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-- Petition der Schweizer Rechtswissenschaftler (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=816)
eingetragen von gestur am 15.03.2004 um 19.32
Können sich die Erfinder der Rechtschreibreform auf ihre Dummheit berufen, wegen der sie die zahlreichen und wiederholten Einwände der übrigen Wissenschaft nicht verstanden und daher nicht berücksichtigt haben? Wer es nicht besser weiß, lügt nicht. Dummheit äußert sich bekanntlich in Arroganz und Rechthaberei. Sehr kluge Leute sind immer bereit, über möglicherweise berechtigte Einwände zu diskutieren.
eingetragen von Detlef Lindenthal am 15.03.2004 um 17.20
Ja, gemäß StGB, außer unter Eid (Verbrechen, mindestens 1 Jahr Gitterluft), strafbar sind auch falsche Anschuldigung usw.
gestur schrieb::
Lügen ist nicht strafbar.
Auch außerhalb des StGB gibt es Strafen, etwa im Soldatengesetz, in den Steuergesetzen, im Seerecht, und auch die Ordnungswidrigkeitsknöllchen werden von vielen Menschen als Strafe empfunden.
Wenn einem Verantwortungsträger vorgeworfen werden kann, daß er gelogen hat, so wird allein dies schon eine sehr schwere Belastung für ihn, die durchaus eine Strafe bedeutet. Insofern möchte ich behaupten, daß unter anständigen Menschen das Lügen durchaus bestraft wird.
Hatte ich Euch eigentlich schon erzählt, daß der neue Bundespräsident sich gegen Wörterverbote und für Kommasetzungsunterricht in den Schulen ausgesprochen hat? Siehste.
eingetragen von margel am 15.03.2004 um 17.18
Die Passage mit dem "Vermögensvorteil" hatte ich natürlich bewußt weggelassen - obwohl man da vielleicht auch nicht so falsch liegt, wenn man bedenkt, wer alles finanziell von der Reform profitiert hat. Interessant ist noch §153 StGB:"Falsche uneidliche Aussage". Da sind nicht nur Zeugen, sondern auch Sachverständige betroffen...
eingetragen von gestur am 15.03.2004 um 16.26
setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten eine rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Lügen ist nicht strafbar. Es ist daher leichter zu beweisen, daß jemand ein Lügner ist, als daß er ein Betrüger ist.
eingetragen von margel am 15.03.2004 um 16.02
Wenn ein Reformer "Quäntchen" vorschreibt und es von "Quantum" oder "Quant" ableitet, so ist das in meinen Augen weniger eine Lüge als ein Betrug. Die neue Rechtschreibung ist, soweit sie etymologisch und grammatikalisch Falsches lehrt und entdifferenzierend wirkt, sowieso ein Betrug ("...Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen...") an der bildungsbedürftigen und bildungsberechtigten Jugend.
eingetragen von gestur am 15.03.2004 um 12.31
Auch in Schulfächern wie "Ethik", "Werte und Normen" und "Religion" können keine offensichtlichen Lügen gelehrt werden. Das war vielleicht in der DDR in Fächern wie "Dialektischer Materialismus" möglich. Ersetzen wir also den Begriff "wissenschaftlich unhaltbar" durch "offensichtliche Lügen". Um die aufrechtzuerhalten, fehlt noch das "Wahrheitsministerium".
eingetragen von margel am 15.03.2004 um 06.21
War die Rechtschreibung bis zu ihrer "Reformierung" ein wissenschaftlich begründbarer Unterrichtsgegenstand, so ist sie jetzt eine dogmatisch geprägte Glaubenslehre. Damit steht sie in einer Reihe mit Fächern wie "Werte und Normen" oder "Religion". Wenn man hier etwas kritisieren oder ändern will, helfen Verweise auf Widersprüche zu wissenschaftlichen Erkenntnissen wenig. Man kann die Glaubensgefolgschaft verweigern und sich dabei auch auf bestimmte grundgesetzlich garantierte Freiheiten berufen. Den vor dem BVG klagenden Eltern hat das leider nichts genützt. Im übrigen ist es unerheblich, ob diese Doktrin durch bloße Verordnung oder auf gut demokratischem Wege etabliert wurde. Wenn ein Kultusminister wider besseres Wissen bestimmt, es müsse "Quäntchen" heißen, so hilft nur Verweigerung, nicht aber der Versuch einer Widerlegung.
eingetragen von gestur am 14.03.2004 um 10.08
Die Eltern haben das Recht, daß ihre Kinder in der Schule Kenntnisse erwerben, die dem Stand der Wissenschaft ent- und nicht widersprechen.
Die neuen Rechtschreibregeln entsprechen nicht dem Stand der Wissenschaft, das wurde wiederholt bewiesen.
Die neuen Regeln beschreiben nicht den Zustand der Schriftsprache, sondern sollen diese verändern.
Die Wissenschaft hat nur die Aufgabe, die Sprache zu erforschen, zu erklären und zu beschreiben.
Eingriffe in die Schriftsprache z. B. durch Wortzertrümmerungen, sind nicht Aufgabe der Sprachwissenschaft.
Wenn der Staat glaubt, die Schriftsprache verändern zu müssen, darf er das nur im Rahmen der üblichen demokratischen Spielregeln und nicht durch Verordnungen tun.
Es geht nicht um eine andere Schreibweise der Wörter, sondern um Abschaffung von Wörtern, weil die andere Schreibweise die Bedeutung verändert.
eingetragen von Theodor Ickler am 14.03.2004 um 03.42
Zur Erinnerung:
"Diskutiert wurde in den letzten Wochen, ob die Rechtschreibreform durch einen Beschluß der Kultusministerkonferenz umgesetzt werden kann oder ob hierfür eine gesetzliche Regelung zu erfolgen hat. Auslöser war eine juristische Dissertation, die zu der Auffassung gelangte, eine Neuregelung der Rechtschreibung tangiere letztlich Grundrechte und bedürfe daher der Gesetzesform. Ich habe den Sachverhalt prüfen lassen und meine, daß diese Auffassung doch etwas zu weit geht. Das Erlernen einer bestimmten Schreibweise unterliegt nicht dem Erziehungsrecht der Eltern, denn die Eigenheiten der Sprache entwickeln sich unabhängig davon und folgen auch nicht bestimmten Erziehungsvorstellungen. Mit andern Worten: Es geht um Schreibkonventionen, die angepaßt werden sollen, nicht um Erziehungs- und Bildungsziele. Es ist daher wohl doch nicht erforderlich, 16 Ländergesetze und auch noch ein Bundesgesetz zu erlassen."
(Zehetmair am 27.1.01995 im Bayerischen Landtag)
Auch diese Einlassung zeigt noch einmal, daß eine rechtliche Prüfung nicht abwegig war. Seltsam ist die Ausdrucksweise "die Eigenheiten der Sprache entwickeln sich" usw. - ob die RSR auch zu diesen "Entwicklungen" zählt?
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 14.03.2004 um 03.37
Lieber Herr Lindenthal,
ich hatte ja gesagt, daß für mich nicht das Thema erledigt ist, sondern die gegenwärtige Debatte, weil ich nicht einsehe, warum man darüber streiten soll, ob ein Wort "verboten" ist, wenn es aus Wörterbüchern getilgt und im Unterricht usw. mit Sanktionen belegt ist. Das ist Wortklauberei. Sie dient dazu, einen klaren Sachverhalt zu vernebeln.
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Th. Ickler
eingetragen von gestur am 13.03.2004 um 22.54
Ich halte es für ein herausragendes Merkmal der deutschen Sprache, daß sie im Laufe der Zeit und besonders in der Zeit vor der Rechtschreibreform durch Univerbierungen immer wieder neue Begriffe geschaffen hat. Die Reformer haben das Kriterium des neuen Begriffs abgeschafft und die Wortschöpfung durch Univerbierung als Fehlentwicklung gewertet. Neue Begriffe sollen nur durch syntaktische Wortgruppen erlaubt sein. Der Grund für Univerbierungen war aber gerade die Einsparung von Wörtern, die für syntaktische Wortgruppen nötig sind. Es ist unbegreiflich, daß Kreativität und Wörter-Ökonomie als Fehlentwicklungen verboten werden. Noch unbegreiflicher ist, daß nicht mehr die Mehrheit der Schreiber, sondern eine vom Staat eingesetzte Kommission über die Zulassung neuer Begriffe bestimmt. Ganz offensichtlich sieht sich der Staat durch die wortschöpferische Kreativität seiner schreibenden Bevölkerung bedroht, sonst würde er sie nicht verbieten. Begriffe, die nicht in Worte gefaßt werden können, können nicht gedacht werden, das ist wohl die Absicht dahinter. Kontrolle über die Sprache ist Kontrolle über das Denken.
