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Forum des Monats: Die Aura der Wörter: Zur neuen Rechtschreibung
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RenateMariaMenges
06.01.2003 19.27
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Auszüge aus einem Brief an Herrn Kunze

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Ich finde es sehr wichtig, dass ein Lyriker/Schriftsteller wie Sie, einer der ganz Großen, mit seinen Lesern, sprich auch mit Schülern zusammenkommt und über seine Art zu schreiben, also auch über die Rechtschreibung diskutieren kann.

Meine eigenen 3 Kinder (Jugendliche) äußern sich geradezu höchst kritisch gegen die Gegenreformbewegung, wenn ich deren Argumente anspreche. Sind sie doch nicht Spielbälle, sondern wollen nun so schreiben, wie sie es gelernt haben und überhaupt sei das nicht mehr so wichtig ( das sind aber die Argumente der Jugendlichen). Schülern fällt es meiner Ansicht nach weder leichter noch schwerer die neuen oder die alten Regeln anzuwenden, denn Rechtschreiben ist sowieso ein Fach, welches beim Lehrer Leiden erzeugt. Selbstverständlich sehe ich auch diese Kinder vor mir, die durch ihr sicheres visuelles Wortgedächtnis keinerlei Schwierigkeiten generell mit der Rechtschreibung haben.

Die Vorstellung, dass Schüler, die nur die neue Rechtschreibung gelernt haben, diese auch weiterhin schreiben sollen, falls die RSR zurückgezogen werden sollte, ist eine Vision. Niemals würde dies von der Gesamtgesellschaft anerkannt werden. Dann müssen alle wieder zurück zur alten Rechtschreibung.

Dennoch hat die neue Rechschreibung immer wieder Reize, wie Sie schon bemerkt haben. Wir ( Lehrer) haben die Reform nicht eingeführt, wir haben sie ausgeführt. Aber man hat uns auch vorher nicht auf fragwürdige Punkte aufmerksam gemacht.

Rechtschreiben muss einheitlich in allen Bereichen der deutschsprachigen Länder gesichert sein. Deutschland kann hier nicht Einzelwege gehen. Verbände, wie der Bayerische Schulleiterverband, könnten derzeit niemals der Aufforderung zur Rücknahme der Reform nachkommen, da die Schulverbände wegen der ständigen Finanznot eine derartige Forderung niemals mittragen würden. Es wäre sogar anzunehmen, dass die Verbände auf die Barrikaden stiegen, wenn nochmals am Rechtschreibunterricht gedreht würde. Überall wurden die neuen Bücher angeschafft, die Kämmerer in den Schulverbänden streichen mit dicken Rotstiften die Zuweisungen für Lehr- und Lernmittel ( Brief vom 6.01.03).

Auch Sie berichten darüber, dass Sie im Wörterbuch nachschlagen müssen, also war auch die alte Rechtschreibung nicht ohne „Fehler“. Man musste auch bei diesem Regelwerk nachforschen und stürzte über Ungereimtheiten.

Ich habe Ihre Denkschrift natürlich schon vor ihrer Lesung gelesen und sie nachträglich nochmals mit vielen Markierungen durchgearbeitet. Sprachdesensibilisierung, Abstumpfung und Resignation treffen vor allem die Leute, die lange oder immer mit der alten Rechtschreibung geschrieben haben. Junge Menschen erleben diese neuen, jedoch bekannten Wörter anders.


Beispiele aus Ihrem Buch:
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siehe auf Strang: Von den Reizen der neuen Rechtschreibung
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Künstler haben sowieso jegliche Freiheit in der Form und im Inhalt. Das weiß man seit der Antike. Trotzdem habe ich es gewagt, den Zusammenhang zwischen Ihren Gedichten und der Kritik an der Rechtschreibreform anzuprangern. Ich hoffe, Sie verstehen, was ich meine. Nicht Ihre künstlerische Freiheit, sondern auch der Bezug zum „Zurück zur alten Rechtschreibung“ fehlt mir hier ein wenig. – Ich persönlich schätze Sie sogar so ein, dass Sie einer der führenden Vorantreiber einer neuen Rechtschreibreform wären, wenn es nach Ihnen ginge. Nicht umsonst haben Sie in München darauf hingewiesen, dass eine weitere Reform der Rechtschreibung nach einem evtl. Zurück zur alten Rechtschreibung angezeigt wäre.

