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Forum > Ickler-Wörterbuch
Substantive: semantischer Aspekt
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Stephan Fleischhauer
09.02.2001 11.59
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Das mit den „Lebewesen“ (usw.) hatte ich nur als Beispiel zur Veranschaulichung gemeint. Natürlich kommt man in Schwierigkeiten, wenn man versucht, präzise (Gruß an D.L.)zu definieren. Allerdings ist die „Kurze Anleitung ...“ ohnehin nicht ganz widerspruchsfrei.

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Theodor Ickler
09.02.2001 06.15
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Es sind sehr viele Anregungen in den letzten Beiträgen enthalten, ich werde später mal darauf eingehen. Jetzt nur folgendes: Der Ausdruck „wovon die Rede ist“ (gleichbedeutend mit Herrn Lindenthals „was es gibt“, aber eine Spur besser) ist weder grammatisch noch semantisch, er ist „textlinguistisch“ zu verstehen. Daran muß man sich erst gewöhnen. Der unmittelbare Gewinn ist, daß man keine „Ontologie“ zu bemühen braucht, lieber Herr Fleischhauer, denn damit sind Nerius und alle anderen bisher gescheitert. Man kommt dann neben den „Lebenwesen“, „Dingen“ usw. auf die Frage nach den Abstrakta, d.h. alte und neue philosophische Probleme, die man hier wirklich nicht auch noch nebenbei lösen kann.
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Th. Ickler

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Christian Melsa
09.02.2001 04.43
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Zu der Frage, warum nicht „mit absicht“, fällt mir folgendes ein: Offensichtlich ist die jeweilige vor dem Substantiv verwendete Konjunktion ein gewisses Kriterium für die Art, in der die ganze Fügung und demnach die Rolle ihres Substantivs zu betrachten ist. Bekannt-berüchtigtes Beispiel: „in bezug auf“ versus „mit Bezug auf“. Ersteres wird wohl eher als synonym zu „bezüglich“ wahrgenommen, bzw. es ist so gemeint, als die Schreibweise mit „mit“. Es kommt dadurch zwar auch wiederum eine einigermaßen nützliche Differenzierung einher, nämlich eben das „bezüglich“ gegenüber einem konkret gemeinten „Bezug“ (was für Abstufungen der Konkretheit bei „Bezug“ auch immer vorstellbar sein mögen). Eine Handhabung, die tatsächlich eher in Richtung eines freieren, produktiven Verfahrens geht, wäre wohl vernünftiger (jedoch mit Deskription nur begrenzt zu vereinbaren); also in dem Sinne, daß der Schreiber diese Technik eher derart einsetzt, um möglichst elegant zu übermitteln, was er eben genau mitteilen möchte, im Gegensatz zu einer Handhabung, die in ziemlich formaler Manier (ähnlich der geschlossenen Partikellisten im §34 der Neuregelung beispielsweise) starr die Identität der Konjunktion beäugt. Das würde bedeuten, daß man also auch je nach Ausdruckswunsch auch „mit bezug auf“ schreiben könnte, denn letzteres ließe sich schließlich genauso als gleichbedeutende Alternative zu „bezüglich“ sehen. Allerdings ist umgekehrt „in Bezug auf“ schwerlicher als konkreter Bezug einsortierbar, denn in diesem Fall müßte ja eigentlich ganz korrekt „im“ statt dem „in“ stehen.

Gut, es gibt natürlich Sätze ohne Substantiv, aber dann übernehmen Pronomen deren Rolle. Daß diese Wortart nun wiederum klein geschrieben wird (außer zum Ausdruck der Ehrerbietung in der direkten persönlichen Anrede), stellt natürlich auch wieder eine gewisse Unstimmigkeit im Zusammhang zur Faustregel „Dinge, von denen die Rede ist“ dar. Aber da dieser Sachverhalt mit meinem letzten Satz bereits umfassend beschrieben wird, zeigt sich diese Unterklausel als recht einfach zu begreifen und in dem ganzen Kontext nicht weiter problematisch. Pronomen stehen ja immer als Platzhalter für Dinge, die bei unmittelbarer Nennung (falls diese Dinge überhaupt im Umfang eines einzelnen Wortes faßbar sind) dann doch wieder groß geschrieben würden. In diese Kategorie kann man daher ebenso solche Kleinschreibungen wie „folgendes“, „der einzelne“, „die anderen“, „mir gefiel verschiedenes/einiges nicht“ einordnen, die z.T. im Regelteil auf S.47 in einer Beispielreihe mit „im geringsten“ und „aufs neue“ stehen, obwohl ich letztere doch eher als adverbiale Wortgruppe sehen würde, erkennbar daran, daß eine Präposition dazugehört.

Interessanterweise ist der Grundsatz der Unterscheidungsschreibung zwischen unmittelbar konkreter und adverbialer Bedeutung auch bei der Kleinschreibung von Superlativen wiederzuerkennen, bloß daß sie dort allgemeingültig und nicht auf Einzelfälle beschränkt ist: „In der Tuntenbar sitze ich in der Ecke am wärmsten“ meint offenbar etwas anderes als: „In der Tuntenbar sitze ich in der Ecke am Wärmsten“.