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 20.49
@gestur:
Ja, nun habe ich es verstanden, daß das Auslöschen eines Wortes ein schwerwiegenderer Vorgang sein kann als das Verbieten.
Gleichwohl meine ich, daß ein Verbot gerichtsfähig ist, ein Auslöschen und Dem-Vergessen-Anheimgeben hingegen ein gewöhnlicherer gesellschaftlicher Vorgang;
vieles wird vergessen: alte Schlager und Gedichte, alte Autos, alte Arbeitnehmer, alte Werte; so könnte auch das öffentlich betriebene Vergessen von Wörtern ein gewöhnlicher Vorgang sein (schließlich kommt auch die Bildzeitung mit einem deutlich geringeren Wortschatz aus).
Nun frage ich mich zusätzlich, ob mit solcher Beachtung des Auslöschens sich Öffentlichkeitsarbeit machen läßt, wenn ja, wie; vielleicht mit einer „Gesellschaft für bedrohte Wörter“ oder so ähnlich;
es gibt die kleinen Zuchtverbände für seltene Haustierrassen (z.B. für die Deutschen Schwarzbunten Rinder, die ohne Kraftfutter auskommen und bei mittlerer Milchleistung robuster sind und mehr Fleisch haben, im Gegensatz zu den ebenfalls schwarzbunten Holsten-Friesen-Rindern, den Knochgerüsten mit der hohen Milchleistung aufgrund von Kraftfutter) – ginge es bei der Schutzstation für Wörter um ein solches Retten der Wörterlebendigkeit, oder ginge es nicht noch mehr um die Grenzen staatlicher Willkür, daß nämlich nach herkömmlichem Verständnis der Staat in Religion, Kultur und Wortschatz nicht verbietend eingreifen darf?!
Vielleicht können zur Bewertung dessen hier noch mehr Gesichtspunkte zusammengetragen werden.
Gruß,
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Detlef Lindenthal
eingetragen von gestur am 13.03.2004 um 19.49
Die bisher existierende zusammengeschriebene Form einer Wort"gruppe" als falsche Schreibweise der daneben existierenden getrennt geschriebenen Wortgruppe einzustufen und zu benoten, obwohl es - bei unterschiedlicher Bedeutung der beiden - in Wirklichkeit die Benutzung eines nicht mehr zugelassenen Wortes, also eine falsche Wortwahl ist, beweist eindeutig, daß dieses zusammengeschriebene Wort überhaupt nicht mehr existieren soll, also endgültig ausgelöscht sein soll. Es ist eben nicht so, daß "das jetzt getrennt geschrieben wird", sondern daß das zusammengeschriebene Wort ausgelöscht ist.
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 17.32
Lieber Herr Schubert,
um 15:34 hatte ich Sie gefragt: >>Dürfen wir sie beim Wort nehmen?<<, darauf haben Sie nicht geantwortet, sondern haben mit der Stellungnahmesich aus der Erörterung zu entfernen getrachtet. Ich finde, daß das von Ihrer Seite ein recht schwacher Abgang ist, der aber andererseits mir bestätigt, daß die Wörterverbote ein Schwachpunkt der RS„R“ sind, an den die Kommissionsleute und Politiker nicht ausreichend oder gar nicht gedacht haben. Doch umso bedeutsamer ist dieser Punkt: eine offene Bresche, hinter der zumindest Sie die RS„R“ nicht mehr verteidigen wollen. Das ist eine wertvolle Bestätigung!
Wörterverbote
Solange man bei diesem Thema bleibt, streitet man sich offenbar um Wörter, nicht um Gedanken.
Lieber Herr Professor Ickler,
Theodor Ickler schrieb::
Damit ist für mich diese Debatte wirklich beendet, weil ich keine Lust habe, mich auf Wortklaubereien einzulassen. Sie werden die Reform nicht retten.
diese heutige Debatte mit Herrn Schubert habe doch hauptsächlich ich geführt – warum möchten Sie sie beendet sehen, was daran sehen sie als Wortklauberei, und wieso verdirbt es Ihnen die Lust, wenn ich beim Stochern im Nebel herausfinde, daß das Reformbollwerk löchrig ist und nicht verteidigt wird?
Dabei braucht man, wie ich erkundet zu haben meine, nur in deren Bastionen* hineinzuspazieren. Herr Schubert und sicherlich jeder Minister werden einen weiten Bogen um jeden Hineinspazierling machen – daher: Auf zum Frühlingsspaziergang!
Ihr
Detlef Lindenthal
* Was Ihnen Ihre Töchter sind, sind mir meine Söhne. Mit denen habe ich mal kletternd die Bastionen der reichskaiserlichen Münzenburg in der Wetterau erstiegen (eine beeindruckende riesige Anlage!) und ihnen dabei erzählt, wie damals schätzungsweise die Verteidigungsmaßnahmen von innen erfolgt wären: gar nicht so einfach, das Geschäft eines solchen Angreifers!
Verglichen mit dem strategischen Verstand jener mittelalterlichen Burgenbauer ist die „Reform“burg ein schämenswerter Pfusch.
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Detlef Lindenthal
eingetragen von Theodor Ickler am 13.03.2004 um 16.39
Nach Auffassung der Reformer gibt es keine Wörter mit Zwischenraum. Die auseinandergerissenen bisherigen Wörter werden aus den Wörterbüchern getilgt und durch Wortgruppen ersetzt, von denen die Reformer behaupten, sie seien dasselbe wie die zuvor (offenbar irrigerweise) zusammenschriebenen Gebilde, also die Wörter. In der Schule ist nun der Gebrauch der Wortgruppen erlaubt und geboten, der Gebrauch der vormaligen Wörter (immer im Sinne der Reformer selbst!) ist verboten, d. h. er wird mit schlechten Noten bestraft. So hat der damalige Minister Holzapfel (Hessen) sinngemäß gesagt: Im Brief an die Oma darf der kleine Henner natürlich "Du" schreiben, aber im Übungsbrief in der Schule muß er "du" schreiben. Das kann man auf das Wortverbot übertragen: Im Privatbrief "sogenannt", im Schulaufsatz "so genannt".
Damit ist für mich diese Debatte wirklich beendet, weil ich keine Lust habe, mich auf Wortklaubereien einzulassen. Sie werden die Reform nicht retten.
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Th. Ickler
eingetragen von Peter Schubert am 13.03.2004 um 16.30
Solange man bei diesem Thema bleibt, streitet man sich offenbar um Wörter, nicht um Gedanken.
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Peter Schubert
eingetragen von margel am 13.03.2004 um 16.15
Das ist aber ein toller Purzelbaum, lieber Herr Schubert: Die vorher zusammengeschriebenen Wörter sind noch vorhanden - aber "mit Zwischenräumen". So einfältig sollten gerade Sie sich nicht stellen. Das nehme ich Ihnen einfach nicht ab, daß Sie nicht begriffen haben wollen, worum es geht.
eingetragen von margel am 13.03.2004 um 16.10
Man kann durchaus der Ansicht sein, daß die Reform einer Sprachregelung gleichkommt, indem sie Wörter "verbietet" oder "auslöscht". Allerdings führt diese Begrifflichkeit nicht weiter, wie sich an der laufenden Diskussion zeigt. Unmittelbar wirksame Sanktionen mit u.U. gravierenden Folgen für den Berufs- und Lebensweg gibt es nur in der Schule. Dort wird aber nicht nach "verboten" usw. zensiert, sondern nach "richtig" und "falsch". Das Problem liegt also woanders: Wer legt die Regeln fest? Das ist der Staat, der sich in diesem Falle das Regelwerk der Reformer zu eigen gemacht und für verbindlich erklärt hat. Nun ist aber die Orthographie auch Gegenstand der Wissenschaft. Der unausweichliche Konflikt für Lehrer und Schüler entsteht im Einzelfall aus der Diskrepanz zwischen "richtig" nach wissenschafticher Erkenntnis und "richtig" per Regelungsgewalt. Er wird nur juristisch zu lösen sein. - Übrigens bezieht sich der Gleichheitsartikel 3 des GG auf die Gleichheit vor dem Gesetz und sonst gar nichts.
eingetragen von gestur am 13.03.2004 um 15.52
Verbotenes bleibt in Erinnerung und reizt zur Benutzung, gerade weil es etwas Besonderes ist. Wenn Verbote oft genug übertreten werden, besteht die Chance auf Verbotsaufhebung. Die Original-Schreibweise der Klassiker war seinerzeit ja nicht verboten, daher durften sie so schreiben, und wir dürfen es noch so lesen.