Ich unterhalte mich natürlich nicht lieber mit den Fischen, aber mein Sprachgefühl passt sich dem wiederholten Gebrauch an. Da ich mich selber intensivst mit Sprache beschäftige, kenne ich auch Sprachnuancen und ich freue mich, dass Sie das auch sagen. Trotzdem kennen wir unterschiedliche Sprech- und Lesenuancen, die zum Beispiel im Dialekt ihren Niederschlag finden.

Ich freue mich über Ihre Gedichte – wie auch immer geschrieben – denn sie lassen den Leser nicht einfach mit unverträglich nebeneinandergestellten Motiven im Tages- und Nachtlicht alleine stehen, sondern haben eine Aussage.

Ich wünsche Ihnen noch sehr viele gute Jahre mit Kindern, Schülern und jungen Erwachsenen, denn sie wissen oft, entgegen unserer Erwartungen, ganz genau, wohin es mit mündlicher und schriftlicher Sprache gehen soll, und natürlich auch mit uns, die sich für und gegen die neue Rechtschreibung einsetzen.

In Hochachtung vor Ihrem gesamten Lebenswerk

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RenateMariaMenges
26.12.2002 08.00
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Am 22.12.02 erhielt ich einen Brief von Reiner Kunze über meine „Impressionen“ in München, die ich weiterleiten ließ.

Er schreibt darin über die
- Getrenntschreibung
- über die Schreibweise für Kinder
- über die Behandlung durch die Kultusminister
- über einen Kompromissvorschlag für die Schüler, die
die neue RS gelernt haben
- über die gewalttätig durchgeführte Reform
- über den Vorwurf der mangelnden Sachlichkeit

Rückantwort erfolgt und kann hier eingesehen werden.

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RenateMariaMenges
21.12.2002 10.29
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Anmerkungen

Albert von Schirnding ( Bayer. Akademie der Schönen Künste) erwiderte mir u.a. auf meine 'Impressionen' in einem persönlichen Brief vom 19.12.02. „Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern haben tatsächlich stattgefunden und führen zu einem befreienden Schlagabtausch, der nichts bringt“.

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Detlef Lindenthal
14.12.2002 22.41
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Geklautes Handwerkszeug

Norbert Schäbler schrieb:
>> „.... nachdem jeder von uns mindestens ein Produkt von Bill Gates sein eigen nennt, der so völlig uneigennützig seinen Besitz mit uns teilt … Beschenkt hat er uns natürlich schon, der ehemals reichste Mann der Welt, denn wir können heute mit ein- und derselben Schreibmaschine unsere Botschaften in allen möglichen Schrifttypen schreiben ...“ <<

Da gehe ich auf Abstand, denn ich nenne kein Produkt von Bill Gaids mein eigen, aus Sicherheitsgründen und kraft Selbsterhaltungswillen. Beschenkt hat uns Herr Gaids auch nicht, sondern er hat viele, viele Erfinder beklaut: „Windows“ ist eine fehlerhafte 1:1-Raubkopie der Apple-Benutzeroberfläche, „Internet Explorer“ (den ich manchmal widerwillig benutze) ist eine Raubkopie von Netscape. Der Grafikrechner stammt hauptsächlich von Adobe, Apple, HP, Sun; keine einzige der wesentlichen Erfindungen stammt von der Winzigweich-Krämerschaft!
Wer noch einen Funken Selbstachtung besitzt (und mit der Arbeit fertig werden will), benutzt Apple und Linux/Unix.

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Walter Lachenmann
14.12.2002 21.12
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Augenzeugenberichte

Interessant, wie unterschiedlich Augenzeugenberichte von ein und derselben Veranstaltung ausfallen können. Es ist eben etwas anderes, wenn einer erlebt, daß auf dem Podium und in dem vollbesetzten Auditorium Menschen sich mit Leidenschaft für dasselbe Anliegen engagieren, das er selber hat, oder ob jemand schon von vornherein weiß, daß er sich von dem, was er da erlebt, auf keinen Fall beeindrucken lassen darf.

