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-- Staat und Sprache (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=417)


eingetragen von Sigmar Salzburg am 11.08.2023 um 04.17

Es gibt in Westdeutschland Schulklassen, die zu 90 bis 100 Prozent mit Kindern nichtdeutscher Herkunft besetzt sind und damit die künftige Zusammensetzung der Bevölkerung Deutschlands zeigen. Ursachenforschung und -benennung dieser Tatsache seien ...

... Anhaltspunkte dafür, dass »die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes für bestimmte Bevölkerungsgruppen infrage gestellt wird«, sagte Haldenwang dem ARD-Hauptstadtstudio. Als Beispiel nannte Haldenwang Äußerungen, in denen ein »ethnisches Volksverständnis« zum Ausdruck komme, etwa, indem der »Große Austausch« beschworen werde. Der Begriff »Großer Austausch« zählt zum Wortschatz der Neuen Rechten und beinhaltet insbesondere die Behauptung, die alteingesessene Bevölkerung Europas solle systematisch durch Zuwandererinnen und Zuwanderer aus Afrika, dem Nahen und dem Mittleren Osten ersetzt werden. Dies geht oftmals mit Verschwörungserzählungen einher.
spiegel.de 7.8.2023
(Nicht einmal das „amtliche“ Duden-Deutsch beherrscht der Spiegel in seinem Gender-Gestümper: die Wanderinnen.)

Ein wichtiger Teil der „Verschwörungserzählungen“ ist der Eifer, mit dem Frau Merkel, sogar aus Afrika, die Durchsetzung des „Compact for Migration“ betrieben hat und zu dessen Sicherung sie sogar ihren eifrigsten Propagandisten vom Parlament ins Bundesverfassungsgericht entsandt hat.

Alles nur unbegründete Phantasien von Leuten, die Deutschland als „Ethnozoo“ für Ewiggestrige erhalten wollen?


eingetragen von Sigmar Salzburg am 20.09.2019 um 07.55

Steinmeier ist ein Präsident der Phrasen

Das deutsche Staatsoberhaupt hat wenig Macht, es soll sich nicht in die Tagespolitik einmischen und trotzdem als Führungspersönlichkeit auf die Gesellschaft einwirken. Das einzige Mittel dafür ist die deutsche Sprache. Kaum einer hat sie je so schlecht behandelt wie der Amtsinhaber.

Marc Felix Serrao, Berlin 19.9.2019, 19:58 Uhr

Der deutsche Bundespräsident hat dem «Spiegel» vor ein paar Tagen ein Interview gegeben. Wer das nicht mitbekommen oder es schon wieder vergessen hat, muss sich nicht grämen. Er oder sie ist nicht allein.

Frank-Walter Steinmeier, 63 Jahre alt und seit 2017 Inhaber des höchsten Amts der Bundesrepublik, hat in seinem Leben noch kaum einen Satz formuliert, an den man sich erinnern könnte. Menschen, die ihn kennen, bezeichnen ihn als klug, sogar humorvoll. Aber sobald er öffentlich spricht, wirkt es, als würde er seiner Muttersprache den Krieg erklären. Neben einem stark ausgeprägten Hang zu Floskeln und Phrasen ist das, was Steinmeier inhaltlich sagt, auf eine Weise überraschungsfrei, dass es fast komisch wirkt. Wollte man eine Komödie über einen biederen Beamten drehen, der irrtümlich ins höchste Staatsamt purzelt und versucht, es irgendwie auszufüllen: Er wäre die Idealbesetzung.

Ein typischer Steinmeier-Satz klingt so: «Wenn Engagement für die Demokratie und Respekt vor den Institutionen der Demokratie nicht mehr selbstverständlich sind, sollten wir darüber nicht zur Tagesordnung übergehen.» Oder so: «Wenn wir die Demokratie gegen ihre Skeptiker verteidigen wollen, werden wir wohl einen etwas längeren Atem brauchen.» Wieviel Kaffee die «Spiegel»-Redakteure wohl gebraucht haben, um beim Abtippen solcher Sätze nicht wegzudämmern? [...]

Wie viele der bisher zwölf Präsidenten diesem Anspruch gerecht geworden sind, darüber liesse sich lange streiten. Fest steht, dass keiner an die Eleganz und die weltanschauliche Klarheit des ersten Staatsoberhaupts Theodor Heuss herangekommen ist. Als «Scholar and Gentleman» würdigte ihn die britische «Times» einmal. Kaum vorstellbar, dass Steinmeier zu solchen Ehren kommt. [...]

nzz.ch 19.9.2019


eingetragen von Sigmar Salzburg am 19.11.2011 um 15.16

Deutsch als Ausschußware

Ist unserem Land die deutsche Sprache noch etwas wert? Jüngste Ereignisse haben wieder einmal Zweifel daran gesät. Mit der politischen Stellung des Deutschen beschäftigte sich der Deutsche Bundestag in der vergangenen Woche gleich zweimal. Am Montag, 7. November, beriet der Petitionsausschuß über die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz. Am Mittwoch, 9. November, sprach der Rechtsausschuß über den Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einführung von Englisch als weiterer Gerichtssprache in Deutschland.

Zumindest das Zustandekommen der ersten der beiden Sitzungen schien zunächst ein Erfolg zu sein: Obwohl die Petition für „Deutsch ins Grundgesetz“ weniger als die erforderlichen 50.000 Unterschriften erreicht hatte, lud der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestags die Petenten zur Anhörung ein – den Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) und den Verein Deutsche Sprache (VDS).

Lächerlich und unwürdig

Doch schon die zusätzliche Einladung eines Gegenpetenten, der weitaus weniger Unterstützer hinter sich scharen konnte, hätte stutzig machen müssen. Der Hamburger Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch hatte in einer Gegenpetition „Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz“ rund 3.000 Stimmen gesammelt, was normalerweise bei weitem nicht ausreicht, zu einer Anhörung eingeladen zu werden. Dazu hätte er eigentlich 47.000 Unterzeichner mehr benötigt.

So nahm eine der lächerlichsten und unwürdigsten Veranstaltungen zur deutschen Sprache ihren Lauf. Die Ausschußmitglieder nahmen den Petenten Walter Krämer (VDS) schier ins Kreuzverhör. Die wichtigste Frage des Grünen Memet Kilic war, wie man denn das Wort „Marketing“ auf deutsch ausdrücken könne. Dabei kam sich der Abgeordnete offenbar sehr witzig vor.