Zu Herrn Lindenthal: Natürlich stellt kein Mensch all diese Überlegungen jedesmal voll bewußt beim Schreiben eines Wortes an, vielmehr schreibt man einfach so, wie man sich mehr oder weniger unterschwellig an die richtigen Schreibweisen aus Lektüre erinnern kann. Den Umstand zu kennen, was der Unterschied zwischen z.B. „Liebe deinen nächsten“ und „Liebe deinen Nächsten“ ist, kommt an sich dem Umstand gleich, überhaupt Bedeutung von Wörtern bzw. Sprachmechanismen zu kennen. Sprachbeherrschung ist, mit Kodierungskonventionen vertraut zu sein.

Die Unterscheidung „was es gibt / was es nicht gibt“ ist eigentlich nicht gerade präziser als „Dinge, von denen die Rede ist“. Man könnte nämlich daraus leicht schließen: Auch Eigenschaften und Tätigkeiten gibt es selbstverständlich, also müßte man Adjektive und Verben dann doch ebenfalls groß schreiben. Und, ein wenig kindlich gedacht: Schreibt man aufgrund dieser Klassifizierung dann „weihnachtsmann“?

Anmerkungen zu den Beispielen: Ein „Allgemeines“ als groß zu schreibendes Substantiv wäre etwa ein zwar völlig unübliches, jedoch denkbares Synonym zu so viel wie „Allgemeinheit“; oder angenommen, es gibt in einer Zeitschrit o.ä. eine Rubrik namens „Allgemeines“, dann kann diese mit „im Allgemeinen“ (=unter Allgemeines) gemeint sein. Wenn ich der letzte Überlebende einer Sippe bin, dann wäre ich „der Übrige“ („Im Übrigen, was mag in ihm wohl vorgehen?“). Das ist zwar sehr konstruiert, aber dennoch korrekt die erörterten Mechanismen abbildend.

Zur Frage, ob bei ehrerbietender Großschreibung von Personalpronomen auch „seine“ in „Gehe Er von dannen und halte Er seine/Seine Zunge im Zaum!“ groß geschrieben wird: Da habe ich zumindest in christlicher Literatur die Beobachtung gemacht, wo ja oft Großschreibung von Pronomen üblich ist, die für Gott stehen, daß dort dann auch „Seine“ geschrieben wird. Außerdem, wenn man in dem Beispielsatz das „Er“ durch eine direkte Anrede austauscht, wird die Entsprechung zu „Seine“ auch groß geschrieben: „Gehen Sie von dannen und halten Sie Ihre Zunge im Zaum!“ („Ihre“). Bei genauerer Betrachtung erkennt man auch, daß es sich eigentlich nur um verschiedene Beugungen desselben Wortes handelt. „Weil Er Seine Pappenheimer kennt“ kann man z.B. auch schreiben als „Weil Eduard Eduards Pappenheimer kennt“, wenn von Eduard die Rede ist; dann sieht man deutlich die Genitivflexion bei „Eduards“.

An die Herren Fleischhauer und Wrase noch: Nicht zu verwechseln ist die Frage, wie der Begriff „Substantiv“ am besten definierbar ist, mit derjenigen, was groß geschrieben werden soll! Daß die beiden nicht deckungsgleich sind, darum geht es ja gerade in dieser Diskussion.
[Geändert durch Christian Melsa am 11.02.2001, 06.39]

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Detlef Lindenthal
09.02.2001 00.28
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Gibt es eine Überregel?

Als Arbeiter und Handwerker (Schriftsetzer) kann ich unmöglich bei jeder Klein- oder Großschreibung eines Wortes so lange Überlegungen anstellen wie die Herren Lehrer und Hochschullehrer. Nichts für ungut.

Nachdem ich in meiner Anfangszeit einige hundert Male bei Zweifelsfällen im Wörterbuch nachgeschlagen hatte, habe ich mir nicht nur auf die Regeln einen Reim gemacht, sondern auch auf die Regeln hinter den Regeln – denn meine Berufskollegen vor 100 und 200 Jahren haben sich ja etwas dabei gedacht, als sie unsere moderne Rechtschreibung entwarfen.

Als wichtigste Regel bei der Klein-/Großschreibung fiel mir auf:

[grotesk]W a s   e s   g i b t ,   w i r d   g r o ß   g e s c h r i e b e n .  
W a s   e s   n i c h t   g i b t ,   w i r d   k l e i n   g e s c h r i e b e n . 
[/grotesk]

Im einzelnen:
Groß: alle Dinge;
die können handfest sein: Haus, Baum, Mensch;
oder handfern: Wärme, Schwerkraft, Freude, Sprache.
(oder so dazwischen: Wärme, Wetter, Wind und Wolken ...)
Klärt das nicht die etlichsten Zweifelsfälle? Hier einige Anwendungen der Regel:

Im allgemeinen bedeutet: allgemein. Ein Allgemeines gibt es hierbei nicht. Ebenso: im übrigen (= übrigens)
Mit Bezug auf Ihr Schreiben vom 13.3. teile ich mit... Den genannten Bezug gibt es, denn er wurde soeben ausdrücklich genannt.
Er hat in bezug auf deinen Vorschlag nichts mehr gesagt ... Hier „gibt“ es den Bezug nicht, denn gemeint ist nur ein deutlich schwächeres bezüglich:
Bezüglich deines Vorschlages ...
Gut läßt sich mit genannter Regel veranschaulichen, warum es heißt:
Er hat recht behalten. Er hat recht. An ein dinglich vorhandenes Recht denkt man hierbei nicht.
Er hat Rechte, und die soll er nutzen. Der Unterschied ist klar: Jedes der Rechte ist nennbar.
Zu Recht verweist er auf das Sittengesetz. Hier dürfen wir uns nicht narren lassen von der seltenen Fügung mit zu (zu Hause, zu Fuß; zuunterst).
Genanntes Sittengesetz (vgl. Art. 2 GG) ist nämlich genau das genannte Recht, dessen Dinglichkeit seine Großschreibung bedingt.
Von Rechts wegen: Die Entscheidung ist Rechtens. – vom nennbaren, also vorhandenen Recht gedeckt.
Tue recht und scheue niemand ... recht = richtig (seltene Fügung)
zu Hause: ohne Haus kein Zuhause – Ding vorhanden, also groß.
zu Fuß; in Frage stellen: ebenso.
Es ergab sich folgendes (= dieses)
Verweis, siehe unten
Ein Vogel namens Zilpzalp ... –
hier ist „genannt“ gemeint.

Namen groß ist klar, denn etwas mit Namen gibt es auch. Gesamtsatzanfänge groß.
Nun allerdings drei überaus wichtige Ausnahmen und einen Rattenschwanz von selbigen:
Verweise und Zahlen klein; Fürwörter ebenso (außer: ... und da wird es kompliziert; wie heißt es denn: Gehe Er von dannen und halte Er (S,s)eine Zunge im Zaum! seine oder Seine? Der 6bändige Duden schweigt dazu.
Alles andere erzähle ich später.
Etwas anderes ist mir gestern passiert.

Auf die Folgerungen aus meiner Regel würde ich in einem gesonderten Aufsatz eingehen wollen; einige Stichworte:
Alles weitere erzähle ich später.
Er hat noch drei Tage Urlaub bzw. Dienstfrei zu bekommen.
Er hat seine Schäfchen aufs Trockene gebracht.
Er tappt im Dunkeln.
Er hat den Kürzeren gezogen.
Etwas ähnliches ist auch mir passiert.

Gruß vom Handwerker!

An Stephan: Wovon die Rede ist würde ich behandeln wie in Frage stellen (s.oben). Wird präziehse nicht mit h geschrieben ?
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Detlef Lindenthal

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Stephan Fleischhauer
08.02.2001 17.40
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Ich habe auch schon über die Formulierung „das, wovon die rede ist“ nachgedacht – und keine präziesere gefunden. Aber was spricht dagegen, ein paar Kategorien aufzuzählen? Personen, Lebewesen, Dinge ...

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Norbert Schäbler
08.02.2001 16.29
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Moment "Mal", die Herren Professoren!

Moment mal die Herren Professoren! Ich versteh da was nicht!
Darf ich dumme Fragen stellen? Kann mir jemand gescheit antworten?

Da wären zunächst einmal die Begriffe „Semantik“ und „Grammatik“.

Welche Art von Frage ist das eigentlich, wenn ich nach dem sinnlich Wahrnehmbaren oder nach dem Begrifflichen frage?
Ist das eine grammatische Frage – oder ist das eine semantische Frage?

Mag sein, daß ich mich mit der Frage blamiere. Aber ich möchte ja nicht dumm sterben, und das würde zwangsläufig passieren, wenn nur die anderen etwas regeln, was auch mir wesentlich ist.
[Geändert durch Norbert Schäbler am 09.02.2001, 17.33]

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Wolfgang Wrase
08.02.2001 14.39
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"Redegegenstand": Semantik oder Grammatik?

(Zusatz) Vielleicht hilft es hier weiter, den definitionstreuen Rigorismus ein wenig zu beleuchten, der sich in der Aussage ausdrückt: In dem Satz „Das Mädchen bindet die Blumen“ enthält nur zwei Redegegenstände, nämlich Mädchen und Blumen. Ich frage mich da, ob die Kategorie des Redegegenstandes überhaupt eine semantische ist. Ist es nicht vielmehr so, daß aus dem Befund, wie viele Substantive da sind, direkt auf die Anzahl der Redegegenstände geschlossen wird? Dann hätten wir es nicht mit einer semantischen, sondern eben doch wieder mit einer grammatischen Definition zu tun, und die Zuhilfenahme des Redegegenstandes entspräche einem Zirkelschluß.

Wieso heißt es denn überhaupt auf Seite 21, daß „zunächst“ die „meisten“ Hauptwörter groß geschrieben werden, und auf Seite 44, daß Substantive die „bevorzugt“ groß geschriebene Wortart seien? Es wird jedenfalls nicht klar gesagt, daß (nichtsubstantivierte) Verben (und Wörter anderer Arten) grundsätzlich (?) kein Redegegenstand sind, obwohl es zuvor pauschal heißt: (Seite 19) Großschreibung für das, wovon im Text die Rede ist (nicht: von den „Dingen“ o. ä.) bzw. (Seite 44) „Durch die Großschreibung in Substantivgruppen wird sichtbar gemacht, wovon in einem Text die Rede ist“ – immerhin ist hier die fragliche GKS schon auf „Substantivgruppen“ eingeschränkt, was allerdings wieder nach Zirkelschluß riecht und außerdem wieder anderes unnötig ausschließt, wovon ebenfalls die Rede ist – nur eben nicht in „Substantivgruppen“ oder in Form von Substantiven.