Ein guter Freund ist mir zuliebe auch zu der Veranstaltung gekommen. Er hat seine Rentenansprüche in einem großen Schulbuch- und Sprachenverlag erworben und weiß deshalb, woher und wohin der Wind weht. Wenn ich über die Reform mit ihm reden will, klopft er mir immer gönnerhaft auf die Schulter und lacht. Aber weil ein Dichter zu sehen und zu hören war, und eben mir zuliebe, ist er in die Akademie gekommen und hat mir gutgelaunt und freundlich zugezwinkert, als er mich erblickte. Sein Gesicht wurde im Verlauf der Ereignisse immer ernster, und ich dachte mir schon, nun hätte er endlich ein Einsehen gewonnen. Aber als er rausging, sah ich, daß er richtig fahl aussah, er verschwand sehr schnell und murmelte auch etwas von Polemik. Die Situation, sich nicht mehr inmitten einer Mehrheit von Leuten zu befinden, mit denen er sich in Übereinstimmung glauben konnte, sich vielmehr in einer Mehrheit aufzuhalten, die seine Selbstsicherheit in Frage stellte, hat er nicht gut ausgehalten. Über die Sache selbst bin ich mit ihm nie ins Gespräch gekommen, sie interessiert ihn gar nicht. Fakten, Fakten ...

Geistreich und witzig vorgetragene, sachlich stichhaltige Argumente sind nicht unbedingt üble Polemik. Gegen üble Polemik gibt es ein starkes Mittel, nämlich geistreich und witzig vorgetragene, sachlich stichhaltige Argumente. Die hätten Reformbefürworter bei dieser Veranstaltung durchaus zu Gehör bringen können, denn es gab ja eine offene Diskussion mit dem Publikum.

Im übrigen böten diese Seiten hier die allerbequemste Gelegenheit für Befürworter der Reform, deren Vorzüge und Sinnhaftigkeit engagiert und sachlich überzeugend im Gedankenaustausch mit kompetenten Kollegen zu vertreten. Wir wissen, daß die Reformverantwortlichen hier oft hereinschauen, aber noch keiner hat sich dazu bereit gefunden, für seine Sache auch nur ein einziges Wort zu verlieren. Das sagt einiges über die eigene Überzeugung dieser Leute aus.

Wenn man übrigens Polemik unfein findet, sollte man nicht Sachen äußern wie »seine Aussagen ... waren kabarettreif« oder von »aufgeblasenen Schlangenhäuten« reden. Und nicht behaupten: »Der Dichter legte uns auch seine Gedichtbände im Foyer auf ... « als ob er die höchstpersönlich dort dem Publikum zum Verkauf feilgeboten hätte. Das war ein ganz normaler Büchertisch einer Münchner Buchhandlung, die bei allen literarischen Veranstaltungen die dazu passenden Bücher anbietet, die sich die Leute dann vom anwesenden Autor signieren lassen können. Solche Bemerkungen klingen abfällig, und ersetzen weiß Gott nicht die kompetente Gegenargumentation, deren Abhandensein man Frau Menges nicht allzu sehr verübeln sollte, denn die Experten ihrer eigenen Seite haben ja erst recht nichts zu bieten.

Und wir hätten in Frau Menges die begeistertste Verfechterin der herkömmlichen Orthographie, wenn ein entsprechender Erlaß aus dem Kultusministerium erginge, dessen bin ich mir sicher.

__________________
Walter Lachenmann

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Norbert Schäbler
14.12.2002 15.13
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Handwerkszeug

Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, daß die Schrift (und auch die Schriftsprache), genauso wie das Rad, resp. die Rolle, schon erfunden sind.