Die Linke Agnes Alpers schwadronierte von der multikulturellen Gesellschaft, für die wohl jeder sein müsse, und holte den Allgemeinplatz von der „Sprache im Wandel“ aus dem Keller der gesammelten Totschlagargumente. Peter Röhlinger von der FDP begleitete sie hinunter, kramte das Zauberwort „Globalisierung“ aus einer verstaubten Schublade und verlieh seiner Befürchtung Ausdruck, die Betonung der deutschen Sprache in Deutschland könne ausländische Fachkräfte abschrecken. Stefanowitsch hingegen hatte es leicht; er rannte offene Türen ein.

[…]

Volkswille gegen Abgeordnetenwillen

Doch eine Frage wurde damals wie heute nicht gestellt: Wie kann es sein, daß nach repräsentativen Umfragen über zwei Drittel der Deutschen hinter dem Anliegen der Petition stehen, von diesen Deutschen aber keiner im Petitionsausschuß des Deutschen Bundestags zu finden ist? Volkswille und Abgeordnetenwille klafften wieder einmal weit auseinander.

Warum darf der deutschen Sprache kein Verfassungsrang zugestanden werden? Eine mögliche Erklärung gab es zwei Tage nach der Sitzung des Petitionsausschusses, als der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags über den Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einführung von Englisch als weiterer Gerichtssprache beriet.

… Diese Novemberwoche mit diesen beiden Sitzungen im Bundestag war wirklich eine schwarze Woche für die deutsche Sprache.

jungefreiheit.de 19.11.2011

NB. Stefanowitsch war schon hier und da aufgefallen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 13.12.2010 um 11.48

Sibylle Ahlers

»Wider die Engländerei«
DENGLISCH
Die Kritik an fremden Ausdrücken in der deutschen Sprache ist nicht neu

Einmal im Jahr kürt der Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS) den Sprachpanscher des Jahres. In diesem Jahr erhielt die zweifelhafte Ehre Fritz Pleitgen als Vorsitzender der Geschäftsführung der Ruhr.2010 GmbH. Zur Begründung hieß es, er habe nicht verhindert, dass der öffentliche Auftritt der von ihm geführten Gesellschaft voller "denglischer Begriffe" stecke. Andere Preisträger waren Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn und Modeschöpferin Jil Sander.

Deutsch ins Grundgesetz

Zwei Vereine kämpfen intensiv um die Bedeutung des Deutschen - der VDS und der Verein für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland. Im November übergab eine gemeinsame Abordnung über 46.000 Unterschriften - jetzt gibt es bereits rund 70.000 Unterstützer - an Bundestagspräsident Norbert Lammert mit der Forderung, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern.Dieser befürwortet die Initiative. Bereits im Sommer hatte er in einem Zeitungsinterview gesagt: "Für die Kultur und das Selbstverständnis eines Landes gibt es keinen wichtigeren Faktor als die Sprache." Seiner Aussage nach sei die Sprache noch wichtiger als die Festlegung auf Berlin als Hauptstadt und auf Schwarz-Rot-Gold als die Landesfarben. "Beides wird vom Grundgesetz geregelt, die Sprache leider nicht", sagte Lammert. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat wiederholt für den korrekten Gebrauch der deutschen Sprache geworben. Er appellierte besonders an Lehrer und Journalisten.

Alte Kritik

Die Kritik an fremden Ausdrücken in der deutschen Sprache ist nicht neu. So gab es bereits 1899 die Kampfschrift "Wider die Engländerei in der deutschen Sprache". Doch schon seit langem nutzen wir Wörter wie Jeans und Shampoo ganz selbstverständlich. In jüngerer Zeit machten sich aber auch deutschsprachige Musiker wie "Die Prinzen" und Reinhard Mey lustig über die Eroberung deutscher Radiosender durch englischsprachige Schlager.

Fehler schleichen sich ein

Im 17. und 18. Jahrundert bereicherten lateinische und französische Wörter das Deutsche. Kurios wird es allerdings, wenn das französische Portemonnaie nach der Rechtschreibreform neuerdings Portmonee geschrieben wird, damit es einfacher wird. Sprachwissenschaftler kritisieren, dass Redewendungen schief übersetzt werden. So wird vermehrt der Ausdruck "nicht wirklich" in Anlehnung an das englische "not really" verwendet. Richtig müsste es "eigentlich nicht" heißen. So schleichen sich Fehler in den alltäglichen Sprachgebrauch ein, heißt es. Manche englisch-klingenden Begriffe haben die Deutschen sogar selbst erfunden. Weder in Großbritannien noch in den USA gibt es beispielsweise einen Smoking oder ein Handy. S

das-parlament.de 13.12.2010


eingetragen von Sigmar Salzburg am 13.12.2010 um 11.41

Dankwart Guratzsch

Ohne Muttersprache heimatlos
ESSAY
Deutsch im Grundgesetz - Anker gegen das Abheben der Eliten und Ausgrenzung der Mehrheit

Nicht der Deutsche Bundestag, nicht Bundestagspräsident Norbert Lammert, auch nicht der Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) und der Verein Deutsche Sprache (VDS) sind als erste auf die Idee gekommen, die deutsche Sprachpflege zu einer Staatsangelegenheit zu erklären. Sondern kein Geringerer als der Philosoph und Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz. Er, der selbst fließend französisch sprach, war es, der als erster Präsident der "Sozietät der Wissenschaften in Preußen" schon im Stiftungsbrief des Jahres 1700 das Problem der Reinerhaltung der deutschen Sprache aufgriff und diese Aufgabe dem König antrug.

Diese Erinnerung tut not, um die völlig überspannte Diskussion über die von den genannten Verbänden geforderte und von Lammert befürwortete Aufnahme des Deutschen als Landessprache ins Grundgesetz zu versachlichen. Denn natürlich kann damit nicht Ausgrenzung und Abgrenzung gemeint sein. Vielmehr wird mit der vorgeschlagenen Formulierung "Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch" ein Tatbestand hervorgehoben, über den inzwischen nicht nur auf manchen Schulhöfen, sondern auch in der Politik, auf Wissenschafts- und sogar Bundespressekonferenzen Unklarheiten aufgekommen sind.