Also könnte ich meine Kritik so zusammenfassen: Es wird ein semantischer Aspekt der Großschreibung (nämlich die Kennzeichnung von „dinglichen“ Redegegenständen) zu stark verallgemeinert, zum übergeordneten Prinzip der wortartbezogenen Großschreibung erklärt und zusätzlich von grammatischen Vorgaben abhängig gemacht, obwohl er eher zur Klärung bestimmter Übergangserscheinungen taugt, nämlich in erster Linie bei adverbialen („im stillen“) oder pronominalen („die anderen“) oder präpositionalen Gesamtbegriffen („auf seiten“). (Im Anschluß daran kommen allerdings noch viele Übergänge vom Typ zu Grunde gehen/zugrunde_gehen/vgl. „zu Bett gehen“ in Betracht.)

Ich verstehe jedenfalls nicht, was der Redegegenstand in dieser allgemeinen Form mit Semantik zu tun haben soll – so als ob ein Verb nicht auch einen vollen semantischen Wert haben könnte. Es kommt hier offenbar mehr darauf an, was der Redende grammatisch aus seinen Informationen macht, ob er sie mit Hilfe von Substantiven präsentiert oder eben dem Verb oder anderen Wortarten überläßt. Das ist fast gleichbedeutend mit der Verteilung des Informationen auf Satzteile, wo man das Substantiv als den üblichen „Kern“ von Subjekt und Objekten ansehen kann und als möglichen Bestandteil von weiteren Ergänzungen („vor langer Zeit“), jedoch nicht als üblichen Bestandteil des Prädikats (außer bei „Kopula plus Prädikatsnomen“). Ich dachte jedoch, daß es der Semantik ziemlich schnuppe ist, auf welche Satzteile die Informationen verteilt werden oder in welche Wortarten sie gekleidet werden – Hauptsache, sie kommen beim Empfänger an. Oder was habe ich hier nicht verstanden?

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Wolfgang Wrase
08.02.2001 13.34
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"im stillen", aber "mit Absicht", aber "absichtlich"

Warum wird wohl im ersteren Fall gern klein geschrieben, aber nie „mit absicht“? Ich bitte doch, lieber Herr Melsa, sich vor Augen zu führen, daß gerade bei der Frage der GKS ein recht eindeutiger Unterschied zwischen „Substantiven“ und „Substantivierungen“ besteht; jedenfalls gerade in dem klärungsbedürftigen Bereich „im allgemeinen“ etc. Es ist daher kontraproduktiv, in einem Text, der sich mit der Frage der GKS befaßt, alle möglichen halbseidenen „Substantivierungen“ mit den anständigen „Substantiven“ zuerst zusammenzulegen, um sie hernach wieder anhand des nicht nur wenig verständlichen, sondern auch überhaupt nicht trennscharfen Aspekts „Gegenstand der Rede“ wieder trennen zu wollen.

Wieso sollte eine Absicht im Fall „mit Absicht“ Gegenstand der Rede sein, im Fall „absichtlich“ jedoch nicht? Das ist gerade aus einer semantisch orientieren Sicht äußerst unplausibel. „im stillen“ heißt ja ungefähr soviel wie „im stillen Kämmerchen“: Wieso sollte im einen Fall kein Redegegenstand da sein, im anderen Fall hingegen ein Kämmerchen, in keinem Fall jedenfalls das Stille Gegenstand der Rede sein, obwohl es gerade hierauf semantisch ankommt? Ist in dem Satz „Ich bin seit gestern schwer krank und kann deshalb nicht mehr arbeiten“ von nichts die Rede, wohl aber in dem Satz „Das ist etwas Schönes“? (Denken Sie bei dem ersten Satz an Ihre Aussage, daß es kaum Sätze ohne Substantiv gebe, mit vorrangiger Ausnahme von Ein-Wort-Sätzen.) Der Satz „Er hat nichts zum Essen dabei“ soll einen Redegegenstand enthalten, der Satz „Er hat nichts zu essen dabei“ jedoch keinen? Das erscheint mir doch recht satirisch, was man aus dieser Kategorie des Redegegenstandes alles machen kann.

Übrigens gibt es in Übergangsbereichen grundsätzlich keine eindeutige Regel im Sinn einer Handlungsanweisung, wie man alle betreffenden Begriffe zu schreiben habe; das ist ja das Merkmal des Übergangsbereichs. Um so fragwürdiger ist es, wenn man den riesigen eindeutigen Kernbereich des Feldes „Substantiv“ nur aufgrund der Auflösungserscheinungen an den Rändern insgesamt als ganz vage darstellt (mit oder ohne antike Unterstützung); das ist er nicht. Vage sind die Ränder, und wenn es sogar für eine dieser Grenzen eine recht brauchbare Möglichkeit der Benennung gibt (Substantive vs. Substantivierungen innerhalb von insgesamt adverbialen Ausdrücken), wieso sollte man dann eine ihrerseits vage Definition heranziehen (Gegenstand der Rede) und damit auch noch den zuvor unproblematischen Zentralbereich Substantiv verunklaren? Das leuchtet mir nicht ein.

„Das Mädchen bindet die Blumen“: zwei Redegegenstände. Beim Binden der Blumen ist das Mädchen immer sehr sorgfältig“: drei Redegegenstände, obwohl die Betonung des Satzes doch wohl auf einem vierten, auf „sorgfältig“ liegt und „beim Binden der Blumen“ nur eine Umstandsbestimmung ist!