Ausgelöschtes ist weg, nicht mehr vorhanden, und die Erinnerung daran verblaßt. Die Original-Schreibweise der Klassiker wird unverständlich oder mehrdeutig, weil wir die Bedeutung ihrer merkwürdigen Schreibweisen nicht mehr kennen.
Auslöschung wird endgültig dadurch betrieben, daß die Schreibweise der Klassiker so verändert wird, als hätten auch sie diese Wörter nicht gekannt, als hätte es diese Wörter nie gegeben. Diktaturen sind auf dieses Mittel angewiesen, um sich zu behaupten.
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 14.52
@gestur:
Volle Zustimmung.
Noch zu Ihrer vorigen Überschrift:
>>Wörter-Auslöschung ist wahrheitsnäher als Wörterverbot <<
Diese Unterscheidung erstaunt mich, und ich verstehe sie nicht. Was ist in diesem Fall der Unterschied zwischen Wörter-Auslöschung und Wörterverbot?
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Detlef Lindenthal
eingetragen von gestur am 13.03.2004 um 14.43
Für Wörter, die in zusammengeschriebener Form etwas Anderes bedeuten als in getrennt geschriebener Form, bedeutet die Auslöschung einer Schreibweise die Auslöschung dieser Bedeutung.
Es ist die fundamentale Lüge der Rechtschreibkommission, zu behaupten, die verbleibende Form würde jetzt beide Bedeutungen tragen.
Die Schreiber hatten sich nicht aus Spaß, sondern aus Notwendigkeit zu zwei verschiedenen Schreibformen entschlossen, um sich mit möglichst wenig Worten unmißverständlich auszudrücken. Es war keine Fehlentwicklung, wie die Kommission es behauptet.
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 14.34
Meine Frage dazu: Sind angestrichene Fehler ... Versetzung gefährdet ... Reifeprüfung nicht bestanden ... im Sinne Ihres Satzes Sanktionen?
Peter Schubert schrieb::
Für die Schüler: Erlaubt ist das, was nicht verboten ist; was verboten ist, habe ich schon erklärt.
Verboten ist etwas, das, wenn man es tut, zu einer Sanktion führt (Geldbuße o. ä.).
Sie schreiben:Und oben schrieben Sie: >>Erlaubt ist, was nicht verboten ist.<< Wenn wir Sie beim Wort nehmen dürfen, sind die rot angestrichenen Wörter (hierzulande, weitgehend, nichtssagend, ...) nicht verboten, also erlaubt. Wenn vielsagend, blutstillend, ... erlaubt sind, dann dürfen unsere Kinder sie weiterhin schreiben?
Wenn Schulkinder ein Wort rot angestrichen kriegen, das sie abweichend von den Regeln geschrieben haben, ist das Wort nicht verboten.
Wenn wir Sie beim Wort nehmen dürfen, ist es ja nur nötig, daß Sie ihre widersprüchlichen Aussagen etwas ordnen und daß wir uns gemeinsam bei den Kultusministern um eine Klarstellung bemühen, daß auch ab 1.8.05 kein Wort verboten ist.
Dürfen wir sie beim Wort nehmen?
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Detlef Lindenthal
eingetragen von gestur am 13.03.2004 um 14.05
Deshalb ist eine vollständige Liste der ab 2005 ausgelöschten Wörter wichtig. Allein schon, um die Erinnerung an deren Bedeutungen zu retten.
eingetragen von Peter Schubert am 13.03.2004 um 14.04
Lieber Herr Lindenthal, auch die Wörter bekanntgeben, wiedergutmachen, wildwachsend und wieviel sind in anderer Schreibform weiter vorhanden, nämlich mit Zwischenräumen. Kein Verbot. Ihr Einwand betrifft zwar Sprachpflege, hat aber mit Gerechtigkeit, Bürgerverantwortlichkeit und Wissenschaftlichkeit nichts zu tun. Für die Schüler: Erlaubt ist das, was nicht verboten ist; was verboten ist, habe ich schon erklärt.
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Peter Schubert
eingetragen von Christian Dörner am 13.03.2004 um 14.02
Selbstverständlich war und ist es immer das Anliegen der Reformbefürworter und -betreiber, "das Thema zu begraben".
Das Ziel ist klar: Das Thema soll möglichst bis zum August 2005 aus den Medien, so daß sich dann plötzlich die gesamte Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt sieht, wenn die Übergangszeit verstrichen ist. Aussitzen ist seit Jahren das Konzept der Reformer.
Wenn sie jedoch hoffen, daß sich die Kritiker darauf einlassen und davon beeindrucken lassen, so hoffen sie vergeblich.
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Christian Dörner
eingetragen von gestur am 13.03.2004 um 13.55
Es ist sehr wahrscheinlich, daß am 1.8.2005 die Mehrheit der Bevölkerung auch nach 9 Jahren immer noch die alte Rechtschreibung benutzt und die Schüler unter Androhung von schlechten Noten gezwungen werden, anders als die Bevölkerungsmehrheit zu schreiben. Das ist Ungleichbehandlung vor dem Gesetz (Artikel 3, Absatz (1) Grundgesetz).
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 13.26
Lieber Herr Schubert,
es geht bei der Verbotsfrage nicht um *Colloseum und *Hombré (und auch nicht um *Iglo); und es geht auch nicht um Känguruh und rauh (die es ja, in geänderter Schreibung, weiterhin gibt), sondern um bisher vorhandene Wörter (z.B.bekanntgeben, wiedergutmachen, wildwachsend, wieviel), die ab 1.8.2005 nicht mehr geschrieben werden dürfen (sonst: rot, Fehler, Punktabzug, aufmüpfig, endlose Erörterung, Versetzung gefährdet, ...)
Ihr Beilegungsvorschlag ist für Sie bequem, aber er entspricht nicht meiner Vorstellung von Sprachpflege, Gerechtigkeit, Bürgerverantwortung und Wissenschaftlichkeit. Ich finde, daß Sie auf meinen Vorhalt nicht eingegangen sind.
Nun nochmals meine Frage:
Wie würden Sie Schülern den Unterschied von „verboten“ und „erlaubt“ erklären?
fragt
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Detlef Lindenthal
eingetragen von gestur am 13.03.2004 um 12.58
Wenn etwas verboten ist, dann ist es noch vorhanden und kann durch Übertreten des Verbotes noch benutzt werden.
Wenn es etwas nicht mehr gibt, ist damit auch die Erinnerung daran ausgelöscht, und dann kann es überhaupt nicht mehr benutzt werden.
Totalitäre Staaten arbeiten daher mit der Auslöschung jeglicher Erinnerung an abgeschaffte Dinge. Beispiele gibt es gerade in der deutschen Geschichte genug.
eingetragen von Peter Schubert am 13.03.2004 um 12.55
Wenn Schulkinder ein Wort rot angestrichen kriegen, das sie abweichend von den Regeln geschrieben haben, ist das Wort nicht verboten. Verboten ist etwas, das, wenn man es tut, zu einer Sanktion führt (Geldbuße o. ä.). Wenn ein Textilkonzern namens Colosseum sich überall falsch als Colloseum (mit zwei l und einem s) anpreisen lässt, kräht kein Hahn danach. Wegen der Bezeichnung "Hombré" mit falschem accent aigu für ein Herrenbekleidungsgeschäft sagt auch niemand etwas (Vielleicht sollte man besser "Männerbekleidungsgeschäft" sagen; die Spanier unterscheiden zwischen hombres und caballeros). Falsch geschrieben ist nicht verboten.
Man verrennt sich fast immer, wenn man ein Wort, z. B. "Wörterverbot" in die Welt setzt (oder von seinen Kindern in die Welt setzen lässt) und dann nur vom Wortsinn her argumentiert. Daher mein Vorschlag, das Thema zu begraben.
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Peter Schubert
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 11.54
Lieber Herr Schubert,
Peter Schubert schrieb::
Wer hat denn ein Wort verboten? Was passiert denn einem, der ein "verbotenes Wort", z. B. "allgemeinbildend" benutzt? Geldbuße? Freiheitsstrafe? Sicherungsverwahrung? Ich schlage vor, das Thema jetzt zu beenden.
wenn die vielen Wörter nicht verboten worden sind, so kann ich erleichtert aufatmen.
Was halten Sie von folgendem: Sie erfragen bei einem der Kultusminister eine Bestätigung, daß die z.B. in http://verbotene-woerter.de genannten Wörter nach dem 1. August 2005 in Schulen nicht verboten sind, und ich nehme meine Wörterverbotwarnung zurück. (Wenn einer der Minister das bestätigt, so dürfte das wohl ausreichen, damit das Verbot insgesamt verpuffen kann.)