Nichts Anrüchiges

Selbst wenn dem nicht so wäre, hätte ein derartiger Passus nichts Anrüchiges. Für sich allein ist er so unschuldig wie die Regelungen des Artikels 22, nach denen Berlin die Bundeshauptstadt und Schwarzrotgold die Bundesfarben sind. Ähnlich müssen es jene 18 europäischen Staaten sehen, die ihren Landessprachen schon länger Verfassungsrang eingeräumt haben und darin Deutschland vorangegangen sind. Wer dies "chauvinistisch" nennen wollte, käme mit dem Europagedanken in Konflikt, der ja auf der Achtung und Pflege der kulturellen Eigenarten und damit der Nationalsprachen der EU-Mitgliedsländer aufbaut. Bei der Verankerung des Deutschen im Grundgesetz geht es allerdings um mehr. Den Petitionen, hinter denen bereits knapp 70.000 Unterzeichner stehen, und dem Plädoyer des Bundestagspräsidenten ist die ernste Sorge zu entnehmen, dass es um die Sprache von Goethe und Schiller schlecht steht. Die mangelnde Geltung der meistgesprochenen Muttersprache Europas in der EU, der Abstieg des Deutschen als Wissenschaftssprache, die Inflation von Anglizismen, die verrenkte Werbesprache, das Türken-, SMS- und Twitter-Missingsch, die Verballhornung der Schriftsprache durch die Rechtschreibreform und nicht zuletzt die Schludrigkeit der Medien im Umgang mit der deutschen Grammatik lassen immer mehr Bürger am Willen und an der Kompetenz der politischen Klasse zweifeln, die Belange kultureller Identität noch wahrzunehmen.

Großes Missbehagen

Deshalb sagen die Anträge erst einmal etwas über die Stimmung im Land aus, über ein offenbar weitverbreitetes Missbehagen. Es ist nur denen unbekannt, die sich selbst mühelos und gewandt in der Muttersprache bewegen, oder aber natürlich genauso jenen, die kulturelle Standards (und das heißt oft: jegliche Kultur und jeglichen kulturellen Anspruch) prinzipiell für lästig, ja überflüssig halten. Sie wollen an eine schiere Selbstverständlichkeit nicht auch noch amtlich erinnert werden - sei es, weil ihnen der Gegenstand allzu banal erscheint, sei es, weil sie sich ihm selbst nicht gewachsen fühlen.

Tatsächlich haftet dem Verhältnis der Deutschen zu ihrer Sprache von altersher ein resignativer Zug an. Er äußerte sich früh in einer anderen Völkern völlig fremden Verachtung der Gebildeten für die Sprache des eigenen Volkes, die in dem berühmten Ausspruch Kaiser Karls V. gipfelte, dass er Lateinisch mit seinem Gott und Deutsch mit seinem Stallknecht spreche. In Wahrheit meint "deutsch" seiner Wortbedeutung nach nichts anderes als "dem Volke gehörig". Und die Sprache des Volkes unterhalb der Referenzebene der Akademiker- und Beamtensprache ist das Deutsche bis auf diesen Tag geblieben. Es hat sich dabei als erstaunlich robust und lebenskräftig auch gegenüber allen Wellen der "Überfremdung" durch Latein, Französisch oder Englisch erwiesen. Auf diese Lebenskraft, Derbheit und Farbigkeit des volkstümlichen Deutsch setzte der Sprachschöpfer und -einiger Luther, der sich eben gerade nicht damit begnügte, seine Bibelübersetzung auf die kursächsische Kanzleisprache zu stützen, sondern sich nicht scheute, dabei dem Volk sehr direkt "aufs Maul" zu schauen.
Faktisch, nämlich vermittelst der Einheit von Thron und Altar, wurde das Deutsche auf diese Weise schon mit der Bibelübersetzung zur "Staatsangelegenheit", auch wenn der Reformator weit davon entfernt war, die Sorge um die deutsche Sprache den politischen Machthabern zu übertragen. Auch Leibniz, der den Sprachschützern der "Fruchtbringenden Gesellschaft" keineswegs nahestand, erstrebte keine politische Kuratel über den Sprachgebrauch.

Seine "Ermahnung an die Deutschen, ihren Verstand und ihre Sprache besser zu üben", erging dagegen explizit an die Wissenschaft, die Universitäten, Sozietäten und Akademien. Dass es dann tatsächlich noch einmal fast zweihundert Jahre dauern sollte, bis sich das Deutsch auch als Wissenschaftssprache Geltung verschaffen konnte, erhellt allein daraus, dass Leibniz' Schrift, niedergeschrieben 1683, erst 1846 erstmals gedruckt wurde.

Diese Vorgeschichte sollte man kennen, ehe man sich über das Begehren lustig zu machen unterfängt, einem Rückfall des Deutschen in einen nun endlich für immer überwunden geglaubten Zustand der Inferiorität und gesellschaftlichen Spaltung zu wehren. Erst der quälende Durchbruch der deutschen Sprache zu einer Sprache auch der Gebildeten und Mächtigen hat umgekehrt auch den Wissenschaften zu breitem volkstümlichem Durchbruch verholfen, hat das Jahrhundert der Lesekultur, das 18./19. Jahrhundert, begründen helfen, hat Volksbildung in seinem umfassenden Verständnis, hat die Blüte der deutschen Philosophie und Literatur, hat zuletzt sogar die industrielle Revolution durchzusetzen und anzutreiben vermocht.

Die Gebildeten heben ab

Es gehört zu den Paradoxien der aktuellen Debatte, dass sich Teile der politischen Klasse ausgerechnet in dem Land, in dem die vielleicht tiefsten Werke der Sprachphilosophie entstanden sind, dem Rang und der Geltung der eigenen Sprache heute wieder verweigern zu müssen meinen. Es sind die Wissenschaften und Fachdisziplinen, die dabei zuerst "abheben". Inzwischen gibt es deutsche Fachliteratur, die nur noch fremdsprachig gedruckt wird. Es laufen ganze Serien von Kongressen, die zwar vom deutschen Steuerzahler finanziert, aber nicht einmal mehr mit einer Übersetzung ins Deutsche ausgestattet sind.

