keine Mitstreiter zu geben. Schade. Eine Reform in dieser Richtung würde ich begrüßen, denn sie würde nicht wie die jetzige die Sprachentwicklung gewaltsam zurückdrehen, sondern in der bisherigen Richtung vorsichtig weiterentwickeln. Solche Ideen müssen den Schreibern natürlich zunächst nur als Vorschläge angeboten, aber auch zugelassen werden. Eben so, wie die Sprache sich auch bisher weiterentwickelt hatte.

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guest
07.10.2003 11.21
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im wesentlichen - im Wesentlichen

Dieter Hildebrandt mündlich im Abschieds-Scheibenwischer am 2.10.03: „Ich habe im w(W)esentlichen herumgestochert.“ Wie er es meinte, war, wie so oft, den Zuhörern überlassen.
Dieses Wortspiel war bis zur R.R. möglich in der schriftlichen Form: „Im wesentlichen im Wesentlichen herumstochern.“ Schriftlich waren die Bedeutungsunterschiede genau ausdrückbar und für den Leser sofort verständlich.
Seit der R.R. ist nur noch „im Wesentlichen“ zugelassen, und der Leser muß raten, welche Form und Bedeutung der Schreiber wohl meint. Ein weiteres Beispiel für die staatlich verordnete Ausdrucksverarmung der deutschen Sprache. Man muß fragen, ob die Leute, die einst solche Bedeutungsunterschiede ausgedacht und formuliert haben, heute von den Schülern für Deppen gehalten werden sollen, die nur Fehler in die Sprache gebracht haben und an den heutigen Mißverständnissen ihrer Texte selbst schuld sind.

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J.-M. Wagner
06.10.2003 23.14
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Sprache und Logik

Vielen Dank, Frau Popp, für Ihre ausführliche und sehr interessante Antwort („Re: Re: Re: Wortbildung und Schreibkonvention“)! Da sie viele Aspekte birgt, werde ich nach und nach jeweils darauf eingehen.

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Margret Popp
[J.-M. W.:] Nimmt man diese Aussage als eine vom Typ „wenn A, dann B“ (hier: wenn etwas [nach außerschriftlichen Kriterien] ein Wort ist, dann wird es zusammengeschrieben), dann ist die (im Sinne der Aussagenlogik) zugehörige Negation vom Typ „wenn nicht B, dann nicht A“.

Ich will gegen diesen Ihren Satz keinen Einwand erheben, möchte aber darauf hinweisen, dass die Sprache nicht so säuberlich gebaut ist, wie Sie möglicherweise annehmen.
Zunächst einige Bemerkungen zur Logik an sich. Wenn einem das beim Lesen zuviel wird, kann man es von da ab überpringen, wo man die Lust verliert; weiter unten gehen ich darauf ein, was das Ganze mit Sprache zu tun hat.

Werden zwei Aussagen, deren Wahrheitswert unmittelbar feststeht und der entweder falsch oder wahr ist, durch eine Subjunktion (Zeichen „–>“) verknüpft, dann ist die dadurch entstehende Gesamtaussage immer wahr, es sei denn, daß die erste Teilaussage falsch und die zweite wahr ist. Das ist zwar nur eine Definition, und sie wirkt auf den ersten Blick etwas befremdlich, aber daß sie sinnvoll ist, kann man sich an einfachen Beispielen leicht klarmachen. Etwa so:

„Wenn es morgen stark regnet, [dann] gehen wir nicht in den Zoo.“ Das zerfällt in die Aussagen A: „Morgen regnet es stark“ und B: „Wir gehen morgen nicht in den Zoo.“ Es gibt folgende Fallgruppen: (i) Am nächsten Tag regnet es nicht (oder nur schwach). Dann ist es egal, ob diejenigen, auf die sich das „wir“ bezieht, an dem Tag in den Zoo gehen oder nicht: Die obige Wenn-dann-Aussage bleibt davon unberührt, die Tatsachen widersprechen ihr in beiden Fällen nicht, und deshalb gilt sie in diesen Fällen als wahr. (Daran sieht man: Aus einer falschen [unzutreffenden] Aussage folgt Beliebiges [Wahres oder Falsches; man weiß nichts über den Wahrheitswert].) (ii) Am nächsten Tag regnet es stark. Das ist der Fall, auf den sich die Gesamtaussage bezieht, und also ist nun Teil B relevant. Gehen die mit „wir“ bezeichneten Personen dann doch in den Zoo, steht das im Widerspruch zur Aussage B. Dadurch wird die gesamte Aussage falsch, die ja für genau diesen Fall das genaue Gegenteil angekündigt hat. Gehen „wir“ dann nicht in den Zoo, ist die zusammengesetzte Aussage offenbar wahr.