Noch problematischer erschiene mir übrigens das Konzept des Redegegenstandes bei der Erklärung der Großschreibung von Adjektiven in festen Begriffen. Nehmen wir einen Zweifelsfall: (A) Samuel hat einen deutschen Schäferhund. (B) Samuel hat einen Deutschen Schäferhund. Soll im einen Fall das „deutsch“ kein Gegenstand der Rede sein oder dazu gehören, im anderen Fall schon? Es genügt doch, hier das plausible Prinzip der Unterscheidungsschreibung heranzuziehen, wie es auch auf Seite 22 geschieht. Oder man könnte (zusätzlich oder alternativ) eine weitere semantische Qualität des Substantivs heranziehen: Wie das Adjektiv alle möglichen Erscheinungen nach Eigenschaften untergliedert (rote Rosen, gelbe Rosen usw.), so benennt das Substantiv nicht nur „Dinge“, sondern macht sie damit zugleich voneinander unterscheidbar. Manchmal (Roter Milan) reicht jedoch das Substantiv (Milan) allein nicht aus, um die erwünschte Kategorie hinreichend zu definieren, sondern ein Adjektiv muß schon zur Benennung der Kategorie auf der „dinglichen“ Ebene helfen: Roter Milan. Wozu braucht man hier einleitend die Theorie vom Redegegenstand? Für mich jedenfalls ist sie nicht die „Weltformel“ zur Erklärung der wortartbezogenen Großschreibung. Ich empfehle nach wie vor, vom Substantiv auszugehen (das wird auf Seite 21 ja auch nicht definiert!) und für die Übergangs- oder Ausnahmebereiche geeignete Kriterien zu benennen, die doch nicht gleich alles abdecken müssen. Außerdem darf man wie gesagt in vagen Grenzbereichen sowieso nicht erwarten, daß gewisse klärende Aspekte sie einer einheitlichen Gesamtlösung zuführen; das entspricht nicht dem Wesen von Übergangsbereichen.

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Norbert Schäbler
08.02.2001 11.32
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"...was man mit den Sinnen wahrnehmen kann."

In der Schule (Grund- und Hauptschule) habe ich mich bei der Behandlung der Substantive immer für die folgende Hauptregel entschieden: „Namenwörter bzw. Dingwörter bezeichnen Lebewesen, Dinge und Vorgänge, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können.“
Dem folgte meist – je nach Schuljahrgang – eine differenzierte Liste folgenden Inhalts:
Sehen können wir: Bänke, Tische, Farben,...
Hören können wir: Schall, Töne, Stimmen...
Riechen können wir: Duft, Essen, Aroma...
Spüren können wir: Strom, Angst, Schmerz...
...
Zugeben muß ich, daß es größere Schwierigkeiten bereitete, Vorgänge (z.B. das Überschreiten, das Rätseln, das Gehen...) plausibel zu machen, da die Schüler offensichtlich zu starr an Wortarten kleben und die fließenden Übergänge bzw. Wortbildungsmethoden durch Präfixe, Suffixe oder letztlich durch die Groß- oder Kleinschreibung des Anfangsbuchstabens nicht beherrschen. Dies ist letztlich ein didaktisches Problem, gleichwohl kann man auch Vorgänge der Erkennungsmethode der Sinneswahrnehmung unterstellen.

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nos

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Theodor Ickler
08.02.2001 05.09
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Die Erklärungen von Herrn Melsa finde ich ausgezeichnet. Zu Herrn Wrases Ausführungen erlaube ich mir den wiederholten Hinweis, daß „wovon die Rede ist“ nicht bedeutet: „worauf es ankommt“ oder „das Wichtige“ oder dgl. Natüürlich ist gerade interessant, was das Mädchen mit den Blumen macht, aber die Rede ist vom Mädchen und von Blumen.
Aber ich weiß und gebe zu, daß der Begriff ziemlich unbestimmt ist. Nur – kann man es genauer sagen? Und ist nicht die Sache selbst, die Intuition der Sprecher/Schreiber, an sich vage, so daß eine Präzisierung vielleicht gar nicht möglich ist. (Aristoteles: „Jeder Gegenstand erlaubt nur eine gewisse Präzision, und es ist ein Zeichen von Unbildung, wenn man mehr verlangt, als möglich ist.“ – Freie Übersetzung von Th. I.)
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Th. Ickler

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Christian Melsa
07.02.2001 18.54
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Die Dinge-Bedingung

Interessant finde ich zunächst, was unmittelbar Herrn Wrases jüngste Erörterungen betrifft, daß die Wörter „Zusage“ und „Erschütterung“ an sich ja auch wie „Versprechen“, „Beben“ Verbsubstantivierungen sind, wie das -ung an „Erschütterung“ ja besonders deutlich macht („Ich werde zusagen“, „Die Reform läßt die Demokratie erschüttern“). Aber das tut nun eigentlich in der aktuellen Diskussion nicht wirklich etwas zur Sache. Nur mal so als Zwischenanmerkung.