Ganz abgesehen davon, dass das Englisch, das dort zuweilen geradebrecht wird, zum Erbarmen ist und einen blamablen Schatten auf seine Stotterer und damit letztlich auf die Qualifikation der so genannten Bildungselite wirft, also alles andere als etwa dem Ansehen der heimischen Wissenschaft dient, wird hier die alte Mauer zur gesellschaftlichen "Hefe" neu hochgezogen, die so mühsam abgebaut worden ist. Das hat nichts mit "Moderne", nichts mit dem Vordringen der neuen "lingua franca" Englisch (oder bald vielleicht Chinesisch) zu tun, sondern unendlich viel mehr mit dem Rückfall in verstockte deutsche Traditionen, die sich unbezweifelbar viel zu lange als entwicklungs- und fortschrittshemmend erwiesen haben.

Aufstiegshilfe

Man muss es unter die unzähligen Ironien der 68-er Bewegung rechnen, dass deren Wortführer zwar mit martialischem Getöse gegen den "elaborierten Code" als Herrschaftsinstrument einer abgehobenen Kaste zu Felde zogen, damit aber in naiver Verblendung das hochsprachliche Deutsch meinten, das für Generationen die wichtigste Aufstiegshilfe in die "bessere Gesellschaft" war und ihnen Universitäten und Karrieren erschlossen hat, die ihnen Jahrhunderte versperrt waren. Hochdeutsch ist nicht und war nie "hochgestochen", sondern der wichtigste Schlüssel für den Zugang zu Bildung überhaupt. Aber in der aktuellen Debatte über den Verfassungsrang von Deutsch als Landessprache taucht derselbe Irrtum in ähnlicher Argumentation ein weiteres Mal auf. Wieder wird von "Ausgrenzung" und "Diskriminierung" gesprochen, wo doch nichts so sehr wie gerade die Beherrschung der Landessprache die Integration, Anerkennung und den Erwerb von Bildung möglich, und somit die Zugewanderten überhaupt erst gesellschaftlich konkurrenzfähig macht.

Jutta Limbach, die frühere Verfassungsrichterin und Präsidentin des Goethe-Instituts, hat im anrührendsten und überzeugendsten Essay über "Unsere Sprache in der globalisierten Welt" (so der Untertitel) gerade diese elementare Voraussetzung für Integration hervorgehoben: "Das Erlernen der Sprache, insbesondere der Landessprache, ist ein Grundstein für die Bildung." Sie spricht von der "Sprachlosigkeit von zugewanderten Minderheiten, die gesellschaftliche Ohnmacht, wenn nicht gar Heimatlosigkeit erzeugt". Und sie hebt hervor, die Muttersprache gehöre "zu jenen Elementen der Kultur, die mehr noch als das Vaterland gesellschaftlichen Zusammenhalt stiften".

Ist es nicht genau diese Einsicht, die hellhörig dafür machen müsste, was in der Integrations-, der Bildungs- und der Sprachpolitik bisher falsch gelaufen ist? Müsste sie nicht das Gespür dafür schärfen, dass nicht der Deutschpassus im Grundgesetz, sondern der Widerstand dagegen ausgrenzt - nämlich exakt diejenigen ausgrenzt, die auf Erwerb der Landessprache angewiesen sind, um nicht nur formell eingebürgert zu sein, sondern sich selbst vollwertig einzubürgern?

Ein Zeichen

Ist auch der zusätzliche Satz im Grundgesetz nichts als ein Zeichen und kann er niemals ein "Recht" sein, das sich einklagen lässt, so gibt er doch Orientierung, wo provinzielle Geschwätzigkeit und ideologisches Renommiergehabe "gesellschaftlichen Zusammenhalt" allzulange behindert haben. Es ist höchste Zeit, diese Blockade zu lösen.

das-parlament.de 13.12.2010


eingetragen von Sigmar Salzburg am 27.04.2010 um 05.26

Westerwelle erringt Punktsieg für deutsche Sprache
Luxemburg - EU-Außenministerin Catherine Ashton hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zugesichert, dass die Sprache Goethes im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) eine zentrale Rolle spielen wird. Der Außenminister hatte gefordert, Deutsch müsse in dem neuen Dienst mit bis zu 8000 Diplomaten Arbeitssprache neben Englisch und Französisch sein. "Deutsch ist die meistgesprochene Muttersprache der Europäischen Union und wird schon aus diesem Grund im Europäischen Auswärtigen Dienst prominent vertreten sein", schrieb Ashton an Westerwelle.

welt.de 27.4.2010


eingetragen von Sigmar Salzburg am 27.02.2010 um 12.14

Mann, red Deutsch!

Von Reinhard Mohr

Deutsch ist die Sprache der Aufklärung und der Empfindsamkeit. Ausgerechnet Brachialrhetoriker Guido Westerwelle macht sich stark für eine Kampagne des Goethe-Instituts. Tenor: Wer Deutsch lernt, lernt Demokratie!

Margot Käßmann, die katholische Kirche, Jürgen Rüttgers, Jogi Löw, Oliver Bierhoff: Die Autoritäten purzeln derzeit noch schneller, als der Schnee schmilzt. Was bleibt, sind Sport und Sprache, unsere Gold-Mädels von Vancouver und die deutsche Kultur. In den Worten des bekennenden Helene-Hegemann-Fans Harald Schmidt: "Arschfick und Adorno". [... „Reformkultur“]

So drastisch gesampelt und „Axolotl-Roadkill“-mäßig wollte es Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstagabend im Berliner "Radialsystem", einem ehemaligen Pumpwerk, nicht formulieren. …

"Ich halte meine kurze Ansprache auf Deutsch", hatte der böse Bube der deutschen Politik zu Beginn versprochen (danke dafür!), obwohl das "Radialsystem" nicht etwa nur ein neuer Raum für Kultur ist, sondern, ganz offiziell, "The New Space for the Arts in Berlin". …

Die Muttersprache Spätgermaniens, die derzeit rund hundert Millionen Menschen in Europa ihr Eigen nennen, soll hinaus in die weite Welt getragen werden, wo bislang nur etwa 15 Millionen Menschen sich der Mühe unterziehen, die deutsche Grammatik und seltsame Wörter wie "Radkappe" oder "Starthilfe" zu lernen - vor allem mit Hilfe des Goethe-Instituts.
Es gehe dabei aber auch um die Vermittlung von demokratischen Werten, um "intellektuelle Freiheit" und den Wunsch, "die Welt von morgen zu gestalten", hob Westerwelle hervor. …