Und was die Erfindung des Rades angeht, ist es letztendlich egal, ob man die Rolle nun mit zusätzlichem Gummi (schlauchlos oder mit Schlauch) belegt, ob man sie an Achsen aufhängt oder nicht, verschmälert oder verbreitert …
Denn all das ist Sache der Weiterverwendung und Veredelung, und hier geht es nur noch um Feinheiten (um Formgebung in Relation zum Bestimmungszweck und Einsatzort …), während das Grobe steht.
Selbstverständlich kann man darüber diskutieren, daß es selbst heute schon neue Fortbewegungsmöglichkeiten gibt, daß man sich in ferner Zukunft ausschließlich mit Hilfe von Luftkissen und Magnetschwebebahnen rasant, kostensparend, unfallfreier und umweltschonender fortbewegen könnte, doch ist eine solche Ausschließlichkeitstheorie reine Utopie, denn das Rad, als Fortbewegungsmittel des kleinen Mannes, wird es immer geben. Daran wird sich auch nicht ändern lassen durch Sponsorentechniken (w. z. B. das Verschenken von Flugmeilen oder die Gratisauslieferung spezieller Luftkissenpumpen) …

Was das Schreiben und die Schrift angeht, sind wir „späten Geburten“ natürlich dankbar, daß es nicht mehr des Meißels und riesiger Findlinge bedarf, daß wir auch keine elendlangen Knotenschnüre mehr brauchen, um schriftliche Botschaften zu versenden (wobei immerhin der Versand solcher Botschaften der Post zugute käme); wir sind auch dankbar daß Federhalter und Füller durch den Kugelschreiber ersetzt wurden, daß die Schiefertafel dem Papier weichen mußte, und wir freuen uns gar über die Digitaltechniken und Minichips, auf denen romanlange Botschaften Platz finden, ohne daß dafür ein Urwaldbaum gefällt werden müßte ...
Nur ist es unglaubhaft, daß wir künftig völlig auf Papier und Schreibgeräte verzichten könnten, nachdem jeder von uns mindestens ein Produkt von Bill Gates sein eigen nennt, der so völlig uneigennützig seinen Besitz mit uns teilt …

Beschenkt hat er uns natürlich schon, der ehemals reichste Mann der Welt, denn wir können heute mit ein- und derselben Schreibmaschine unsere Botschaften in allen möglichen Schrifttypen schreiben (da mußte man früher sündhaft teure Typenräder nachkaufen), wir können problemlos den Schriftgrad verändern, den Text völlig vergraphiken, und wenn wir schön das Rechtschreibprogramm mitlaufen lassen, gerät die Botschaft sogar fehlerlos.

Letzteres allerdings nehme ich dem Bill Gates (oder aber seinen Miterfindern und Trittbrettfahrern) übel, denn die Rechtschreibung hätte beim alten bleiben sollen. Sie war eine Errungenschaft der Sprachgemeinde, und ihm (oder den Trittbrettfahrern) stand es keineswegs zu, jener Sprachgemeinde Vorschriften zu machen. Nicht einmal ein Vorschlagsrecht hatte er (oder die Trittbrettfahrer), weil er/sie einer ganz anderen Sprach-und Vermögensgemeinschaft zuzurechnen sind.

Absolut keine Bedenken und keinerlei Vorwürfe habe ich gegenüber Reiner Kunze. Der kennt sein Handwerkszeug und er respektiert jede Vereinbarung der Sprachgemeinschaft. Seine Gebrauchstexte (Briefe, Stellungnahmen/oder auch die Notationsform in „Die Aura der Wörter“) zeugen davon, daß er die Vereinbarungen getreu wiedergeben kann.
Sein kreativer Umgang mit jener Norm und Vereinbarung in seinen Gedichten steht auf einem anderen Blatt. Sie sind Teil der Botschaft; für Schreiber und Leser genüßliches Spiel – so was ähnliches wie Gummi über der Felge.


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nos

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Theodor Ickler
14.12.2002 14.13
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Befremdlich

Was immer Frau Menges mit den „Sprachinhalten deutscher Kultur“ meint – es ist ihr und anderen unbenommen, sich damit zu beschäftigen. Das kann aber doch niemanden hindern, sich auch mit der Rechtschreibung zu befassen. Mir kommt diese Argumentationsfigur allzu bekannt vor. Um ein unangenehmes Thema vom Tisch zu bekommen, erklärt man andere Themen für wichtiger. Das mögen sie ja sein, aber soll man sich deshalb mit den weniger wichtigen gar nicht beschäftigen dürfen?