Wenn eine solche Bestätigung bei den Kultusministern nicht zu bekommen ist, ist dann nicht in Ihrer Nichtverbotsbehauptung eine Glaubwürdigkeitslücke?
Wie das Verbot im Alltag aussieht, erfahre ich bei meinen Kindern; da heißt es dann: Dies Wort gibt es nicht mehr; wenn ich es schreibe, dann gibt es vermehrt Rot (und in der Praxis Punktabzug); und ab 1.8.2005 auch nachprüfbar Fehler.
Wie würden Sie Schülern den Unterschied von „verboten“ und „erlaubt“ erklären?
fragt
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Detlef Lindenthal
eingetragen von margel am 13.03.2004 um 11.03
Juristen haben der Rechtschreibreform ins Leben verholfen, Juristen werden auch zu den Totengräbern gehören.
eingetragen von Theodor Ickler am 13.03.2004 um 10.55
Schüler bekommen mehr Fehler angestrichen, wenn sie "verbotene" Wörter benutzen, Herr Schubert. Oder die Lehrer nehmen die Dienstvorschriften nicht so ernst und lassen fünf gerade sein. Das Thema können wir gern begraben, aber im Jahre 2005 wird es wiederauferstehen.
Zur Erinnerung hier noch einmal die wichtigste Stelle aus Kopkes Dissertation:
„Es verletzt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und widerspricht daher dem Grundgesetz, wenn bestimmten Personen - hier den Lehrern - verboten wird, herkömmliche Schreibweisen zu verwenden, und statt dessen auferlegt wird, neue - bisher ungebräuchliche - Schreibweisen zu befolgen.“ (Kopke 1995, S. 370)
Es gab eine Reihe ausgezeichneter Gerichtsurteile, vor allem aus Niedersachsen (Richter Helmut Weidemann) und vom OVG Schleswig, um dessen Spruch es ja dann in Karlsruhe ging. Man sollte das noch einmal nachlesen.
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Th. Ickler
eingetragen von Peter Schubert am 13.03.2004 um 10.13
Was die "Wörterverbote“ betrifft, haben sich jetzt mehrere wertvolle Teilnehmer auf fremdem juristischem Glatteis etwas verrannt. Wer hat denn ein Wort verboten? Was passiert denn einem, der ein "verbotenes Wort", z. B. "allgemeinbildend" benutzt? Geldbuße? Freiheitsstrafe? Sicherungsverwahrung? Ich schlage vor, das Thema jetzt zu beenden.
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Peter Schubert
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 09.10
Lieber Herr Wrase,
Wolfgang Wrase schrieb:
Berechtigte Theorie und falsche Realität
Gerade das Urteil des BVerfG ist geeignet, Herrn Lindenthal recht zu geben: Man darf nicht die Rechtspraxis mit Gerechtigkeit verwechseln und auch nicht mit der Idee der Grundrechte. Daß Rechte auch vor Gericht immer wieder mißachtet werden, ist nicht neu, allerdings beim BVerfG ungewöhnlich. Deshalb stimme ich Herrn Lindenthal im Prinzip zu: Eigentlich verletzt die Rechtschreibreform Grundrechte und gehört deswegen gerichtlich verboten. Andererseits hat unser höchstes Gericht anders entschieden - was ich als Skandal empfinde, genauso wie die Mißachtung der Volksgesetzgebung in Schleswig-Holstein durch die Vertreter des Volkes. Auf der pragmatischen Ebene stimme ich Herrn Metes zu: Es hat jetzt keinen Sinn mehr, nach einem höchsten Gericht zu rufen. Sonst läuft man mangels Realismus sehr schnell Gefahr, als Spinner eingestuft zu werden. Wenn, dann bitte im Konjunktiv: "Eigentlich hätte das Verfassungsgericht die Reform abschaffen müssen." Sonst könnte man auch fordern: "Bitte nochmal ein Volksentscheid in Schleswig-Holstein!" Ganz und gar berechtigt, aber leider nur Theorie. Der Zustand des Unrechts ist nun auch juristisch festgeklopft worden. Da kann man sich schon drüber empören, aber leider empfinden die meisten: "Es gibt Wichtigeres", und man kann damit keinen Blumentopf gewinnen.
es geht nicht etwa darum, daß die Verfassungsrichter ihr damaliges Urteil auffressen sollen; das tun sie natürlich nicht – der damalige Vorsitzende Richter, Herr Papier, ist inzwischen oberster Richter unserer Republik.
Es geht nicht darum, daß wir uns die Köpfe der Verfassungsrichter zerbrechen oder deren Schularbeiten machen sollen. Und ich glaube auch nicht, daß das BVerfG der beste und wichtigste Entscheider wäre.
Es geht um einen bisher nie dagewesenen Mißstand, daß nämlich auf dem Verwaltungswege bisher erlaubte deutsche Wörter (denen absolut nichts vorzuwerfen ist: tiefgreifend, sogenannte, allgemeinbildend, bereitstellen, offenlegen, ...) für viele Menschen verboten worden sind.
Wer von der langen Kette der Verwaltungsbeamten, Verwaltungsrichter und Verfassungsrichter diese Wörterverbote bestätigt und wer von ihnen den Kopf dafür benutzt, wofür er bezahlt wird, das ist zunächst deren Sache.
Sollte bei unseren Richtern das Gefühl entstehen, daß sie vorgeführt werden, so ist auch dieses Gefühl deren Sache und nicht unsere.
Meine Sache ist, daß ich mich nicht daran gewöhne, daß ein Husumer Mathelehrer seinen Schulkindern auf Klassenfahrt Haschisch mitbringt und mit ihnen kifft und daß die Aufsichsverantwortlichen das decken.
Und auch an die Wörterverbote gewöhne ich mich nicht.
Der Mißstand, wie unser wichtigstes Werkzeug, die Sprache, verwaltet wird, betrifft bei weitem nicht nur die Gerichte. Wenn diese Sache mit den Wörterverboten richtig durchdekliniert wird, dann müssen etliche wackelige Dominosteine in Verwaltung und Medien sich um eine neue Standfestigkeit bemühen.
Gruß,
__________________
Detlef Lindenthal
eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.03.2004 um 08.13
Der Verfasser des Urteils („Berichterstatter“), Verfassungsrichter Hömig, sagte mir fernmündlich etwa 6 Wochen vor dem Urteil, daß die Klage abgewiesen werde. Daraufhin bettelte ich fernmündlich bei Herren Elsner, Prof. Deppert, Dräger, Denk, ... darum, daß die Klage zurückgezogen und das BVerfG bloßgestellt werden, sprach aber gegen „taube Ohren“ (was können die Ohren dafür?). Erst als der Focus in seinem internen Meldungendienst die beschlossene Klageabweisung zu berichten wußte und ich dann nochmals um Klagerücknahme bettelte, wurde das Ehepaar Elsner-Diercks von ihrem Aktionismus zurückgebeten und zog die Klage zurück. Dann meldeten taz und germnews:
Theodor Ickler schrieb:
... noch einige dunkle Stellen aufzuklären
http://rechtschreibreform.com/Seiten2/Zitate/131Zitate.html:
die taz am 6.7.98:
„Das Bundesverfassungsgericht wird laut Focus die Beschwerde eines Lübecker Ehepaares gegen die Rechtschreibreform zurückweisen. Damit könne das umstrittene Reformwerk wie geplant zum 1. August eingeführt werden. Der Meinung der Richter zufolge könnten sich die Eltern nicht dagegen wehren, daß seit einem Erlaß an den Schulen Schleswig-Holsteins die neuen Schreibregeln gelten und ihre beiden Söhne danach unterrichtet werden. Das Grundrecht der Eltern auf eigenverantwortliche Kindererziehung werde nicht verletzt, berichtete das Magazin unter Berufung auf das Urteil, das am 14. Juli verkündet werden soll. Außerdem hielten es die Richter nicht für erforderlich, daß die Rechtschreibreform statt durch Erlaß per Gesetz eingeführt werde. Die Reform halte sich im Rahmen der bisherigen langjährigen Entwicklung der Schreibweise und beschränke sich darauf, widersprüchliche Regelungen zu beseitigen.“
http://www.germnews.de/archive/gn/1998/07/07.html#5
„BVG verkuendet Entscheidung um Rechtschreibreform trotz Klagerueckzug
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht will am kommenden Dienstag eine Entscheidung ueber die Verfassungsbeschwerde gegen die Rechtschreibreform verkuenden, obwohl die Klaeger ihre Beschwerde inzwischen zurueckgezogen haben. Mit dieser Mitteilung trat das BVG Spekulationen entgegen, das Urteil koennte nun hinfaellig geworden sein. Ein Luebecker Ehepaar, das gegen die Rechtschreibreform vor dem Verfassungsgericht geklagt hatte, reagierte mit dem Rueckzug auf das vorzeitige Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung. Nach einem Bericht des Magazins "FOCUS" will das BVG die Beschwerde zurueckweisen.“
eingetragen von Wolfgang Wrase am 13.03.2004 um 07.27
Gerade das Urteil des BVerfG ist geeignet, Herrn Lindenthal recht zu geben: Man darf nicht die Rechtspraxis mit Gerechtigkeit verwechseln und auch nicht mit der Idee der Grundrechte. Daß Rechte auch vor Gericht immer wieder mißachtet werden, ist nicht neu, allerdings beim BVerfG ungewöhnlich. Deshalb stimme ich Herrn Lindenthal im Prinzip zu: Eigentlich verletzt die Rechtschreibreform Grundrechte und gehört deswegen gerichtlich verboten. Andererseits hat unser höchstes Gericht anders entschieden - was ich als Skandal empfinde, genauso wie die Mißachtung der Volksgesetzgebung in Schleswig-Holstein durch die Vertreter des Volkes. Auf der pragmatischen Ebene stimme ich Herrn Metes zu: Es hat jetzt keinen Sinn mehr, nach einem höchsten Gericht zu rufen. Sonst läuft man mangels Realismus sehr schnell Gefahr, als Spinner eingestuft zu werden. Wenn, dann bitte im Konjunktiv: "Eigentlich hätte das Verfassungsgericht die Reform abschaffen müssen." Sonst könnte man auch fordern: "Bitte nochmal ein Volksentscheid in Schleswig-Holstein!" Ganz und gar berechtigt, aber leider nur Theorie. Der Zustand des Unrechts ist nun auch juristisch festgeklopft worden. Da kann man sich schon drüber empören, aber leider empfinden die meisten: "Es gibt Wichtigeres", und man kann damit keinen Blumentopf gewinnen.