Nach einer unterhaltsamen, wenn auch nicht völlig unangestrengten Sprachtravestie im Geiste Ernst Jandls, die die Trägerin der Goethe-Plakette, Yoko Tawada, zu Gehör brachte, kamen die Liebhaber deutscher Klassik zu ihrem Recht: Schuberts Vertonung von Goethes "Erlkönig".
Es folgten eine Lesung des ungarischen Autors Peter Esterházy, zehn kurze Gedichte von Heinrich Heine mit Kompositionen von Wilhelm Killmayer und schließlich "Spoken Word und Rap-Musik" mit Nina "Five" Sonnenberg und DJ Phekt - gemäßigt deutsch-multikulturelle Selbsterfahrungs- und Betroffenheitslyrik.

Dazwischen hatte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, noch rasch das Wort ergriffen, das, allen Aufrufen zur Leidenschaft für die "wunderbare Sprache" (Westerwelle) zum Trotz, leider nicht ihn ergriff. Blass und staubtrocken präsentierte der oberste deutsche Kulturvermittler Beispiele für die Liebe zur deutschen Sprache - im Ausland.

Hierzulande, das zeigte dieser merkwürdig leidenschaftslose Auftakt der Kampagne, bleibt noch viel zu tun. "Deutsch - Sprache der Ideen": Vielleicht sollte man gleich im Bundestag schon mal damit anfangen. Dann klappt's auch im Rest der Welt.
spiegel.de 26.2.10

[Westerwelle:]
Aufgabe der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist, die Welt von morgen mitzugestalten. Cornelia Pieper weiß ich dabei an meiner Seite. Wir nehmen das sehr Ernst in diesem Amt.
pressinfo 26.2.10

Das Goethe-Institut – das die von der Bevölkerung abgelehnte „Rechtschreibreform“ ohne Not im Ausland durchgesetzt hat, auch unter Führung der ehemaligen Verfasssungsrichterin, die den Kultusministern zuvor den Freibrief für ihr Kulturattentat ausgestellt hatte – als Vermittler deutschen demokratischen Geistes? Westerwelle, obwohl kritisch, gab dabei nur eine bläßliche Figur ab. Seine Parteigenossen im Norden stimmten sogar für die Annullierung des demokratischen Volksentscheids. Damit konnte einer von ihnen Bildungsminister werden.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 25.02.2010 um 09.18

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal:
Kluster [sprich: klu:ster] ist ein in meiner Kindheit gebräuchliches norddeutsches Wort ...
„Kluster“ ist auch mir bekannt. Aus der Landschaft Angeln, in der ich hause, haben die alten Angeln, die in England siedelten, zunächst ihre Sprache mitgenommen. Etliche Wörter sind auch heute noch hier verständlich. Ein alter Krug meiner Mutter trägt die einglasierte Aufschrift „Angeler Muck“, was unschwer im englischen „mug“ wiederzuerkennen ist. – Aber welcher Bildungspolitiker wird denn das [den?] aufgeblasene[n] „Exzellenzcluster“ „uncool“ mit „Spitzengruppe“ übersetzen wollen?
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Detlef Lindenthal am 24.02.2010 um 18.02


Sigmar Salzburg schrieb
„Cluster“ [sprich: Klaster], ein bisher hier ungebräuchliches englisches Wort, bedeutet „Haufen“
Kluster [sprich: klu:ster] ist ein in meiner Kindheit gebräuchliches norddeutsches Wort; von meiner norddeutschen Mutter habe ich es gelernt; in den Wörterbüchern von Adelung, Grimm, Mackensen, Mensing (Kluuster) und Wiktionary.de ist es verzeichnet, im Duden _20 dann als Reimport Cluster. Bilder siehe hier.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Sigmar Salzburg am 24.02.2010 um 16.18

Es soll hier einen Augenblick lang nicht darum gehen:

Im Skandal um Missbrauchsfälle in der Kirche hat die Münsteraner katholische Theologin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins die Bischöfe und Ordensoberen vor Vertuschung und Verdrängung gewarnt. „Es geht nicht um wenige Einzelfälle, sondern um ein verbreitetes Phänomen“, sagte die Sozialethikerin vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) am Mittwoch.
uni-muenster.de 24.2.2008

Sondern ich stolpere über das Wort „Exzellenzcluster“ – zweifellos eine Wortschöpfung aus bildungspolitischem Imponiergehabe. Aber was bedeutet es? „Exzellenz“, lateinisch, ist die Anrede für katholische Bischöfe und für Botschafter fremder Mächte. „Cluster“ [sprich: Klaster], ein bisher hier ungebräuchliches englisches Wort, bedeutet „Haufen“ – also vermute ich eine Seilschaft hochrangiger katholischer Geistlichkeit mit dem Ziel der Einflußnahme auf Staat und Politik. Bei der Suche nach weiterer Aufklärung erfahre ich, daß dies auch noch von der Regierung mit Milliarden gefördert wurde, worüber die Bundesforschungsministerin Schavan, ehemals Zentralkomitee der Katholiken und Schreibreformministerin von Baden-Württemberg, in Begeisterungsstürme ausbrach:

Annette Schavan: "Ein bedeutender Tag für die Wissenschaft"

Die Gewinner [!] der ersten Runde der Exzellenzinitiative sind jetzt ermittelt …

Im Rahmen der Exzellenzinitiative investieren Bund und Länder bis 2011 insgesamt 1,9 Milliarden Euro.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan kommentierte das Ergebnis wie folgt: "Das ist ein bedeutender Tag für die Wissenschaft in Deutschland. Wir haben festgestellt, dass zahlreiche exzellente Graduiertenschulen und Exzellenzcluster für eine Förderung vorgeschlagen wurden. Das spricht für die hohe Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen.
bildungsministerium.de 13.10.2006

Allmählich dämmert mir, was mit „Exzellenzcluster“ gemeint sein könnte, allerdings halte ich Theologie nicht für eine Wissenschaft und wundere mich noch mehr.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 17.01.2008 um 10.02

Zum Vorherigen passend wurde im Spiegel-Forum auf diesen Artikel verwiesen:

http://www.online-merkur.de/seiten/lp200801a.php

Man kann die dortigen Erkenntnisse auch auf die „Rechtschreibreform“ ausweiten, die ja teilweise eine Paralellerscheinung zur feministischen Sprechreform ist.

