Und weil's so schön ist: noch einmal Diktat!
Kinder schreiben sogar sehr gern Diktate! Lieber als Aufsätze! Ich habe das selbst in den Zeiten festgestellt, als ich noch im Schuldienst war. Wenn ein Erfolgserlebnis winkt, sind sie ganz wild aufs Diktateschreiben. Ich habe in der Grundschule wöchentlich mehrere kleine Diktate geschrieben, allesamt sehr kurz, mit gut geübtem Wortmaterial. Es hagelte Einsen – klar, das war beabsichtigt. Es gab kein einziges Kind in der Klasse, das man als „Legastheniker“ hätte bezeichnen können, obwohl der Einzugsbereich nicht gerade exzellent war: viele benachteiligte Familien, Ausländer.
In der Hauptschule habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Schüler bis in die höheren Klassen hinauf ebenfalls gern Diktate schreiben. Ich habe dort die 5-Minuten-Diktate erfunden, um „verkorkste“ Schülerkarrieren zu retten. Ich behaupte heute, daß sie alle bei mir gut schreiben gelernt haben. Und keiner hat sich je über Diktate oder das Schreiben als solches beschwert.
Das regelmäßige Üben von überschaubaren Lerngegenständen ist für Kinder wichtiger als ständiges Hüpfen von einem Thema zum nächsten. Der vermeintliche Zeitverlust durch das Üben entpuppt sich schon bald als großer Vorteil: Die Lernmotivation ist hoch, Gelerntes wird auf andere Bereiche übertragen. Wir können eben nur beispielhaft lernen, und die Aufgabe, sich zu beschränken, ist heute wichtiger denn je, wird aber weniger denn je realisiert.
Zur Lesbarkeit: Da hat vor einigen Jahren eine „Schriftreform“ großes Unheil angerichtet. Die sogenannte Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) wurde verordnet, der zweite Schritt wieder einmal vor dem ersten getan: Wer die VA kennt, weiß, welch schrecklich häßlichen, ausgeleierten, angeblich vereinfachten, aber schwer lesbaren (!) Buchstabenbrei sie erzeugt. Man wollte wohl die kindliche Schrift schnell ad acta legen: jedem sein eigenes, individuelles Gekritzel. Schönes, und damit lesbares Schreiben wird, wie eben auch das richtige Schreiben, unmodern. Ich ärgere mich oft über die Lehrerschriften, die mir auf Bestellungen und Adreßbögen zugemutet werden. Man staunt schon, daß so etwas überhaupt möglich ist: Ein Lehrer der schmiert! Wie oft kann ich Kataloganforderungen aus dem Grund nicht bearbeiten, weil ich schlicht und einfach Name, Straße oder Ort des Absenders nicht entziffern kann!
Und da soll das Abendland nicht doch irgendwann untergehen??
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Karin Pfeiffer-Stolz
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