Besonders befremdlich finde ich die Bedenken wegen der eigenen Schreibweise Reiner Kunzes in seiner Lyrik. Schon in der Schule lernt man doch, daß viele Dichter ihre lyrische Sprache mit gewissen Signalen versehen, die einen besonderen Rezeptionsmodus anregen sollen, eben nicht den von Gebrauchsprosa. Der Unterschied zur allgemein üblichen Normalschreibweise setzt letztere geradezu voraus. Muß ich das noch näher ausführen? Das wäre wohl beleidigend gegenüber einer gebildeten Person wie Frau Menges.

Prof. Dittmann verbreitet die Rechtschreibreform in Seminaren und Schriften, allerdings mit Fehlern, die bei einem Professionellen doch etwas seltsam sind. Ich hatte vor drei Jahren einen Briefwechsel mit ihm. Er beklagte u. a., daß er von der Kommission keine klaren Antworten auf konkrete Fragen bekommt. Später hat er noch etwas nicht Unkritisches zur neuen Fremdwortschreibung in Wirtschaftstexten veröffentlicht.

Was mich bei Frau Menges am meisten stört, ist ihre Bereitschaft, vor der bloßen Macht des Faktischen in die Knie zu gehen. Wobei immer wieder darauf hinzuweisen wäre, daß die Neuschreibung erstens so verbreitet auch wieder nicht ist und daß die Reformer mit dem Rückbau beschäftigt sind. Mit welchen Mitteln im übrigen die Einheit der Bundesländer erreicht worden ist, wissen wir einigermaßen. Es ist kein Grund, daraus irgend einen Schluß auf den einheitlichen Willen der Bevölkerung zu ziehen.
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Th. Ickler

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Sigmar Salzburg
14.12.2002 13.35
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Renate Menges:
[Reiner Kunze] tritt heute für die alte Rechtschreibung ein, geht aber in seiner Lyrik mit der resoluten Kleinschreibung weiter als alle Rechtschreibreformer. Inwieweit ist er deshalb glaubwürdig, zumal er sich nicht von seinen Gedichten distanzierte.

Joseph Beuys wollte sicher auch nicht, daß alle einen Filzhut tragen.
Hätte er sich von seinem Hut distanzieren müssen?

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Sigmar Salzburg

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Martin Reimers
14.12.2002 12.45
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BEZUG

Frau Mengesschrieb:

„Es wurde früher 'in Bezug auf' groß geschrieben, 'mit bezug auf' klein“

Tatsächlich war es „früher“ gerade umgekehrt. Meiner methodisch nicht abgesicherten Auffassung nach ist das auch in Ordnung so. „Mit Bezug auf“ sieht irgendwie substantivischer aus. Und es läßt sich ja auch erweitern: „mit deutlichem Bezug auf“, *„in deutlichem Bezug auf“ geht nicht. Könnte das vielleicht ein Grund für die unterschiedliche Schreibweise sein?

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Martin Reimers

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RenateMariaMenges
14.12.2002 12.19
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Forum des Monats: Die Aura der Wörter: Zur neuen Rechtschreibung

Impressionen und eigene Anmerkungen aus der Lesung von Reiner Kunze am 03.12.02 in der „Bayerischen Akademie der Schönen Künste“


Die Bayerische Akademie der Schönen Künste – ein Qualitätsgarant – hatte Reiner Kunze zu einer Dichterlesung zur neuen Rechtschreibung eingeladen. Der Saal war voll besetzt, sodass sogar im Vorraum Stühle aufgestellt werden mussten. Auf dem Podium saßen und diskutierten namhafte Künstler und Wissenschaftler wie Herbert Rosendorfer und Peter Horst Neumann.

Reiner Kunze las sehr publikumswirksam aus seinem Buch vor. Er hatte die Hörer auf seiner Seite, ließ aber vor lauter Polemik über die neue Rechtschreibung teilweise die Sachlichkeit vermissen. Seine Aussagen über die Rechtschreibreform waren kabarettreif, wovon die vielen Lacher zeugten.

Der Dichter legte uns auch seine Gedichtbände im Foyer auf, in denen er – außer am Satzanfang – jedes Wort kleinschreibt. In seinen Werken beachtet er im Allgemeinen Kommaregeln, aber nicht einheitlich korrekt (vgl. Reiner Kunze, auf eigene hoffnung, Fischer Verlag, 1990, S. 82, S. 84). Er tritt heute für die alte Rechtschreibung ein, geht aber in seiner Lyrik mit der resoluten Kleinschreibung weiter als alle Rechtschreibreformer. Inwieweit ist er deshalb glaubwürdig, zumal er sich nicht von seinen Gedichten distanzierte.