Die schreibreformerische Betriebsamkeit der Kultusminister, ihrer ideologischen Vorarbeiter und medialen Unterstützer zeigt in besonderem Maße die „Bescheuertheit“ als mentales Wirkungsprinzip in diesem Bereich der Kulturpolitik.

[(Prof. Dr. phil.) Rainer Paris (Fachhochschule Magdeburg): „Bescheuertheit“ in Merkur, Nr. 704, Januar 2008]
__________________
Sigmar Salzburg


eingetragen von Sigmar Salzburg am 16.01.2008 um 13.35

Kontrovers: Feministische Linguistik

Von der PräsidentIn zur Mitgliederin: Die künstliche Verweiblichung der Sprache bringt die Gleichberechtigung nicht voran, kritisieren Sprachforscher

Sprachregeln wie das Binnen-I, die aus dem Professor eine ProfessorIn machen oder Doppelnennungen wie Präsident/Präsidentin sollen die Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft vorantreiben. Doch viele Sprachforscher halten das nicht nur für sinnlos, sondern sogar für kontraproduktiv. Die Gesellschaft könne die Sprache verändern und nicht umgekehrt, argumentieren sie.

"Die Universitätspräsidentin/Der Universitätspräsident ist oberste Dienstbehörde und Dienstvorgesetzte/Dienstvorgesetzter für die Beamtinnen und Beamten der Universität". Solche Satz-Ungetüme tummeln sich spätestens seit 2001 in den deutschen Gesetzen und Regelwerken. Damals trat das Bundesgleichstellungsgesetz in Kraft, das die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in der Sprache gewährleisten soll. Was Feministinnen als Fortschritt und Erfolg werteten, wird von anderen Sprachforschern hingegen als kontraproduktiv kritisiert ...


"Die Amtsmännin als Reisegästin", Artikel in "bild der wissenschaft", Ausgabe 2/2008, S. 86

http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/hintergrund/287303.html


eingetragen von Detlef Lindenthal am 19.01.2006 um 09.25


Sigmar Salzburg zitierte:
„ [...] beispielsweise, Ingenieure und Abiturienten Diktate schreiben zu lassen? Lüth: „Für die Vermittlung ist es wichtig, Kompetenzen zu erkennen und Defizite aufzuspüren, an denen noch gearbeitet werden muss.“ So stelle sich etwa manchmal heraus, dass einige Kunden noch nach der alten Rechtschreibung schreiben – nicht gerade eine Empfehlung für Arbeitgeber …“
Uns Rechtschreibfreunden muß klar sein, daß wir in der Vergangenheit wesentliche Argumentationsschlachten verloren haben. Denn wenn ein Amtsleiter und ein Reporter sich wirklich sowas ausdenken, daß bewährte Rechtschreibung (die ohnehin nur an zu wenig ss-Schreibung erkannt wird) hinderlich für die Arbeitsplatzsuche wäre, wiederholen sie einen schwachen Gedanken, ohne daß sie irgendwie Angst zu haben brauchen, für diesen Unsinn umgehend eine Begründungs-Niederlage einzustecken.

Immer noch glauben viele Lehrer, Schüler, Amtsleute usw., die „Reform“schreibung wäre logischer, richtiger und weniger fehlerträchtig. Aber das genaue Gegenteil gilt. Es ist eine reine Fleißaufgabe, dies anhand der bereits erarbeiteten Argumente öffentlichkeitswirksam nachzuweisen.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Sigmar Salzburg am 18.01.2006 um 07.44

Aus der Rotenburger Rundschau:

Arrow: Die harsche Kritik hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun
17.01.2006

Amtsleiter Jens Lüth nimmt Stellung zu Berichterstattung und Leserbriefen - VON ROLAND MEYER

Landkreis Rotenburg. Die Überschrift „Stur, hochnäsig und arrogant“ des Rundschau-Berichts über das Arbeitsmarktportal Arrow des Landkreises Rotenburg habe mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Dennoch nehme man die im Bericht und in den folgenden Leserzuschriften geäußerte Kritik ernst. Das sagen Arrow-Leiter Jens Lüth und Ellen Prieß, Mitarbeiterin des Rechtsdienstes der Behörde. Zu Einzelfällen dürften sie aus Datenschutzgründen keine Stellung nehmen. Es sei aber möglich, die allgemeinen Hintergründe zu erläutern …
Zu den Seminaren wird auch das so genannte Basis-Profiling gerechnet, das manche Leserbriefschreiber als entwürdigend, sinnlos und teuer kritisieren. Was soll es beispielsweise, Ingenieure und Abiturienten Diktate schreiben zu lassen? Lüth: „Für die Vermittlung ist es wichtig, Kompetenzen zu erkennen und Defizite aufzuspüren, an denen noch gearbeitet werden muss.“ So stelle sich etwa manchmal heraus, dass einige Kunden noch nach der alten Rechtschreibung schreiben – nicht gerade eine Empfehlung für Arbeitgeber …


http://www.rotenburger-rundschau.de/index.php?menu=55&command=showartikel&ID=42082

Wieder ein Beweis für die Wirklichkeitsferne der Bundesverfassungsrichter, die das Urteil vom 14.7.1998 zu verantworten haben:

„Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben.“

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Sigmar Salzburg am 04.01.2006 um 16.16