eingetragen von Theodor Ickler am 13.03.2004 um 04.52
Nach unseren Erfahrungen mit dem Bundesverfassungsgericht ist der Rechtsweg gegen die Rechtschreibreform zwar nun aussichtslos, er ist und war aber nicht von vornherein abwegig. Das stellte seinerzeit auch Wolfgang Kopke in seiner juristischen Dissertation ausdrücklich fest. Vor "Karlsruhe" stand es ja sozusagen auf Messers Schneide.
Und was das Karlsruher Urteil selbst betrifft, so gibt es da noch einige dunkle Stellen aufzuklären. Es ist erwiesen, daß einer der beteiligten Richter (der Name ist mir bekannt) einer Journalistin schon Tage vor der Anhörung mitteilte, das Gericht wolle die Reform durchgehen lassen. Auch daß der damalige Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache den Ausgang des Verfahrens schon vor der Anhörung wußte und mir triumphierend mitteilte, ist wahr. Und wenn Herr Pflug es wußte, dann werden es die Kultusminister und ihre Abgesandten erst recht gewußt haben. Es ist nicht erlaubt, dem Gericht Rechtsbeugung vorzuwerfen, aber daß die Anhörung eine Farce war, wird man wohl noch behaupten dürfen.
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Th. Ickler
eingetragen von gestur am 12.03.2004 um 17.35
Artikel 5, Absatz (3) Grundgesetz: Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Durch Wörterverbote wird die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre eingeschränkt. (Gemeint sind Wörterverbote, die nicht von Absatz (2) erfaßt werden.)
Prüfenswert ist, ob Wörterverbote unter die in Absatz (2) erwähnten "allgemeinen Gesetze" fallen.
eingetragen von gestur am 12.03.2004 um 17.24
noch keine Zensur?
(Artikel 5 Absatz (1) Grundgesetz: Eine Zensur findet nicht statt.)
Absatz (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht auf persönliche Ehre.
Geschäftsbedingungen von Zeitungen dürfen Grundrechte nicht einfach aushebeln, sonst sind sie wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Prüfenswert ist es.
eingetragen von Detlef Lindenthal am 12.03.2004 um 15.20
Lieber Herr Metes,Jörg Metes schrieb:
Detlef Lindenthal schrieb:
Wörterverbote sind Sprachverbote und damit Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen und gehören vor internationale und nationale Gerichtshöfe.
Wenn fünfzig Rechtswissenschaftler diesen Weg offenbar nicht für gangbar halten (sonst würden sie ihn schätzungsweise beschreiten, statt Petitionen zu schreiben), dann sollten vielleicht auch Sie sich endlich einmal von der Idee verabschieden, Herr Lindenthal.
aus meiner Sicht ist die Sache so: Wenn die klugen Geister dieser Welt sich vor allem den Ergebnissen anschließen würden, die von den anderen collegas oder professores mehrheitlich oder durchschnittlich gutgeheißen werden, dann hätte es keine Bibelübersetzung und keine Atlantiküberquerung und keinen Volksentscheid in Schleswig-Holstein gegeben.
Gerechtigkeit und wissenschaftlicher Fortschritt entscheiden sich nicht aufgrund mehrheitlicher Abstimmungen, sondern danach, was richtig ist. Was richtig ist, entscheidet sich durch das in der Wissenschaft bewährte abwägende (dialektische) Verfahren: Verschiedene Möglichkeiten dürfen und sollen genannt werden, und dann sind diese mit dem sonst bekannten Wissen und mit der bewährten logischen Schlußweise zu überprüfen und abzuwägen.
Damit Ihr Einwand mit der durch Sie vermuteten Meinung der 50 Rechtsprofessoren standhalten kann, sehe ich es als nötig an, daß Ihre Vermutung nachgeprüft wird, indem diese 50 Professoren befragt und deren Antworten hier angezeigt werden.
Ich kann mir gut vorstellen, daß viele unserer Foristen und Leser erfahren wollen, welche Möglichkeiten die Wissenschaft für den Umgang mit Wörterverboten sieht – sicherlich ist das auch für die Juristen Neuland; hat es solche Verbote in der Weltgeschichte überhaupt schon einmal gegeben??
Im übrigen behalte ich mir auch weiterhin vor, über richtig und nicht richtig nach eigenem Denken zu befinden.
Mit dieser Sicherheit kann ich überaus freundlich grüßen;
Ihr
Detlef Lindenthal
eingetragen von Jörg Metes am 12.03.2004 um 11.36
Zitat:Wenn fünfzig Rechtswissenschaftler diesen Weg offenbar nicht für gangbar halten (sonst würden sie ihn schätzungsweise beschreiten, statt Petitionen zu schreiben), dann sollten vielleicht auch Sie sich endlich einmal von der Idee verabschieden, Herr Lindenthal.
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal (im Strang "Ickler Wörterbuch / GZS")
Wörterverbote sind Sprachverbote und damit Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen und gehören vor internationale und nationale Gerichtshöfe.
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Jörg Metes
eingetragen von Dominik Schumacher am 10.03.2004 um 07.35
13:29 14.02.2004 Professoren verlangen Rückkehr zur alten Rechtschreibung
Umstritten: Die neue Rechtschreibung [Bild: Keystone]Mehr als 50 Professoren fordern in einem Appell an die Parlamente in der Schweiz, Deutschland und Österreich die Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Die Rechtschreibreform weise schwerwiegende Mängel auf, halten sie fest.
[sda] - Die grosse Zahl offensichtlicher Missgriffe machten das Reformwerk schlicht unbrauchbar, heisst es in der Petition, die der deutschen Nachrichtenagentur dpa vorlag. Die jüngst vorgeschlagenen Änderungen vergrösserten das bereits angerichtete Chaos, heisst es weiter.
Ausserdem "könne erwartet werde, dass eine kompliziertere Rechtschreibung beizubehalten sei, wenn sie zum Kulturgut gehört", sagte Manfred Rehbinder, Professor der Universität Zürich auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Die Professoren aus Deutschland und der Schweiz, überwiegend renommierte Rechtswissenschafter, beklagen gravierende Mängel, die die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache zerstörten und die Aussagekraft und Ausdrucksvielfalt der Sprache gefährdeten.
Zudem würden die neuen Regeln vom überwiegenden Teil der Sprachgemeinschaft nicht akzeptiert. In öffentlichen Publikationen häuften sich Fehler sowie die unterschiedlichsten Schreibweisen. Konsequenz müsse die Rückkehr zur alten Rechtschreibung sein. Neue Rechtschreibung
eingetragen von gestur am 09.03.2004 um 22.13
Es ist hier schon mehrfach ausdiskutiert worden, daß - verkürzt gesagt - Deutsch, Englisch und Französisch entsprechend der Wortbildung geschrieben werden und die meisten übrigen - indogermanischen - Sprachen nach der Aussprache, wobei Italienisch und Spanisch dafür die wichtigsten Beispiele sind. Aber auch Bairisch wird rein phonetisch geschrieben. Das erschwert das Lesen bei Ludwig Thomas Bauerngeschichten.
