Hans-Werner Eroms' Kritik an der eigenen Zunft
Hier hatte Professor Ickler wieder einmal einen interessanten Strang eröffnet. Aber offenbar mangelte es an kompetenten Diskutanten; denn niemand fing seinen Ball auf. Thema verfehlt! möchte man ausrufen, wenn man die Beiträge liest und mit der Überschrift Konrad-Duden-Preis vergleicht. Ein Journalist oder ein Student oder gar ein Professor der Sprachwissenschaft, der voller Hoffnung und Interesse diesen Strang anklickt, würde sehr enttäuscht sein über den Inhalt. Worum geht es? Zur Erinnerung: Es geht um die Verleihung des Konrad-Duden-Preises 2001 der Stadt Mannheim am 13. März 2002 im Rittersaal des Mannheimer Schlosses an den Germanisten Professor Dr. Hans-Werner Eroms, Lehrstuhlinhaber für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Passau.
Angaben zur Person
Professor Dr. Hans-Werner Eroms
Universität Passau
Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft
Innstraße 25
Nikolakloster Neubau Raum 482
94032 Passau
Telefon (0851) 509 27 80
eroms@uni-passau.de
privat: Bischof-Heinrich-Str. 13
94032 Passau
Tel. (0851) 5 86 60
- Mitglied des ehemaligen Kuratoriums und des Wissenschaftlichen Rates des Instituts für Deutsche Sprache (Mannheim)
- Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Deutsche Sprache (Mannheim)
- Vorsitzender des Beirats Germanistik des Deutschen Akademischen Austauschdienstes
- Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift 'Deutsche Sprache' im Auftrag des Instituts für Deutsche Sprache herausgegeben von Hans-Werner Eroms (Geschäftsführung),
Vgl. http://www.ids-mannheim.de/pub/deusprach/
- Mitherausgeber der Zeitschrift für Sprachwissenschaft, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft
Quellen: http://www.phil.uni-passau.de/germanistik/sprachwis1/Schra.htm und http://www.duden.de/
Professor Dr. Hans-Werner Eroms erhält den Konrad-Duden-Preis 2001 der Stadt Mannheim für seine Leistungen auf den Gebieten der Stilistik, der Orthographieentwicklung und des öffentlichen Sprachgebrauchs, also für eine Thematik, die gerade in den zurückliegenden Jahren von einem breiteren Publikum öffentlich diskutiert wurde und noch immer wird. Im Zusammenhang mit dem Namen Konrad Duden interessiert hier in erster Linie, was Professor Dr. Hans-Werner Eroms zur Orthographieentwicklung zu sagen hat.
Veröffentlichungen von Hans-Werner Eroms zur Rechtschreibreform
Hans-Werner Eroms: Die öffentliche Diskussion um die Rechtschreibreform in: Eroms, Hans Werner / Munske, Horst Haider (Hrsg.): Die Rechtschreibreform. Pro und Kontra. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1997; S. 51-56.
Hans-Werner Eroms: Die deutsche Rechtschreibreform des Jahres 1996. In: Ludwig M. Eichinger Stefan Pongó (Hrsg.). Sprache und Literatur in Theorie und Lehre. Nitra und Passau, 1997, S.7-18.
Hans-Werner Eroms: Die Rechtschreibreform in der öffentlichen Meinung. In: Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache. In: Gerhard Stickel (Hrsg): Sprache Sprachwissenschaft Öffentlichkeit. Berlin (= Institut für deutsche Sprache. Jahrbuch 1998), 1999, S.194-224.
Hans-Werner Eroms: Die Neuregelung der s-Schreibung und die Prinzipien der deutschen Orthographie. In: Mechthild Habermann Peter O. Müller Bernd Naumann (Hrsg.): Wortschatz und Orthographie in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Horst Haider Munske zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer, 2000, S.357-373.
Quelle: http://www.phil.uni-passau.de/germanistik/sprachwis1/Schra.htm
Katrin Bischl: Erste Schritte aus dem Elfenbeinturm (Sprache Sprachwissenschaft Öffentlichkeit , 34. Jahrestagung des IDS, 10.-12. März 1998)
Die in den Medien geführte Diskussion über die Rechtschreibreform zeichnete Werner Eroms (Passau) nach. Seine Analyse von über 2000 Berichten, Interviews, Kommentaren und Leserbriefen machte deutlich, dass die Journalisten sich viel neutraler über die Reform geäußert haben als die Leserbriefschreiber: Dort standen nicht Sachthemen, sondern Glaubensbekenntnisse im Vordergrund: die eigene Sprachauffassung und die Verdammung von Andersdenkenden. Die Analyse veranlasste Eroms, Kritik an der eigenen Zunft zu äußern: Die Linguisten hätten zu sehr politisch statt sprachwissenschaftlich argumentiert, und die öffentliche Auseinandersetzung habe dem Image des Faches geschadet."
Quelle: http://www.ids-mannheim.de/pub/sprachreport/sr98-2a.pdf -
Wenn man die Titel dieser Aufsätze ansieht, dann untersucht Eroms in erster Linie die öffentliche Diskussion der Rechtschreibreform, aber daneben am Rande auch einzelne linguistische Fragen.
Daraus ergeben sich verschiedene Fragen an den Preisträger, seine sprachwissenschaftlichen Zeitgenossen und andere kritische Beobachter:
1. Hans-Werner Eroms erwähnt in seinem Beitrag Die öffentliche Diskussion um die Rechtschreibreform in: Eroms, Hans Werner / Munske, Horst Haider (Hrsg.): Die Rechtschreibreform. Pro und Kontra. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1997, die Diskussion der Rechtschreibreform in den Leserbriefspalten der Zeitungen (S. 52). Da die Zeitungen seit dem 1. August 1999 Leserbriefe über die Rechtschreibreform zunehmend unterschlagen oder in Neuschrieb abdrucken, wurde im Jahr 2000 eine neue Sprachzeitung, die DEUTSCHE SPRACHWELT, gegründet und die Diskussion verlagerte sich ins Internet.