STAATSRÄSON

Das zarte Pflänzchen Verantwortung
Torsten Harmsen

Viele Leser meldeten sich am Dienstag zu unserer Kritik an Angela Merkels Neujahrsansprache ("Arbeite mit, plane mit, regiere mit", 3. Januar) zu Wort. Einige sagten: Man sollte endlich das Positive sehen, den Ansatz eines Wir-Gefühls, das "zarte Pflänzchen" gemeinsamer Verantwortung fördern und nicht sofort alles mies machen.
Das ist richtig. Im Grunde sollte jeder Schritt in Richtung gemeinsame Verantwortung unterstützt werden. "Dieser Staat sind wir", hieß es früher, und es wäre auch wunderbar, wenn es so wäre.
Da erreicht uns eine Meldung am Rande, zu einem Thema, das immer wieder für große Aufregung sorgt. Johanna Wanka, die ehemalige Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), sagte diese Woche im Spiegel: "Die Kultusminister wissen längst, dass die Rechtschreibreform falsch war. Aus Gründen der Staatsräson ist sie nicht zurückgenommen worden."
Das bedeutet: Politiker haben bewusst einen zehnjährigen Rechtschreibkrieg in Kauf genommen, Konfusion in Schulen und Ämtern produziert, Millionen für den Druck immer neuer Wörterbücher in den Sand setzen lassen. Aus Staatsräson.
Vor zehn Jahren wurde die Reform von der Politik, bis hinauf zum Bundeskabinett, gebilligt. Die Staatsmacht brachte eine Reform in Gang, für die es keinen dringenden Bedarf gibt und für die sie nach der Meinung von Fachleuten auch gar nicht zuständig ist. Sechzig deutsche Juristen nannten es in einer Erklärung sogar "rechtlich äußerst problematisch", dass Lehrer, Schüler und Ämter gezwungen würden, falsche Schreibweisen zu nutzen. Der frühere Bundesverfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz kritisierte das ganze undemokratische Verfahren: "Man kann so etwas nicht machen ohne einen wirklich gründlichen öffentlichen Prozess", sagte er.
30 Gerichtsverfahren, Reform-Streik seitens bedeutender Zeitungen und Verlage, Bürgerinitiativen für Volksbegehren - all das hat die Politik ignoriert. Aus Staatsräson.
Denn man hatte die Sache nun mal beschlossen; nun musste sie auch durchgepeitscht werden, um sich nicht die Blöße zu geben. Nicht einmal zu einem vorläufigen Stopp konnte sich die KMK durchringen. Als eine Art Sprach-Feuerwehr versucht jetzt ein Rat für deutsche Rechtschreibung das Schlimmste wieder rückgängig zu machen.
Doch ein Teil davon ist schon seit dem 1. August 2005 in Kraft. Die Folge: Zwei Bundesländer verweigern sich; viele Behörden und Schulen ignorieren die Reform einfach. Die Rede ist bereits von "kollektivem Ungehorsam". War das mit der Wahrnehmung gemeinsamer Verantwortung gemeint?

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/514681.html

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Matthias Draeger am 02.05.2004 um 18.21

Naechste Investition:

In den 70iger Jahren wurden an allen Rast- und Parkplaetzen von den zustaendigen Autobahnmeistereien die Schilder mit etwas antiquierter Orthographie

----------------------------------------
Rastplatz bitte sauber halten
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gegen die mittlerweile gebraeuchlichere Schreibweise

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Rastplatz bitte sauberhalten
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ausgetauscht. Die jetzigen Zustaende mit der falschen Rechtschreibung sind natuerlich fuer die heranwachsende Jugend, die Zukunft Deutschlands, unertraeglich, so dass auch in diesem Bereich bald mit einer entsprechenden Schilda-Aktion zu rechnen sein wird.
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Matthias Draeger


eingetragen von Theodor Ickler am 02.05.2004 um 14.25

Bekanntlich verändert die Neuregelung die "rechtsprechende Gewalt" in eine "Recht sprechende", während die "gesetzgebende" unverändert bleibt. Google kann es kaum glauben. Gibt man "Recht sprechende" ein, erhält man zwar über 150 Belege, wird aber trotzdem gefragt "Meinten Sie rechtsprechende?" Sehr aufmerksam, vielen Dank!
Übrigens bietet http://www.br-online/wissen-bildung auch hyperkorrekt: "Der Ministerrat ist das wichtigste Gesetz gebende Organ der EU."
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 02.05.2004 um 14.12

Gestern auf der Autobahn machte mich Herr Dörner darauf aufmerksam, daß an den unzähligen Baustellen der Hinweis auf den "Reißverschluß" mit einer Folie überklebt worden ist, auf dem "Reißverschluss" steht, offenbar damit die mitreisenden Schulkinder sich nicht die Augen verderben. Insofern kann man das als Bildungsinvestition verbuchen. Noch teurer muß das bundesweite Auswechseln aller Schilder gewesen sein, auf denen bisher ein "Schloß" genannt wurde. Recht so! An der Bildung zu sparen wäre ganz verkehrt.
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Th. Ickler


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 30.04.2004 um 12.55

es paßt zu "Staat und Sprache"

Frederick Forsyth in der WELT
30.04.04 (literarische Welt):
Europa? Welches Europa?

"...Es ist keine Frage, die
Deutschland jemals gequält hätte,
denn die Deutschen werden
wie immer genau das tun, was man
ihnen befiehlt.

(Die Formulierung "Befehl ist
Befehl" konnte nur in
Deutschland entstehen. Das
britische Äquivalent lautet:
"Warum sollte ich?")

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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Elke Philburn am 30.04.2004 um 11.40

Feministische Sprachschöpfung verfehlt ihr Ziel.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Thomas Paulwitz am 26.03.2002 um 18.11

Alles schön und gut, aber das Entwickeln von Gedanken fällt mir nun einmal leichter, wenn ich nicht nach Anregungen suchen muß wie nach einer Nadel im Heuhaufen.

"Spaß kann man nicht verordnen". Richtig, obwohl wir einen so genannten "Spaßkanzler" haben, mit seinem Motto: "Regieren macht Spaß". Daß vor lauter Spaß die Hand des Kanzlers ruhig geblieben ist und die Probleme weiter außer Kontrolle gekommen sind, mag mit dem ganzen Medienspaß zusammenhängen. Womit wir wieder wenigstens beim Staat wären. Und um zum Thema Rechtschreibung zu kommen: Die Toleranz-Metaregel der Rechtschreibkommission scheint mir auch so ein Spaßgesetz zu sein.

"Fröhliche Wissenschaft" - ja, aber bitte aus lauter Jux und Dollerei nicht die Probleme vernachlässigen!
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Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Theo Grunden am 26.03.2002 um 08.59

Re zum Thema? "Leid"thema?