Hinter dieser Argumentation steckt noch das Prinzip der Negation in der Aussagenlogik, daß eine Aussage, die man als nicht falsch identifiziert hat, wahr sein muß und umgekehrt (was nicht wahr ist, ist falsch). – Übersichtlicher wird das mittels einer Wahrheitswertetabelle. Das Zeichen für die Negation ist „¬“ (unter HTML mittels des Befehls „¬“ bzw. „¬“ erzeugbar), die Wahrheitswerte falsch und wahr werden durch „f“ und „w“ abgekürzt. Diese Tabelle ist so zu lesen: In den ersten beiden Spalten ganz links stehen die möglichen Wahrheitswerte von A und B, aus deren Kombination sich die vier hier zu betrachtenden Fälle ergeben. In allen weiteren Spalten sind die resultierenden Wahrheitswerte des im Spaltenkopf angegebenen logischen Ausdrucks angegeben.




A B A –> B ¬A ¬B (¬A) v B (¬B) –> (¬A)
w w w f f w w
w f f f w f f
f w w w f w w
f f w w w w w


Man sieht, daß man das Resultat der Subjunktion „A –> B“ auch dadurch erhält, daß man die Spalten „¬A“ und „B“ mittels eines einfachen oder (lat. vel, Zeichen „v“) verknüpft. Eine derart gebildete Aussage ist insgesamt wahr, wenn eine (oder beide) Teilaussage(n) wahr ist (sind). Weil es bei der Oder-Aussage nicht auf die Reihenfolge der Teilaussagen ankommt, kann ich den Bezug zu der Reihenfolge in der Subjunktion (bei der es auf die Reihenfolge ankommt!) vertauschen. Jetzt steht es so da, daß die negierte erste Aussage mit der unveränderten zweiten Aussage per oder verknüpft ist. Beim Tausch der Rollen von erster und zweiter Aussage ist also „¬A“ als die zweite und „B“ als die Negation der ersten Aussage zu verstehen.

Wovon aber ist „B“ die Negation? Nun, offenbar von „¬B“, denn die doppelte Negation ändert den Wahrheitswert zweimal in sein Gegenteil und läßt ihn damit unverändert. Es gilt: ¬(¬B) <=> B. Das Zeichen „<=>“ steht für die Äquivalenz, d. h. die logische Gleichwertigkeit zweier Ausdrücke, unabhängig davon, welchen Wahrheitswert sie jeweils annehmen. [Bei Zahlen würde man ein Gleichheitszeichen schreiben; die Entsprechung zur doppelten Verneinung ist offenbar -(-a)=a.] Daraus folgt: Wenn ich (¬A) als zweiten Teil der Subjunktion ansehe, ist (¬B) der zugehörige erste Teil, ohne daß sich an der Gesamtaussage etwas ändert. Es gilt also folgende Kette logischer Äquivalenzen:

A –> B <=> (¬A) v B
<=> ¬(¬B) v (¬A) <=> (¬B) –> (¬A).

Ich muß mich also dringend korrigieren! Was ich geschrieben hatte, war ein gedanklicher Lapsus:
Zitat:
Nimmt man diese Aussage als eine vom Typ „wenn A, dann B“ (hier: wenn etwas [nach außerschriftlichen Kriterien] ein Wort ist, dann wird es zusammengeschrieben), dann ist die (im Sinne der Aussagenlogik) zugehörige Negation vom Typ „wenn nicht B, dann nicht A“.
Das ist offenbar falsch, denn es handelt sich bei „wenn nicht B, dann nicht A“ gar nicht um die Negation der Aussage „wenn A, dann B“, sondern um ein logisches Äquivalent derselben Aussage. (Daß hier nicht auftaucht, hat mit einer eventuellen Negation der Gesamtaussage nichts zu tun!) Meine weitere Argumentation beruhte aber auf der Äquivalenz der beiden Aussagen »Wörter werden zusammengeschrieben« und »Was getrennt geschrieben wird, ist eine Wortgruppe«, daher ändert sich daran nichts.


Was hat nun das alles mit Sprache zu tun? Garnichts!! Deshalb kann man daraus, daß man sich dieser logischen Konstrukte bedient, auch nicht ableiten, damit würde der Sprache eine entsprechende Regelhaftigkeit unterstellt werden. Was Sie sagen, Frau Popp, stimmt genau: daß die Sprache eben nicht so säuberlich und klar gebaut ist wie die mathematische Logik.