Vorteil der Ersteren: Man erkennt ein Wort schon auf den ersten Blick. Nachteil der Letzteren: Man muß sich ein Wort halblaut vorlesen, um es zu erkennen. Z.B. italienisch "filosofia".
Seit ich meiner Enkeltochter immer wieder einpräge "Deutsch wird nach der Wortbildung geschrieben (Ausnahme: "Eltern")", macht sie weniger Fehler.
eingetragen von margel am 09.03.2004 um 19.36
Den Herren Markner und Schubert herzlichen Dank! Ich sage mal mit Lichtenberg: Hinlänglicher Stoff zum Stillschweigen.
eingetragen von Reinhard Markner am 09.03.2004 um 18.30
Der griechische Buchstabe Phi wird im Lateinischen mit ph transkribiert. Daher also unsere Schreibung. Im Neugriechischen gibt es den Buchstaben noch immer, und in den kyrillisch geschriebenen Sprachen ebenfalls. Er wird allerdings in Transkriptionen mit f wiedergegeben (so auch im Serbischen, wenn es mit lateinischen Lettern geschrieben wird). An deutschen Schulen werden also seit jeher ganz überwiegend Sprachen gelehrt, die das Phi kennen. Nichts anderes meinten die Juristen.
eingetragen von Peter Schubert am 09.03.2004 um 18.26
Herr Margel, Sie haben 13 fremde Sprachen aufgezählt, darunter einige, die nicht mit lateinischer Schrift geschrieben werden. Natürlich kann ich nicht mal diese 13 Fremdsprachen, aber ich bin mir sicher, daß keine davon das griechisch-lateinische ph als ph wiedergibt.
Zwischen "Fremdsprachen" und "fremden Sprachen" habe ich nicht differenziert. Ich meinte alles, was nicht deutsch ist. Die Schätzungen der Fachleute, wie viele Sprachen das sind, schwanken zwischen 3000 und 6000. Sie, Herr Margel, als Schweiz-Kenner werden das verstehen, wenn Sie bedenken, ob Luzerndüütsch, Züritüütsch, Baselditsch und Schriftdüütsch eine, zwei, drei oder vier Sprachen sind.
Vom "deutschen Sonderweg" möchte ich bei Sprachfragen nicht sprechen. Einige Besonderheiten haben wir schon, z. B. die Substantivgroßschreibung und unsere Satzstellung, die jeden Life-Dolmetscher zur Verzweifling bringt ("Bitte, bitte, bringen Sie das Verb nach vorn").
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Peter Schubert
eingetragen von margel am 09.03.2004 um 17.43
Ich erhoffe mir von Ihnen einen Überblick, eben weil mir die Literatur nicht zur Verfügung steht und ich nicht immer rumgoogeln will. Im übrigen ist die Orthographie fremder Sprachen erst einmal völlig unerheblich bei der Beurteilung der eigenen. Man landet sonst schnell beim "deutschen Sonderweg" (Prof. Ickler hat das schon einmal leicht karikierend ad absurdum geführt.). Haben Sie meine feinsinnige Unterscheidung zwischen "Fremdsprachen" und "fremden Sprachen" gebührend gewürdigt, lieber Herr Schubert?
eingetragen von Peter Schubert am 09.03.2004 um 17.16
Nein, natürlich kenne auch ich nicht alle Fremdsprachen. Aber, lieber Margel, ist denn unter den Fremdsprachen, die an Ihrer Volkshochschule gelehrt werden, eine, die zum Beispiel "Physik" mit Ph schreibt?
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Peter Schubert
eingetragen von Theodor Ickler am 09.03.2004 um 16.16
Das Argument mit den Fremdsprachen ist zwar nicht sehr schlüssig, aber was ich anderswo als Beispiel angeführt habe, war immerhin authentisch: Auf dem Einband des Englischbuches meiner jüngsten Tochter wurden "Lerntipps" angepriesen. Das ist schon recht unpädagogisch, zumal es auch dem Grundsatz der Reformer widerspricht, nur solche Fremdwörter einzudeutschen, bei denen dies schon im Gange ist und kein allgemein üblicher internationaler Gebrauch dagegensteht (so steht es im vierten Bericht).
Es ist schon früh (von Munske, mir und anderen) daran erinnert worden, daß Deutsch, Englisch und Französisch in orthographischer Hinsicht eine Sondergruppe unter den großen Sprachen Europas bilden. Deshalb verfängt der Hinweis auf Spanisch oder Italienisch usw. nicht, soweit es sich bloß um einzelne Wörter handelt. Man muß immer das Ganze im Auge behalten, die "Prinzipien", wie die Reformer etwas übertreibend sagen.
Die von margel gewünschten Übersichten hat Munske angefertigt, einiges davon steht in seinem Buch "Orthographie als Sprachkultur".
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Th. Ickler
eingetragen von margel am 09.03.2004 um 15.52
Also, ich muß Herrn Schubert (schön, daß Sie sich wieder zu Wort melden, Herr Schubert!) mal in Schutz nehmen, obwohl er sich möglicherweise dafür bedankt. Mit "Fremdsprachen" meint er sicher, wie auch die Professoren, die in Deutschland an Schulen usw. angebotenen. Ganz gewiß nimmt er nicht für sich in Anspruch, alle fremden Sprachen zu kennen. "Insbesondere" finde ich trotzdem korrekt, Herr Schubert. Es heißt hier einfach "zum Beispiel". Von einem "Eigentor" zu sprechen, erscheint mir voreilig. - An unserer Volkshochschule werden u.a. Schwedisch, Neugriechisch, Russisch, Arabisch, Portugiesisch, Dänisch, Norwegisch, Japanisch, Serbisch, Kroatisch, Türkisch, Tschechisch, Polnisch angeboten. Vielleicht könnte Herr Schubert einmal einen vergleichenden Überblick geben.
eingetragen von Reinhard Markner am 09.03.2004 um 14.37
Herr Schubert kennt alle Sprachen dieser Welt, das ist bewundernswert. Ich kenne nur einige, zum Beispiel das Niederländische. Hier schreibt man zum Beispiel potentiaal.
eingetragen von Peter Schubert am 09.03.2004 um 12.38
In der "Petition" der 50 Rechtswissenschaftler heißt es: "Die Neuregelung hat auch erhebliche Auswirkungen auf das Erlernen wichtiger Fremdsprachen, insbesondere des Englischen und Französischen." Es folgen 7 Beispiele (Orthografie - orthography - orthographie u. a.).
Hierzu: Es sind nur diese beiden Fremdsprachen, nicht "insbesondere". In allen anderen Fremdsprachen werden diese Wörter ähnlich wie im Reformdeutsch geschrieben, z. B. Spanisch:
ortografía
esencial
potencial
catarro
pantera
faceta
comunicado.
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Peter Schubert
eingetragen von Dominik Schumacher am 09.03.2004 um 12.02
50 Professoren verlangen im Februar 2004 Rückkehr zur bewährten RechtschreibungIn einem eindringlichen Appell an den Deutschen Bundestag, die deutschen Landtage, den Nationalrat der Republik Österreich und den Nationalrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft fordern über 50 renommierte Rechtsprofessoren, in der Mehrzahl Zivil- und Staatsrechtslehrer, die sofortige Beendigung des Projekts "Rechtschreibreform".
Diese Petition ist auch als PDF zu laden, nur 30 K
Rechtswissenschaftler
für die bewährte
Rechtschreibung
Im Februar 2004
Petition zur Beendigung des Rechtschreibreformprojekts
‹Anrede›,
nach Jahren der Erprobung der in der Gemeinsamen Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung Wiener Absichtserklärung vom 1. Juli 1996 in Aussicht genommenen Rechtschreibreform zeigt sich in aller Deutlichkeit, daß das Vorhaben schwerwiegende Mängel aufweist. Diese werden freilich bei einer nur oberflächlichen Befassung mit dem Reformwerk und bei der Lektüre einfacher Texte nicht in ihrer ganzen Tragweite wahrgenommen. Manch einer, der inzwischen meint, sich auf das neue Regelwerk einstellen zu müssen, schenkt denn auch den Beteuerungen der Mitglieder der Rechtschreibkommission Glauben, die reformierte Rechtschreibung komme mit nur 112 Regeln aus, die insgesamt in sich schlüssig und leicht erlernbar seien.