Die Empfehlung, den semantischen Zugang nur für die Übergangsfälle („im allgemeinen“, „im stillen“, „im klaren“ usw.) einzuführen, ist allerdings aus der Perspektive des unsicheren Schreibenden nicht besonders nützlich. Man müßte dann ja schon im voraus wissen, ob das Wort, von dem man sich gerade fragt, ob es groß oder klein geschrieben wird, zu dieser Gruppe von Fällen gehört – im Zweifelsfall hilft dann ohnehin nur das Nachschauen im Wörterverzeichnis. Das ist wie mit den „regelhaften“ ä-Stammschreibungen der Reform, die eben auch aus demselben Grunde als vereinzelte Schreibweisenänderungen nicht die geringste Hilfe darstellen, denn man muß ja letztendlich so oder so die Einzelfälle kennen. In Wirklichkeit ist es aber natürlich auch nicht zu umgehen, im Wörterverzeichnis nachzuschlagen, ob die fraglichen Substantive verblaßt sind, denn die Methode, sie klein zu schreiben, ist ja keine stringente („in Kürze“, „in Anbetracht“ usw.), d.h. nicht nur ist man immer gezwungen, bei Unsicherheit das Wort nachzuschlagen, es hilft auch die Kenntnis der Regel nichts, wenn man die Einzelfälle nicht weiß. Wohl aber hilft, es, sie sich besser einzuprägen, wenn man den Mechanismus kennt, der für sie verantwortlich ist.

Es ist auch tadellos im Sinne der Deskription, im Regelteil einfach zu äußern, daß es da eine gewisse Idee in der Orthographie gibt, die Sie, Herr Wrase, so nett anschaulich beschrieben haben (die Ambitionen des „oft“), die an einigen Einzelfällen üblich geworden und ja auch zur differenzierten Artikulation sehr gewinnbringend ist (Unterschied zwischen „im allgemeinen“ als Formel und „im Allgemeinen“ als konkret Gemeintes).

Mit dem recht diffusen Begriff „wovon die Rede ist“ (wobei für den Unkundigen das mit „Entitäten“ Gemeinte natürlich noch viel rätselhafter wäre) verhält es sich übrigens wiederum ganz ähnlich wie oben erwähnt: Dieser Merksatz leuchtet nur dann ein, wenn man eigentlich schon ziemlich genau weiß, was Substantive sind, bzw. wie die semantisch orientierte GKS beschaffen ist. Dann allerdings ist es eine wunderbare Klärung der Frage, aus welch merkwürdigen Gründen manche Substantive eben doch wieder klein geschrieben werden, was sich vor allem Schüler immer wieder fragen, aber auch andere, die dieses Phänomen schlicht für eines dieser verworrenen, kaum nachvollziehbaren Duden-Haarspaltereien halten. „Wovon die Rede ist“, das ist so schön einfach zu verinnerlichen; als Merksatz hervorragend geeignet.

Die Erläuterung folgenden Gedankens könnte diesen Merksatz aber noch veredeln: Normalerweise gibt es keine Sätze ohne Substantiv (sogar wenn ein Schriftsteller sich einwörtiger Ellipsensätze bedient, wie: „Laufen! Hecheln! Schwitzen!“, ist für den Leser wegen der Großschreibung am Satzbeginn gar nicht sicher, ob es sich überhaupt noch um Verben oder schon deren Substantivierungen handelt). Gewöhnliche Aussage- und Fragesätze sprechen, indem sie eine Aktion oder Relation zwischen Gegenständen (konkreten oder abstrakten) beschreiben. Aufgrunddessen kann man sagen: Verben drücken Aktionen aus (genauer bestimmt durch Adverbien), Präpositionen und Konjunktionen die Relationen, und die Substantive sind normalerweise die Gegenstände (genauer bestimmt durch Adjektive), eben „die Dinge, von denen die Rede ist“. Normalerweise! Manchmal übernehmen sie eben auch andere Rollen, und genau dann verdeutlicht das die Rechtschreibung in einigen üblich gewordenen Fällen, indem man sie klein schreibt: „im allgemeinen“, „im stillen“ usw. als adverbiale Wortgruppe mit einem klein geschriebenen Substantiv.

Das könnte man vielleicht noch als genauere Erörterung, was mit den „Dingen, von denen die Rede ist“ gemeint ist, im Regelteil erwähnen. Aber an sich ist das auch jetzt schon klarer als Herr Wrase befürchtet: Weil nämlich im Regeltext nicht nur von dem die Rede ist, „wovon die Rede ist“, sondern eben auch von „den Dingen“ – halt nicht von „den Tätigkeiten“ oder „den Verhältnissen“. Unter den „Dingen“ wird man sich wahrscheinlich eher weniger Verben vorzustellen geneigt sein, außer man denkt an Tätigkeiten im Sinne von „Machenschaften“ als Dinge; diese Fehlinterpretation beim Leser meidend müßte wohl vorgesorgt werden. Und ist bei „im allgemeinen“ von einem Ding die Rede? Wohl eher bei „im Allgemeinen“. Das wird also schon recht klar und paßt auch.

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Wolfgang Wrase
07.02.2001 16.21
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Habe ich auch schon dran gedacht: das Essen, das Versprechen, das Beben, das Leben, das Verbrechen, das Rennen usw. Diese Substantivierungen eignen sich vorzüglich dazu, die Gleichrangigkeit von substantivierten Verben mit Substantiven (die Mahlzeit, die Zusage, die Erschütterung usw.) zu demonstrieren. Andererseits bleibt das Gefühl für den Vorgang der Substantivierung und die Herkunft vom Verb auch in diesen Fällen gelegentlich erhalten. Vergleiche: Das Essen schmeckte gut. Das Essen einer Möhre dauert länger als das Essen einer Erdnuß. Oder: Das Rennen fand im Gottlieb-Daimler-Stadion statt. Das Rennen auf Asphalt kann die Muskulatur schädigen. Kurz: Die Unterscheidung von Substantiven und „Substantivierungen“ wird durch die Existenz solcher Fälle, wo sich die Grenzen auflösen, nicht grundsätzlich unmöglich.