Deshalb stellt sich dem Beobachter die Frage, ob Hans-Werner Eroms die täglichen Beiträge des prominentesten Rechtschreibreformkritikers Theodor Ickler in den Internetseiten http://www.rechtschreibreform.com und http://www.deutsche-sprachwelt.de verfolgt, so wie es Professor Wilfried Kürschner tut.
2. Hans-Werner Eroms schreibt einerseits, daß die Regeln der Rechtschreibung auf Konventionen beruhen, die nicht verordnet worden, aber auch nicht gänzlich natürlich gewachsen seien (S. 51). Andererseits nennt er das Problem der exekutiv regulierenden Instanz (S. 55), da an die Stelle gewählter Schreibalternativen exekutiv verordnete Regeln getreten seien. Er kritisiert auch die Reformer, die versuchten, eine Diskussion abzublocken, indem die Reformer argumentierten, die Reform sei beschlossene Sache und sei somit in Kraft, so daß eine Diskussion darüber lediglich ein Nachtarocken sei. In diesem Zusammenhang spricht er davon, daß die Orthographie in einen Prozeß der Verrechtlichung eingebunden sei, der rechtliche Zwänge zur Folge habe (S. 55 f.).
Was meint Hans-Werner Eroms mit diesem Prozeß der Verrechtlichung?
3. Hans-Werner Eroms behauptet, der Versuch, Volksbegehren einzusetzen, sei ein Ausweichen vor der legislativen parlamentarischen Entscheidungsebene durch gewählte Volksvertreter (S. 53). Der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair sagte aber dazu:
Es gibt aber auch die Diskussion darüber, ob die Landtage in die Entscheidung mit einbezogen werden müssen. Wenn das der Fall ist, wird die Reform da bin ich mir sicher nicht stattfinden.
Es ist also gerade umgekehrt: Die Kultusminister sind der Gesetzgebungsebene ausgewichen, weshalb die Bürger notgedrungen die Ebene der Volksgesetzgebung anstrebten und in Schleswig-Holstein trotz des negativen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes auch Erfolg hatten.
Ist Hans-Werner Eroms gegen die Entscheidung über die Rechtschreibreform durch das Volk oder durch die Volksvertreter?
4. Hans-Werner Eroms ist Mitglied des Kuratoriums der Instituts für deutsche Sprache (IDS). Das IDS hat das Vorschlagsrecht für 5 der deutschen Vertreter der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung.
a) Hält Hans-Werner Eroms diese Konzentration des Entscheidungsrechtes auf das IDS für demokratisch?
b) Welchen Einfluß hatte Hans-Werner Eroms als Mitglied des Kuratoriums des IDS auf die Besetzung der Reformkommission und auf die Förderung der Rechtschreibreform genommen?
5. Das Institut für deutsche Sprache (IDS) wird von Professor Theodor Ickler in seinem Buch Regelungsgewalt als Agitationszentrale der Rechtschreibreform bezeichnet (S. 119, Fn 95). Tatsächlich hat das IDS über Klaus Heller, der zugleich IDS-Mitglied, Reformer und Geschäftsführer der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung ist, eine Desinformationskampagne betrieben. Ein Beweis unter vielen ist das Verschweigen aller reformkritischen Vereine im Handbuch des IDS Förderung der Sprachkultur in Deutschland. Sprachvereine im deutschen Sprachraum (1999). (Vgl. Manfred Riebe: Was bedeuten Wahrung und Förderung der Sprache und der Sprachkultur? Kritik einer sprachpolitischen Begriffsverdrängung. In: http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Cricetus/SOzuC1/SOVsRSR/ArchivSO/MRiebe1.htm).
a) Hätte sich diese Interessenkollision nicht durch eine andere Personalauswahl vermeiden lassen?
b) Könnte Hans-Werner Eroms sich vorstellen, daß ein Reformkritiker den Konrad-Duden-Preis 2003 erhalten könnte?
6. Hans-Werner Eroms schreibt, daß die neue Rechtschreibung mit einer Ausnahme nur Randbereiche betrifft (S. 51).
Warum war sie dann nötig?
7. Bei der Getrennt- und Zusammenschreibung argumentiert Hans-Werner Eroms im Sinne der Reformkritiker, daß die Getrenntschreibung der Reformer der Univerbierungstendenz zuwiderlaufe. Durch die Univerbierungstendenz wirke ein Entwicklungsdruck, der sich nicht umkehren lasse. Schreibregeln sollten in Einklang mit der gewachsenen Entwicklung stehen (S. 55).
Gehört Hans-Werner Eroms folglich zu den Reformkritikern?
8. Hans-Werner Eroms behauptet, die Kommission habe nicht in den Bestand der Großschreibung eingegriffen, weil sie ursprünglich die Kleinschreibung angestrebt habe (S. 54). Tatsächlich aber hat die Kommission eine vermehrte Großschreibung eingeführt, z.B. Es soll alles beim Alten bleiben.
Ist Hans-Werner Eroms etwa für eine solche ungrammatische Schreibweise?
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Manfred Riebe
Vorstandsmitglied des VRS
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.
- Initiative gegen die Rechtschreibreform
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg
Manfred.Riebe@raytec.de
http://www.vrs-ev.de
– geändert durch Manfred Riebe am 13.03.2002, 08.02 –
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