Eine gründliche Auseinandersetzung mit der Neuschreibung zeigt jedoch, daß diese Beteuerungen alles andere als zutreffend sind. Der Mainzer Sprachwissenschaftler Werner H. Veith hat nämlich nachgewiesen, daß das neue Regelwerk neben seinen Hauptregeln 1106 Anwendungsbestimmungen in Form von Unterregeln, Spezifikationen, Kannbestimmungen, Bedingungen, Listen und Verweisen umfaßt. Um das Reformwerk „korrekt“ anzuwenden, müßte man diese auswendig lernen. Schon deshalb befürchten wir, die Unterzeichner dieser Petition, daß selbst nach Jahren der Erprobung niemand das neue Regelwerk beherrscht.
Im übrigen erschließt sich das Ausmaß an Unprofessionalität, mit dem das Reformwerk angegangen wurde, erst bei eingehenderem Studium der einzelnen Regeln und Anwendungsbestimmungen. Darauf mag es bei einfach gelagerten Texten nicht immer ankommen; die genaue Kenntnis ist aber bei komplizierteren Inhalten, etwa in Wissenschaft und Dichtung, unabdingbar. Die dann in Erscheinung tretenden gravierenden Mängel der Neuschreibung sind das Ergebnis einseitiger, verkürzter oder schlicht falscher Betrachtungen der deutschen Sprache von Grammatik, Semantik und Phonetik sowie unausgewogener Formelkompromisse der verantwortlichen Kommissionsmitglieder. Die überaus große Zahl der Mißgriffe macht das Reformwerk für komplexe Texte geradezu unbrauchbar. Die Rechtschreibung muß sich aber für sämtliche Textarten eignen. Schon dieser Umstand disqualifiziert das Reformwerk.
Da die geänderte Rechtschreibung in ihrer Gesamtheit willkürlichen, der Sprache nicht gerecht werdenden Strukturen folgt, führt auch jede Reform der Reform zu keinem vernünftigen Ergebnis. Dies gilt erst recht für die jüngst von der Rechtschreibkommission vorgeschlagenen Änderungen, die sich einem rationalen Zugriff entziehen und das bereits angerichtete Chaos nur vergrößern. Deshalb halten wir es für unerläßlich, daß sich der Deutsche Bundestag, die deutschen Landtage, der Nationalrat der Republik Österreich sowie der Nationalrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit diesem auf Verwaltungsebene beschlossenen Reformvorhaben befassen und seine Beendigung beschließen. Zu diesem Zweck bitten wir Sie, die nachfolgende Petition an die für die Entscheidung zuständigen Gremien weiterzuleiten. Die Petition hat folgende Ziele:
- die Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung Wiener Absichtserklärung vom 1. Juli 1996 mit sofortiger Wirkung zu kündigen;
- sämtliche zur Umsetzung der Wiener Absichtserklärung erlassenen Regelungen umgehend aufzuheben. Dabei ist den Schulen eine angemessene Übergangsfrist einzuräumen;
- darauf hinzuwirken, daß die mit der Rechtschreibreform befaßten Kommissionen von ihren Aufgaben zur Beobachtung und Fortentwicklung der Reform entbunden werden.
G r ü n d e :
Nachfolgend weisen wir auf einzelne Hauptmängel der reformierten Rechtschreibung hin und geben dafür einige wenige Beispiele an, die oft für eine Vielzahl anderer Ungereimtheiten, Systembrüche oder Unrichtigkeiten stehen. Danach machen wir auf einzelne Gesichtspunkte aufmerksam, auf Grund derer die umgehende Beendigung der Erprobung der neuen Rechtschreibung nicht nur möglich ist, sondern auch den einzig sinnvollen Weg darstellt.
I. Defizite der Rechtschreibreform
Die erheblichen Defizite der Rechtschreibreform sind inzwischen in der öffentlichen Diskussion hinlänglich belegt:
- Durch frei erfundene Regeln, die der deutschen Sprache nicht gerecht werden, vor allem zur Getrennt- und Zusammenschreibung, wird ein beträchtlicher Teil des bestehenden Wortschatzes eliminiert.
Beispiele nicht mehr existierender Wörter:
alleinstehend, allgemeinbildend, aufwärtsgehen, auseinandersetzen, bekanntmachen, bewußtmachen, dahinterkommen, fallenlassen, fertigbringen, fertigstellen; hängenbleiben, Handvoll, kennenlernen, laufenlassen, naheliegend, nahestehend, nebeneinandersitzen, nichtssagend, offenbleiben, richtigstellen, schiefgehen, schwerfallen, sitzenbleiben, sogenannt, stehenlassen.
- Die reformierte Groß- und Kleinschreibung ist in sich inkonsequent und widersprüchlich.
Beispiele:
Der letzte Wille (auch im Sinn der letztwilligen Verfügung), aber: das Letzte Gericht; Pleite gehen, aber: pleite sein; recht machen, aber: Recht bekommen.
- Die neue Rechtschreibung verstößt gegen grundlegende Regeln der Grammatik und Semantik. Sie verlangt damit falsche Schreibweisen.
Beispiele:
Es tut mir sehr Leid; er hat Recht; es tut Not; im Übrigen; des Öfteren; des Weiteren; heute Morgen; gestern Abend.
- Die reformierte Rechtschreibung mißachtet die Phonetik. Neue Schreibweisen verstoßen gegen die natürliche Betonung und suggerieren eine falsche Aussprache.
Beispiele:
mithilfe, gesprochen aber: mit Hilfe; zurzeit, gesprochen aber: zur Zeit.
- Das Reformwerk erschwert u. a. durch eigenwillige Regeln der Silbentrennung die Lesbarkeit von Texten.
Beispiele:
Tee-nager, Seee-lefant, Obst-ruktion, Etatü-berschreitung, I-mage, vol-lenden, beo-bachten, vere-helichen, Preise-lastizität, Pressea-gentur, alla-bendlich, durcha-ckern, Hause-cke.
- Die neuen Kommaregeln erschweren das Erfassen selbst kürzerer Satzpassagen. Die für das Deutsche typischen komplexen Satzgefüge werden oft undurchschaubar.
Beispiele:
Er ging gestern von allen wütend beschimpft zur Polizei.
Er schwört vor dem Gerichtshof die volle Wahrheit gesagt zu haben.
- Bei zusammengesetzten Wörtern werden die Binnengrenzen durch die Neuschreibung verdunkelt. Die Wortfuge ist nur schwer zu erkennen.
Beispiele:
Flussschifffahrt, Prozessserie, Nachlasssache, Verschlusssache, Schlosserkundung, Schlammmassen, Messergebnis, Missstimmung.
- Willkürlich abgeänderte, pseudoetymologisch abgeleitete und damit der ursprünglichen Bedeutung nicht mehr entsprechende Schreibweisen führen zur Verunsicherung und Verwirrung von Schreiber und Leser. In manchen Fällen lassen sich verschiedene Bedeutungen gar nicht mehr voneinander unterscheiden.
Beispiele:
schnäuzen wegen Schnauze; verbläuen wegen blau; Gämse wegen Gams, aber Eltern trotz alt; Tollpatsch wegen toll; belämmert wegen Lamm; gräulich wegen Grauen (ebenso wie gräulich von grau); Rauheit wegen rau, aber Rohheit und Jähheit, dann jedoch: Hoheit.
- Bei zusammengesetzten Partizipien bietet die reformierte Rechtschreibung eine totale Regellosigkeit.
Beispiele:
Not leidend (Bevölkerung), aber: notleidend (Kredit); Heil bringend und heilbringend, aber nur: Unheil bringend; Musik liebend und musikliebend, aber nur: tierliebend; Kosten sparend und kostensparend, aber nur: kostendeckend.
- Sachlich nicht begründete Schreibvarianten erzwingen ein häufiges Nachschlagen in den (voneinander abweichenden und sich ständig verändernden) Wörterbüchern.
Beispiele:
Alptraum und Albtraum
Spaghetti und Spagetti
hoch begabt und hochbegabt (gleiche Bedeutung)
hochgesteckt (Haar) und hoch gesteckt (Ziel)
hochkonzentriert (Schüler) und hoch konzentriert (Säure)
hochgestellt (Zahl) und hoch gestellt (Persönlichkeit)
selbständig und selbstständig
imstande sein und im Stande sein
hierzulande und hier zu Lande
aufwendig und aufwändig
infrage stellen und in Frage stellen
wohl erzogen und wohlerzogen (gleiche Bedeutung)
Eine Kuriosität: das In-Kraft-Treten, aber: die Inkraftsetzung
- Das neue Regelwerk ist wegen seiner unklaren Abfassung, seiner unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten und seiner immanenten Widersprüche wesentlich schwerer zu erlernen und zu lehren als die traditionelle Rechtschreibung.
