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eingetragen von Reinhard Markner am 24.07.2002 um 14.02

Das Adjektiv "hell", ursprünglich auf den (nicht-dumpfen) Klang bezogen, hat sich auf den optischen Bereich ausgedehnt und das früher vorherrschende "licht" verdrängt. Das tautologische Nebeneinander von "hell" und "licht" findet sich schon bei der Bezeichnung des "hellen lichten Haufens", den Götz von Berlichingen während der Bauernkriege durch den östlichen Odenwald führte, im Unterschied zu Florian Geyers "dunklem Haufen".

Während sich bis auf Goethes Tod keine Belege für "hellicht" finden lassen, begegnet die Doppelung "hell + licht" recht häufig. Der früheste Nachweis für die Zusammenschreibung ist Johann Nestroys Komödie Zu ebener Erde und erster Stock. Der Erstdruck von 1838 hat "helllichter Tag" (die ersten beiden l als Frakturligatur).

So weit spricht alles für die Vermutung, daß "hell(l)icht" eine Kontraktion von "hell + licht" ist. Julius Haltenhoff : Zur Geschichte des nhd. Adjektivsuffixes -icht und seiner Verwandten, Diss. Heidelberg 1904, geht denn auch mit keiner Silbe auf das Wort "hellicht" ein. Interessant sein Fazit : "In der heutigen Schriftsprache kann das Adjektivsuffix -icht, ausser in 'thöricht', als erstorben betrachtet werden." (S. 70) Haltenhoff schilt die Wörterbuchmacher, die eine größere Anzahl dieser Bildungen weiterhin aufführen. "Duden hat [. . .] willkürlich eine grössere Menge aus dem möglichen, früher vorhandenen Wortvorrat herausgegriffen und sie unbesehen vorgelegt. [. . .] Ich würde es bedauern, wenn der ganze Ballast von icht-Ableitungen noch weiterhin durch unsere 'orthogr. Wtb.' mitgeschleppt würde." (S. 72) Wie gesehen, verging noch ein halbes Jahrhundert, bis die letzten Lemmata verschwanden.

Nur ein Jahr nach Haltenhoff wurde eine zweite Arbeit zum Thema vorgelegt. Hermann Schwarz : Das Suffix 'lich(t)' bei Adjektiven im Neuhochdeutschen, Diss. Freiburg i. Br. 1905, hebt den regionalen Aspekt hervor : "Das eigentliche Sprachgebiet, auf dem sich der Vorgang der Bildung von Adjektiven mit dem besprochenen Suffix vollzog, ist Oberdeutschland. Während in der Schriftsprache zuerst ein Anwachsen stattfindet, dann ein Höhepunkt erreicht wird und darauf wieder ein Rückgang eintritt, ist in den oberdeutschen Mundarten, woselbst die ganze Erscheinung im Mittelhochdeutschen zum erstenmal begegnet, von dieser Zeit ab ein langsames, stetiges Fortschreiten zu beobachten, so daß heute im Gegensatz zur Schriftsprache diese Bildungsweise im Oberdeutschen in reichstem Maße entwickelt ist. / Am zahlreichsten sind diese Ableitungen auf alemannischem Boden anzutreffen; besonders die elsässische und schweizerische Mundart weisen eine Fülle solcher Adjektiva auf." (S. 22)

Hier nun begegnet auch die Form "hellecht" als Bildung aus "hell" und "-echt", vgl. E. Martin, H. Lienhart : Wörterbuch der elsässischen Mundarten, Bd. 1, Straßburg 1899, S. 554. Das Wort wird allerdings ohne Beleg gebucht.


eingetragen von Reinhard Markner am 21.07.2002 um 21.04

Das Wörterverzeichnis von 1902 führt noch auf :
regnicht
stachlicht
steinicht
Alle diese Formen sind noch mindestens bis 1934 im Duden enthalten.


eingetragen von Reinhard Markner am 23.06.2002 um 13.24

Gehört auch noch zu der Sippe.

***

Adelung und Campe führen »hellicht« nicht auf. Heyne (Grimm, Bd. 4) schreibt »helllicht« und gibt als Erläuterung : »ganz, durchaus licht«. Er deutet also »hell« im Sinne von dän. hel, engl. whole. Leuchtet mir nicht ein, zeigt doch der ganze Artikel »hell«, daß »hell« im Deutschen nicht mehr für »ganz« steht.


eingetragen von Theodor Ickler am 23.06.2002 um 13.21

Das sind echte Suffix-Ableitungen von Substantiven, vgl. W. Henzen, Deutsche Wortbildung S. 199 ff.
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 23.06.2002 um 06.55

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Mir ist keine andere Herleitung als die Zusammensetzung aus den Adjektiven hell und licht bekannt
Und - siehe die Glosse, auf die ich eingangs verwiesen habe - töricht, stachlicht, rosicht etc.? Wie wären die dann herzuleiten?
-Oder auch eklicht!