Ihren Anmerkungen entnehme ich, daß es mehrere Zugänge zum Phänomen Substantiv gibt: Semantik (Gegenständliches oder aber Redegegenstand), grammatisch (Artikelprobe, Kasusbestimmtheit, Kern einer kasusbestimmten Gruppe/soll falsch sein). Der kindlichste Zugang dürfte zunächst die Artikelprobe sein und an zweiter Stelle die semantische Probe, ob etwas Gegenständliches ausgedrückt wird. Deshalb wundert es mich ein wenig, daß ausgerechnet der zweite semantische Gesichtspunkt (Redegegenstand), der auf eine linguistische Prüfung des umgebenden bzw. ganzes Textes hinausläuft, kindgerecht sein soll. Dies ist m. E. eher im Hinblick auf Übergangsfälle wie „im allgemeinen“ zutreffend, wie Sie es ja auch erwähnen, jedoch nicht grundsätzlich. Daher kann ich nur bei meinem Vorschlag bleiben, diesen Zugang erst für ebendiese Übergangsfälle einzuführen, nicht aber grundsätzlich für die Frage der wortartbezogenen Großschreibung.

Ich möchte dazu noch eine weitere Sorte von Beispielsätzen anführen, in denen das Verb nicht durch ein Substantiv ersetzt wird, sondern in denen das Verb fehlt. (1) Das Mädchen ... Blumen. (2) Der Politiker ... das Volk. Nach der pauschalen Erklärung auf Seite 21 („Im allgemeinen nennen die groß geschriebenen Wörter eines Textes das, wovon in diesem Text die Rede ist“ ... -> Substantive) wäre in jedem dieser Sätze die Rede nur von zwei Dingen, zum Beispiel bei (1) von einem Mädchen und Blumen. Es stellt sich jedoch die Frage nach dem Verb. Je nachdem, ob das Mädchen Blumen liebt/sucht/malt/trocknet/bindet usw., ist doch auch davon die Rede! Je nachdem, ob der Politiker das Volk haßt/fürchtet/belügt/belehrt/kennt/verkennt/beschreibt usw., wird man doch dieser Information einen gleichrangigen Wert neben dem Wer und dem Wen sehen wollen.

Dem wird die Präzisierung auf Seite 44 („Durch die Großschreibung in Substantivgruppen wird sichtbar gemacht, wovon in einem Text die Rede ist“) ebensowenig gerecht, denn die Einschränkung „in Substantivgruppen“ bezieht sich ja nur auf die Großschreibung, nicht auf den Gegenstand der Rede, der jedenfalls bei einem naiven Verständnis auch die Information des Verbs sowie anderer Wortarten einschließen könnte oder vielleicht müßte. Wieso soll bei der Formulierung „ohne Absicht“ von einer (fehlenden) Absicht die Rede sein, jedoch nicht bei der Formulirung „unabsichtlich“.

Ich sage hier eigentlich nichts Neues im Vergleich zum letzten Beitrag. Problematisch ist nicht die von Ihnen vertretene Auffassung, sondern die Gewichtung, wenn man die Formulierungen in den beiden Regelteilen des Wörterbuchs mit kindlicher Unschuld liest.

Ich finde es übrigens äußerst rätselhaft, daß es so schwer (unmöglich?) sein soll, zu definieren, was ein Substantiv ist. Man fliegt seit dreißig Jahren zum Mond, aber das Substantiv kann man sich nicht erklären?

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Theodor Ickler
07.02.2001 05.19
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Lieber Herr Wrase,
zu Ihren scharfsinnigen Ausführungen kann ich eigentlich nur sagen, daß ich sie richtig finde. Daher nur ein paar ergänzende Bemerkungen. Es ist Tradition, Substantive semantisch zu definieren, wobei allerdings nicht dasselbe herauskommt wie bei formaler (syntaktischer) Definition. Noch bei Nerius finden Sie, daß Substantive etwas Gegenständliches bedeuten oder etwas als Gegenstand darstellen, wenn es denn nicht von sich aus schon Gegenstand ist. Bekanntlich dreht man sich damit im Kreis. (Gegenstand ist, was substantivisch ausgedrückt wird.) In der Schule wird gewöhnlich die Artikelprobe angewandt und außerdem vielleicht noch auf die Genusrektion, die nur Substantiven zukommt, hingewiesen. Die Grammatiker sehen meist im Substantiv den (möglichen) Kern einer Nominalgruppe, was allerdings aus hier nicht darzulegenden Gründen falsch ist.
Meine zugegebenermaßen vage Umschreibung („wovon die Rede ist“) klingt zwar ein bißchen kindlich, aber in vielen Fällen leistet sie gute Dienste (im allgemeinen/im Allgemeinen u. ä.). Jedenfalls bessere als die hochgestochene, aber gleichbedeutende Rede von „Entitäten“ oder so etwas. Ich bin also ziemlich nahe dran an der „Orthographie für Sechsjährige“, wie Götze sie wünscht.

