Klasse, Spitze und ähnliches
Leider hat sich der Duden doch nach der amtlichen Regelung gerichtet und läßt in der 22. Auflage die Kleinschreibung nicht mehr zu:
»klas|se (ugs. für hervorragend, großartig); ein Auto; er hat gespielt; das finde ich (auch Klasse; vgl. d.); Klas|se, die; , -n (Abk. Kl.); jmd. od. etwas ist (auch klasse; vgl. d.)« (Duden, 20. Aufl. (1991), S. 395)
»klas|se (ugs. für hervorragend, großartig); ein klasse Auto; sie hat klasse gespielt
Klas|se, die; , -n (Abk. Kl.); jmd. od. etwas ist Klasse« (Duden, 22. Aufl. (2000), S. 545)
(Unterstreichungen hinzugefügt, analog bei spitze/Spitze)
Die optionale Kleinschreibung ist also gestrichen. Des weiteren wurde er hat klasse gespielt durch sie hat klasse gespielt ersetzt.
Dies findet man übrigens jetzt häufig im neuen Duden. Selbst das uralte Duden-Beispiel für die Verwendung des ß in der französischen Sprache bei Eigennamen Monsieur Aßmann était à Paris (zu finden in allen Duden-Auflagen bis 1996, z. B. Duden, 20. Aufl. (1991), S. 75) wurde jetzt ersetzt durch Madame Aßmann était à Paris (Duden, 22. Aufl. (2000), S. 101).
Da wir uns im Themenstrang Dudenverlag befinden, erlaube ich mir, noch ein weiteres Beispiel hinzuzufügen:
1991:
»ver|na|schen; sein Geld -; ein Mädchen (ugs. für mit ihm schlafen)« (Duden, 20. Aufl. (1991), S. 769)
2000:
»ver|na|schen; ein Mädchen, einen Mann vernaschen (ugs. für mit ihm schlafen)« (Duden, 22. Aufl. (2000), S. 1030)
2001:
»ver|na|schen [...] er wäre gerne von ihr vernascht worden.« (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl. (2001), S. 1710)
Die Dudenredaktion geht also so weit, nur noch die Richtung anzuführen, die ihrer Meinung nach politisch weniger anstößig ist; unabhängig davon, daß dieses Wort fast ausschließlich in der Weise verwendet wird, wie es noch 1991 korrekt verzeichnet war. Solche Maßnahmen haben mit dem Aufzeichnen des Sprachgebrauchs – das sollte ja eigentlich die Aufgabe des Universalwörterbuchs sein – nichts mehr zu tun.
Zu scheiße habe ich schon mal versucht, eine kleine Diskussion anzustoßen (=> Ickler Wörterbuch => Revision (30.04.01)), und Herr Markner stimmte mir damals dahin gehend zu, daß ihm die Kleinschreibung solcher Wörter durchaus sympathisch sei. In den Wörterbüchern ist dazu bisher nichts zu finden.
Zum Duden-Universalwörterbuch möchte ich noch schnell ergänzen, daß es doch sicherlich interessant ist, daß die Neuauflage Telephon (vom amtlichen Regelwerk eindeutig ausgeschlossen) wieder zuläßt, und zwar als normale Nebenvariante (S. 1570). Dies ist ebenso seltsam wie die plötzliche Wiederzulassung von insonderheit, das ja in der 3. Auflage von 1996 bereits aufgelöst war. In der Dudenredaktion scheint die linke Hand nicht zu wissen, was die rechte macht.
Entschuldigung, jetzt muß ich doch noch etwas nachtragen:
Im neuen Universalwörterbuch findet sich tatsächlich eine Aussage zu scheiße/Scheiße:
»schei|ße (derb abwertend): ausgesprochen schlecht, unerfreulich, ärgerlich: ich fand die Musik s.« (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl. (2001), S. 1367)
Zusammenfassung: Die neue Rechtschreibung schreibt also vor: »Ich finde bewährte Orthographie Klasse, und die neue finde ich scheiße.« Wie Spitze eine solche Regelung doch ist!
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Christian Dörner
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