- Selbst die vielgepriesene neue ss-Schreibung hat nachweislich zu einer deutlich erhöhten Fehleranfälligkeit geführt.
Beispiele für häufig gemachte Fehler:
Strasse (statt Straße), Busse (statt Buße), Grüsse (statt Grüße), Schliessfach (statt Schließfach), ausserdem (statt außerdem); er weiss (statt er weiß sie heisst (statt sie heißt).
- Die Neuregelung hat auch negative Auswirkungen auf das Erlernen wichtiger Fremdsprachen, insbesondere des Englischen und Französischen.
Beispiele:
Orthografie (auch Orthographie) englisch: orthography
französisch: orthographeessenziell (auch essentiell) englisch: essential
französisch: essentiel, lePotenzial (auch Potential) englisch: potential
französisch: potentielKatarr (auch Katarrh) englisch: catarrh
französisch: catarrhePanter (auch Panther) englisch: panther
französisch: panthèreFassette (auch Facette) englisch: facet
französisch: facetteKommunikee (auch: Kommuniqué englisch: communiqué
französisch: communiqué
- Aufgrund der Ungereimtheiten wird das neue Regelwerk praktisch von niemandem beherrscht. Nicht einmal amtlich verkündete Gesetzestexte sind fehlerfrei in neuer Rechtschreibung abgefaßt. Die Fehlerhäufigkeit in den öffentlichen Publikationsorganen hat erheblich zugenommen. Überhaupt existieren die unterschiedlichsten Schreibweisen. Dies gilt nicht nur für die im Handel erhältlichen Lexika, die ihrerseits von Auflage zu Auflage wesentlich voneinander abweichen, sondern auch für die Hausorthographien von Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlagen sowie von Firmen.
- Die gravierenden Mängel der sog. Rechtschreibreform zerstören die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache, beeinträchtigen deren Aussagekraft und Ausdrucksvielfalt und gefährden damit in hohem Maße die Stellung des Deutschen im Ausland.
II. Mögliche Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung
Die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung ist nicht nur möglich, sondern die allein sinnvolle Alternative zu den mit dem neuen Regelwerk verbundenen Problemen. Dies ergibt sich bereits aus folgenden Überlegungen:
- Die Rechtschreibreform ist lediglich ein Modellversuch, der nach seinem eigenen Selbstverständnis als Formelkompromiß der Überprüfung und Erprobung bedarf und daher im Fall der Nichtbewährung auch wieder aufgegeben werden kann.
- Die neuen Regeln werden vom überwiegenden Teil der Sprachgemeinschaft nicht akzeptiert und angewandt. Vielmehr wird weiterhin in bewährter Rechtschreibung geschrieben.
- Die tradierte Rechtschreibung wird praktisch von der gesamten Sprachgemeinschaft beherrscht, selbst von jenen Personengruppen, die sich inzwischen unter dem Zwang der Verhältnisse darum bemühen, das neue Regelwerk anzuwenden. Bei einer Umstellung wird einfach wieder das Rechtschreibprogramm geändert.
- Soweit die Neuregelung an den Schulen gelehrt wird, ist eine Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung ebenfalls ohne wirkliche Probleme möglich, weil in den ersten vier Schuljahren nur sehr wenige Wörter (bis maximal vierzig) vom neuen Regelwerk betroffen sind. Schüler höherer Jahrgänge verwenden ohnehin noch häufig die bewährte Rechtschreibung. Die im Unterricht behandelten literarischen Werke sind nahezu ausnahmslos in traditioneller Rechtschreibung gehalten. Anfangsschwierigkeiten lassen sich durch angemessene Übergangsfristen bereinigen. Ein Chaos ist dabei ausgeschlossen. Damit entfällt das Hauptargument für die Fortsetzung des Reformprojekts.
- Eine sprachwissenschaftlich ohnehin zum Scheitern verurteilte Reform der Reform würde von allen Beteiligten ein erneutes Umlernen und eine Umstellung sämtlicher Druckwerke erfordern. Sie ist schon deshalb nicht praktikabel. Überdies ist nach den bisherigen Erfahrungen mit der Rechtschreibreform nicht damit zu rechnen, daß ein schrittweiser Rückbau der Reform geeignet wäre, eine allgemein akzeptierte Rechtschreibung durchzusetzen.
- Eventuell bestehender Reformbedarf läßt sich nachvollziehbar lediglich auf der Grundlage der tradierten Rechtschreibung als dem der reformierten Schreibweise deutlich überlegenen Regelwerk ermitteln und auf der Grundlage der faktischen Handhabung durch die Sprachgemeinschaft umsetzen. Einer Bevormundung durch eingesetzte Kommissionen bedarf es dazu nicht.
III. Entscheidung durch die Parlamente
Die Entscheidung über die Rückkehr zur tradierten Rechtschreibung treffen sinnvollerweise die zuständigen Parlamente, da die Exekutive wegen ihrer Vorbefassung mit dem Reformwerk dazu nicht mehr geeignet erscheint.
Hinzu kommt, daß die für weite Teile der Sprachgemeinschaft überraschende Einführung des Reformwerks bei vielen Betroffenen den Eindruck der demokratisch nicht legitimierten Bevormundung durch die Exekutive hervorgerufen hat. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat zwar im Hinblick darauf, daß das neue Regelwerk grundsätzlich keine rechtlichen Wirkungen entfaltet, einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip nicht angenommen. Dies ändert politisch aber nichts an dem Umstand, daß die Aktivitäten der Kultusverwaltungen dem Vertrauen in die demokratisch legitimierte Staatsgewalt erheblichen Schaden zugefügt haben.
Aus Verantwortung für die deutsche Rechtschreibung, die deutsche Sprache und deren Bedeutung im internationalen Bereich fordern wir daher in Übereinstimmung mit den deutschen und ausländischen Schriftstellern, den deutschen Akademien der Wissenschaften und der Schönen Künste sowie den Sprach- und Literaturwissenschaftlern an in- und ausländischen Universitäten eindringlich, umgehend wie beantragt zu entscheiden.
Professor Dr. Heinz-Dieter Assmann
Eberhard-Karls-Universität TübingenProfessor Dr. Christian Berger
Universität LeipzigProfessor Dr. Dieter Blumenwitz
Julius-Maximilians-Universität WürzburgProfessor Dr. Winfried Brohm
Universität KonstanzProfessor Dr. Christian Calliess, M.A.E.S., LL.M. Eur
Georg-August-Universität GöttingenProfessor Dr. Dr. h.c. mult. Claus-Wilhelm Canaris
Ludwig-Maximilians-Universität MünchenProfessor Dr. Wolfgang Däubler
Universität BremenProfessor Dr. Steffen Detterbeck
Philipps-Universität Marburg/LahnProfessor Dr. Ulrich Eisenhardt
Fernuniversität HagenProfessor Dr. Hans Forkel
Julius-Maximilians-Universität WürzburgProfessor Dr. Gilbert Gornig
Philipps-Universität Marburg/LahnProfessor Dr. Georgios Gounalakis
Philipps-Universität Marburg/LahnProfessor Dr. Reto Hilty Max-Planck-Institut für ausl. u. intern.
Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht München
Universität ZürichProfessor Dr. Martin Ibler
Universität KonstanzProfessor Dr. Dr. h.c. Othmar Jauernig
Universität HeidelbergProfessor Dr. Abbo Junker
Georg-Albrechts-Universität GöttingenProfessor Dr. Dr. h.c. Gerhard Kegel
Universität zu KölnProfessor Dr. Bernd-Rüdiger Kern
Universität LeipzigProfessorin Dr. Eva-Maria Kieninger
Julius-Maximilians-Universität WürzburgProfessor Dr. Winfried Kluth
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Rheinische Friedrich-Wilhelm-Universität BonnProfessor Dr. Helmuth Köhler
Ludwig-Maximilians-Universität MünchenProfessor Dr. Stephan Korioth
Ludwig-Maximilians-Universität MünchenProfessor Dr. Jan Kropholler
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Universität HamburgProfessor Dr. Kurt Kuchinke
Julius-Maximilians-Universität WürzburgProfessor Dr. Stefan Lorenz
Ludwig-Maximilians-Universität MünchenProfessor Dr. Heinz-Peter Mansel
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Universität KonstanzProfessor Dr. Stefan Muckel
Universität zu KölnProfessor Dr. Joachim Münch
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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brsg.Professor Dr. Heinrich de Wall
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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Brsg.Professor Dr. Jan Ziekow
Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
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