Die Unterscheidung von echten und durch Substantivierung entstandenen Substantiven ist auch nicht so einfach. Denken Sie doch mal an „das Essen“.
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Th. Ickler

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Wolfgang Wrase
06.02.2001 17.12
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Professor Ickler fragte, was wir von seiner semantischen Deutung der sogenannten Substantivgroßschreibung halten. Ich zitiere drei Abschnitte aus seiner letzten Stellungnahme hierzu und antworte kurz.

Meister: Substantivierungen ergeben Substantive, lieber Herr Wrase, die oft erwähnten „Pseudosubstantive“ gibt es nicht. Sie bestehen meist sogar die primitive Artikelprobe und haben ein festes Genus.

Schüler: Daß Substantivierung Substantive hervorbringt, bezweifle ich nicht. Ich bin aber dafür, in einer solchen Diskussion „das Alte“ als Substantivierung zu bezeichnen und „das Alter“ als Substantiv, um die unterschiedliche Herkunft (und ggf. auch unterschiedliche Qualität, meine ich! – wieso sonst unterschiedliche GKS?) benennen zu können. Übrigens gefällt mir der Ausdruck „Pseudosubstantive“ ganz gut, jedenfalls bei „des öfteren“, „des langen und breiten“, „auf schönste“ usw. Ich habe gelegentlich die Kleinschreibung von „des öfteren“ so erklärt: Das Adverb „oft“ hatte Langeweile und fühlte sich minderwertig, weil es nur drei Buchstaben groß war. Da dachte es: „Ich will mehr wert sein! Ich lege mir jetzt einfach einen Artikel zu, und zwar gleich im Genitiv, damit das auch jedem auffällt! Kleider machen Leute.“ So geschah es. Wir durchschauen jedoch, daß „des öfteren“ nur eine hochstaplerische Variante des schlichten Adverbs „oft“ ist, und weisen dieses Wort in seine Schranken. Wir fallen nicht auf den Artikel herein und schreiben es klein. – Ich finde Ihre Bemerkung „bestehen die Artikelprobe“ daher ein wenig formalistisch und die Kategorie „Pseudosubstantiv“ für solche Fälle anschaulich und brauchbar.

Meister: Die Verben (in der Personalform) sind semantisch verhältnismäßig unwichtig, sie strukturieren den Satz syntaktisch und sind damit voll ausgelastet. Daher neigt man ja auch zur Auflösung in Substantive und unbedeutende, eher grammatische Verben: „zum Verkauf bringen“ (statt „verkaufen“) usw.

Schüler: Man vergleiche zwei Sätze, zum Beispiel: A. Wir analysieren die Verkaufszahlen. B. Wir führen eine Analyse der Verkaufszahlen durch. Oder: A. Peter spielt mit seinen Freunden Fußball. B. Peter nimmt an einem Fußballspiel mit seinen Freunden teil. Es wäre doch übertrieben bis absurd, im Fall A zu sagen: Hier ist nicht von einer Analyse/vom Fußballspiel „die Rede“; sehr wohl sei aber im Fall B von einer Analyse/dem Fußballspiel „die Rede“. Daß man den inhaltlichen Gehalt des Verbs auch in Form eines Substantiv ausdrücken kann, wie auch von Ihnen gezeigt (verkaufen/zum Verkauf bringen), zeigt ja gerade, daß das Verb dasselbe semantischen Gewicht wie ein Substantiv haben kann! Ich stimme auch nicht dem zu, daß man dazu neige, die Ersetzung durch eine Phrase mit Substantiv zu wählen; das ist eher die Ausnahme. Voll ausgelastet ist das Verb nur in grammatischer (meinetwegen „strukturierender“) Hinsicht, aber gerade die Berücksichtigung der Semantik müßte dem Verb bei der Formulierung „wovon die Rede ist“ oft genug dasselbe Gewicht zusprechen wie den Substantiv; oft genug noch mehr: vergleiche adverbiale Gruppen wie „im Grunde“, „ohne Ende“.

Meister: Ich glaube also tatsächlich, daß die Einbeziehung textsemantischer Gesichtspunkte eine Bereicherung der Diskussion um die GKS ist. Man beschreibt damit eine Tendenz, mehr nicht, aber eine reale und daher nicht zu vernachlässigende.

Schüler: Genau! Darauf will ich hinaus. Worum es geht, ist die Einbeziehung der Semantik, um die Übergangserscheinungen zu erklären. Das ist etwas anderes, als wenn man diesen Gesichtspunkt als zentrales Motiv der GKS darstellt! („Mit der Großschreibung drückt man aus, wovon die Rede ist.“) Also fände ich es besser, nach wie vor, und sei es mit statistischer Begründung, die GKS zunächst am Substantiv aufzuziehen und sodann den Gesichtspunkt der Semantik anzufügen, um zu den formalen Ausnahmen überzuleiten. Es ist ein Widerspruch, finde ich, wenn man zuerst die Semantik ganz in den Vordergrund stellt und anschließend rein grammatisch definiert (Artikel -> Substantiv, Substantivierung -> Substantiv, Ergebnis nicht unterscheidbar). Darauf hatte auch eine der Antworten im alten Gästebuch hingewiesen (habe vergessen, von wem): Da ging es, wenn ich mich richtig erinnere, darum, daß es ein wenig merkwürdig klingt, wenn man die „Kleinschreibung von Substantivierungen“ rechtfertigt. Das klingt gerade dann unnötig gewaltsam, wenn man davon ausgeht, daß Substantivierung nichts anderes als vollwertige Substantive hervorbringt.

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