Ich wollte mit meiner Argumentation (unter „Re: Re: Wortbildung und Schreibkonvention“) auf etwas ganz anderes hinaus: Sobald man die Ebene der Sprache an sich, d. h. der konkreten Beispiele, verläßt und seine Beobachtungen systematisiert, trifft man Aussagen über die Sprache, die sich anhand der vorgefundenen Beispiele als zutreffend oder unzutreffend erweisen. Mithin gelten für diese Metaebene die Prinzipien der Aussagenlogik. Also: Nicht die Sprache selbst ist es, die säuberlich gebaut ist, sondern ihre Beschreibung muß es sein! Logisch inkonsistente Aussagen sind unbrauchbar, das gilt für jede Wissenschaft – sonst wäre das jeweilige Gebiet keine. An diesem Punkt ist die Unterscheidung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften (die ja heutzutage auf eine Trennung hinausläuft) hinfällig.

(Natürlich treten ab und zu Widersprüche auf, und auch die Physik ist nicht frei davon. Das tut aber der Tatsache keinen Abbruch, daß die Physik eine wissenschaftliche Disziplin ist [im Unterschied etwa zu künstlerischen Disziplinen]. Im Gegenteil: Dort, wo Unerwartetes eintritt oder grundsätzliche Aussagen in Konflikt miteinander geraten, kann man sehr viel lernen, denn dann müssen diese Widersprüche gelöst bzw. erklärt werden. Die Entwicklung der Quantenmechanik geht beispielsweise letztlich auf die Notwendigkeit zurück, fundamentale Widersprüche der sogenannten klassischen Physik auflösen zu müssen.)
__________________
Jan-Martin Wagner

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margel
06.10.2003 19.08
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Re: Zitate von ???

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von margel
Die deutsche Orthographie hat einen ans Wunderbare grenzenden Verlauf genommen, ohne daß die Menschen, die sie entwickelten, sich eine klare Vorstellung von dem Ergebnis als Ganzes gemacht hätten. Die Theorie erfaßt die Orthographie erst, wenn diese bereits fertig ist. So ergibt sich die Erkenntnis, daß die Orthographie für die Reflexion bereits gänzlich konstituiert ist. Daher ist der Betrachter geneigt, zu glauben, er erfasse die Orthographie wie er einen natürlichen Gegenstand wahrnimmt. Etwas Geschriebenes lesen heißt also, das vom Schreiber Erdachte, Gemeinte nachzuvollziehen. Deshalb bedeutet das Geschriebene für alle Leser in einem gewissen Sinne zunächst einmal dasselbe. Das heißt nicht, daß es für alle den gleichen Wert besäße oder den gleichen Widerhall weckte.

Der große Dirigent und Musikgelehrte E.Ansermet über die abendländische Musik im Vorwort seines Buches „Die Grundlagen der Musik im menschlichen Bewußtsein“ – Zum Thema „Rechtschreibung“ passend abgewandelt, ohne die Kernaussage zu verändern.

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J.-M. Wagner
06.10.2003 17.44
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Re: Re: Hinweis auf [...]

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Melsa
Guest fragte:
Wo und wenn nicht warum nicht findet man einen Hinweis auf den „Kritischen Kommentar“ auf der Willkommenseite?

Ich kann zwar diese Frage nicht direkt beantworten, aber wenn jemand den Kritischen Kommentar lesen möchte, hier gibt es ihn (PDF, 870 KB).
Wunderbar, den „Kritischen Kommentar“ in dieser Form einsehen zu können! Leider hat es aber bei der Konversion nach PDF ein paar Probleme gegeben: Manche Zeichen werden nicht richtig dargestellt (siehe etwa die [zu vermutenden] Spiegelstriche S. 5; außerdem hat Acrobat Reader Version 4 u. a. mit einigen Paragraphenzeichen in Überschriften Probleme, die als leere Quadrate angezeigt werden), und es erscheint zwischendurch die Meldung „The font '##+TimesNewRoman,Bold' contains bad /Widths“ (oder ist letzteres ebenfalls ein spezielles Acrobat-4-Problem?). Ich hoffe, daß eine Korrektur nicht allzuviel Mühe macht, denn es wäre schön, wenn diese Probleme behoben würden.
__________________
Jan-Martin Wagner

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margel
04.10.2003 08.22
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Frage und Antwort

Darum sei die Fragerin auch bedankt: Sie hat sie uns abverlangt. (Frei nach B.B.)

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