Ändert sich die „Aura der Wörter“ bei der Groß- oder Kleinschreibung nicht?
Beispiel: S. 68 (s.o.) „Was bleibt übrig, als sein heil zu suchen in der demut der kleinen wortanfänge“. Sollte das die Erklärung sein?
Einer Lesung folgt das Auditorium hörend. Kleinschreibung oder Rechtschreibmängel sind aber nicht hörbar, sondern nur lesbar. Die Frage ist, ob so ein Vortrag überzeugen kann.

Nach der Dichterlesung diskutierte das Podium auch aus dem Schulalltag. Ein Beispiel ist die Großschreibung nach dem Wörtchen „am“. Dazu gibt es aber klare Regelungen, die den Schülern folgendermaßen nahe gebracht werden können: Wenn man „am“ auflösen kann in „an dem“ und die Frage „woran " stellt, schreibt man das nachfolgende Wort groß ( aus: Dittmann J., Tipp, S. 32, Haufe Medien Gruppe, 1999).

Der Sprachwissenschaftler Dittmann aus der Universität Freiburg i.B. würde sich schön bedanken, wenn auch er dem Prädikat der " Mafia der Bornierten“ zuzurechnen wäre, wogegen die Diskutanten den „Aufstand der Intelligenz“ praktizieren. Formulierungen dieser Art wirkten polemisierend, fast schon beleidigend. Die Diskussion wäre wesentlich interessanter gewesen, wenn man auch Vertreter der neuen Rechtschreibung eingeladen hätte, die sicher auch Mängel der alten Rechtschreibung wie das Wort „Bezug“ aufgezeigt hätten. Es wurde früher „in Bezug auf“ groß geschrieben, „mit bezug auf“ aber klein.

Die öfter gestellte Frage, wonach man sich jetzt im Rechtschreiben richten soll, nach dem Duden 1996 oder 2000 oder dem Bertelsmann 1999 hätte schon im Vorfeld durch eine Anfrage an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus geklärt werden können. Bei der Diskussion blieb diese Frage bis zum Schluss offen, wobei man auch eine Klarstellung durch die Diskutanten erwarten hätte können.

„Die Aura der Wörter "- lebt unsere Sprache nur in Bezug auf die Rechtschreibung oder nicht vielmehr vom Inhalt des Gesagten? Verändert nicht Inhaltliches die Sprachkultur unserer Zeit wesentlich?

Im Vortrag wurde bedauert, dass das föderalistische System der deutschen Länder keine Opposition hervorbrachte. Sollte die Einheit nicht auch zu denken geben und würde nicht eine Rücknahme der Rechtschreibreform alle unglaubwürdig erscheinen lassen?

Ob sich die Rechtschreibung verbessert hat, darüber lässt sich streiten, aber eine Rückkehr zum alten System würde zu diesem Zeitpunkt – 6 Jahre nach der Einführung- die Schwierigkeit nicht beheben, sondern vergrößern. Trotzdem, wenn nicht alle Regeln der neuen Rechtschreibung berücksichtigt oder nicht alle Regeln auf die Wörter bezogen werden, sollte man dies dringend monieren oder den Verlag Duden wechseln.

Einen Dienst an der deutschen Sprache könnte man vor allem darin sehen, gemeinsam das neue Regelwerk hinsichtlich nicht plausibler Abweichungen von den Regeln zu durchforsten.
Hernach sollte man sich aber dringend den Sprachinhalten unserer deutschen Kultur ganzheitlich zuwenden und nicht nur an der äußeren Form herumkorrigieren. Preisträger bedeutender Literaturpreise wirken manchmal wie aufgeblasene Schlangenhäute. Kaum einer liest sich durchgehend so sprachlich erhaben wie ein Herbert Rosendorfer, schreibt in leisen und lauten Tönen wie Reiner Kunze oder brilliert wie Peter Horst Neumann.

12.12.02
Dr. Renate Menges
Wagnerberg 5
86576 Allenberg

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