"Durchlauchtigster! Du Sieger vieler Schlachten!
Dies is 'ne eklichte Geschicht'!"


(Fritz Reuter, Läuschen un Rimels, "Von den ollen Blüchert")

Oder schwielicht:

"Nichts wird leichter kallös und schwielicht als das mitleidige Gefühl."

(Jean Paul, Der Jubelsenior)
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Jörg Metes


eingetragen von Theodor Ickler am 23.06.2002 um 06.38

Mir ist keine andere Herleitung als die Zusammensetzung aus den Adjektiven hell und licht bekannt. Bei der Silbentrennung hat man seit je drei l geschrieben. Die Neuschreibung ist allerdings noch einen Grad dümmer als bei Schifffahrt, weil das Herkunftsbewußtsein so unlebendig ist wie bei dennoch.
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 23.06.2002 um 01.11

Ich sagte ja ausdrücklich »beinahe obsolet«. Wenn Wörter beinahe ausschließlich in stehenden Wendungen vorkommen, sind sie ebendies. Es ist natürlich jedem unbenommen, je nach Stilempfinden Wiederbelebungsversuche zu unternehmen und die betreffenden Wörter aus ihren Einfriedungen zu befreien.


eingetragen von Martin Reimers am 22.06.2002 um 22.46

Natürlich gehört das Wort "hellicht" für die meisten Leute nicht zum täglichen Sprachgebrauch. Es beschränkt sich wohl fast ausschließlich auf die Wendung "am hellichten Tage", wie das ja Herr Metes schon bemerkt hat.

Wir sollten uns aber trotzdem hüten, Herr Markner, irgendwelche Wörter als "obsolet" zu bezeichnen, zumindest nicht solche in jeder Hinsicht unverdächtigen Exemplare. Die eigene Wortwahl ist ja nun nicht nur eine Frage des mehr oder weniger gelungenen "Transportierens von Inhalten" sondern auch die des eigenen Geschmacks und des Stils. (Das brauche ich ja hier nicht eigens zu betonen.)

Das Urteilen über die Existenzberechtigung von völlig harmlosen Lexemen sollten wir besser den amtlich bestellten Flurbereinigern überlassen. Daß den wachsamen Fürsprechern der "Normal- und Wenigschreiber" freilich schon die Zugehörigkeit eines Wortes zu einem eher gehobenen Stil ein Dorn im Auge sein muß, steht auf einem anderen Blatt. Ich weiß nicht, ob jemand schon einmal die lexikographische Abschußliste unter stilanalytischen Aspekten untersucht hat. Ich denke, dies könnte einiges aussagen über die zutiefst destruktiven Motive der ganzen Veranstaltung.

Nichts für ungut.


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Martin Reimers


eingetragen von Jörg Metes am 22.06.2002 um 20.34

Gern genommen wird hellicht halt immer noch in der Wendung Es geschah am hellichten Tag.
Das notorisch pfiffige 'SZ-Magazin' hatte sie neulich (7. oder 14.6.) sogar auf dem Titel; natürlich in der Reformschreibung helllichten.
Hätten die Reformer sich aus irgendeinem Grund für eine Schreibung mit vier l entschieden, hätte das 'SZ-Magazin' selbstverständlich auch hellllicht geschrieben. So ist sie, die Avantgarde des deutschen Journalismus.
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Jörg Metes


eingetragen von Reinhard Markner am 22.06.2002 um 20.01

Das Wort ist selten, beinahe obsolet, aber unter den sprachwissenschaftlichen Pleiten der Reformer dürfte die Neuschreibung ganz oben stehen.


eingetragen von Jörg Metes am 22.06.2002 um 18.55

Die Vermutung, daß das Wort hellicht eine Zusammensetzung von hell und licht sei, hat die Reformer dazu veranlaßt, die Schreibweise helllicht einzuführen. Reinhard Niewisch zeigt uns in einer Glosse kurz, daß sie natürlich auch mit dieser Vermutung falsch lagen.
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Jörg Metes


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