Zum (ursprünglichen) Thema eines Strangs – wie ernst es auch immer sein mag – kehrt man am besten dadurch zurück, daß man neue Gedanken dazu formuliert und dann hier veröffentlicht. Sobald auch nur einer der hier mitlesenden, –denkenden oder –schreibenden Sprachinteressierten es für richtig oder wichtig hält, darauf einzugehen, wird er es schon tun. Und keiner der (von Herrn Paulwitz so genannten) Spaßvögel wird es ihm übelnehmen, im Gegenteil! Diese Zuversicht habe ich in der relativ kurzen Zeit meines Mitlesens hier gewonnen.

Nicht nur eng an einem Thema zu kleben, sondern auch mal auszuschweifen (z.B. um Luft und Motivation zu holen oder den Blickwinkel zu ändern), ist ein gar nicht so seltenes Phänomen, nach meiner (allerdings ganz persönlichen) Ansicht sogar oft ein angenehmes. Das gilt nicht nur für Diskussionen, sondern auch im allgemeinen (z.B. in der Sprachwelt oder der Musikwelt). Die Gewißheit, daß man schon noch wieder zum Thema zurückkommt, erhält die Spannung.

Manche Diskussionen „schlagen schon mal über die Stränge“, will sagen: sie finden in einem anderen Strang statt als dort, wo man sie vielleicht gerne lieber sähe. Das sollte man nicht zu „sträng“ beurteilen. In welcher Rubrik wäre denn wohl (u.a.) Heiterkeit eher angebracht? In „Es gehört nicht hierher, aber ...“?


eingetragen von Elke Philburn am 25.03.2002 um 19.47

Spaß kann man nicht verordnen, Herr Paulwitz.

Der ergibt sich entweder aus dem Thema heraus oder auch nicht.

Wobei ich der Meinung bin, daß ein klein bißchen Spaß auch einer ernsten Diskussion nicht schadet. Im Gegenteil.


eingetragen von Thomas Paulwitz am 25.03.2002 um 14.21

Was haben eigentlich die letzten Beiträge mit dem Thema "Staat und Sprache" zu tun? Ich glaube, die anfangs noch ernsthafte Diskussion verfranst aufgrund gewisser Spaßvögel.

Spass muss ssein, aber gibt es dafür nicht andere Rubriken?
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Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Elke Philburn am 25.03.2002 um 11.43

Wink

Bin halt schon ein älterer Semestler.


eingetragen von Christoph Kukulies am 25.03.2002 um 08.02

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Möglicherweise sind die Gepflogenheiten der Unis unterschiedlich, aber ich kann mich nicht daran erinnern, Erstsemestler an der TU Braunschweig gehört oder gelesen zu haben.

Eine Suche auf der Website der TU BS ergibt 0 Ergebnisse für Erstsemestler, dafür aber mehrere für Erstsemester, wobei es unter anderem im Sinne von "ErstsemesterstudentenInnen" gebraucht wird.

Hier ein Beispiel.

(Ist Erstsemestler mit Hinblick auf die Morphologie nicht ein wenig schräg? Das setzt ja semest- als Stammwort voraus.)


Da haben Sie sicher recht. Mein Sprachgefühl sagt mir, daß "Lieber Erstsemester" als Anrede irgendwie komisch klingt. (Nicht allerdings "Ich unterrichte lieber Erstsemester").

Es gibt ebenso zahlreiche Beispiele für die Verwendung von "Erstsemestler".

Beispiel I

Beispiel II


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Christoph Kukulies


eingetragen von Christoph Kukulies am 25.03.2002 um 07.45

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Erstsemestler klingt wie Weiterwurstler, also nicht sehr akademisch und ein bißchen süddeutsch, als käme es von *semesterln.
Erstklässer hört sich an, als sei es von erstklassig abgeleitet statt von erster Klasse. In Köln sagt man i-Dötzchen dazu (i-Pünktchen). Hübsch, wie ich finde.


Also, Herr Markner, zuerst ist klingt Ihnen Erstsemestler nicht akademisch genug, dann kommen Sie mit I-Dötzchen.

Bei der Einschulung in die Volksschule (Schwerinschule in Düsseldorf-Derendorf) wurde uns Erstkläßlern damals immer hinterhergerufen "I-Dötzchen, Kaffeeklötzchen".
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Christoph Kukulies


eingetragen von Reinhard Markner am 24.03.2002 um 23.37

Erstsemestler klingt wie Weiterwurstler, also nicht sehr akademisch und ein bißchen süddeutsch, als käme es von *semesterln.
Erstklässer hört sich an, als sei es von erstklassig abgeleitet statt von erster Klasse. In Köln sagt man i-Dötzchen dazu (i-Pünktchen). Hübsch, wie ich finde.


eingetragen von Elke Philburn am 24.03.2002 um 21.13

Möglicherweise sind die Gepflogenheiten der Unis unterschiedlich, aber ich kann mich nicht daran erinnern, Erstsemestler an der TU Braunschweig gehört oder gelesen zu haben.

Eine Suche auf der Website der TU BS ergibt 0 Ergebnisse für Erstsemestler, dafür aber mehrere für Erstsemester, wobei es unter anderem im Sinne von "ErstsemesterstudentenInnen" gebraucht wird.

Hier ein Beispiel.

(Ist Erstsemestler mit Hinblick auf die Morphologie nicht ein wenig schräg? Das setzt ja semest- als Stammwort voraus.)


eingetragen von Henrik Swaton am 24.03.2002 um 19.21

Es gibt sehrwohl die Erstklässer. Lt. DUDEN mitteldt. für Erstklässler (Erstkläßler).

Nachschlagen hilft manchmal weiter.


eingetragen von Christoph Kukulies am 24.03.2002 um 17.37

Smile

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Möglich ist beides, wobei die Variante ohne l wohl die häufigere ist.

Hier muß ich Ihnen leider widersprechen, Frau Philburn.
Erstsemester ist schlichtweg falsch. Sie haben wohl schnell mal gegoogled?

Wenn man von den Erstsemestlern im Sinne von Erstkläßlern - es heißt im übrigen auch nicht Erstklässer - spricht, kommt immer ein "l" hinein.

Spricht man vom Erstsemester, dann meint man sozusagen den "Jahrgang", also nicht einzelne Personen.

Ich habe noch nie jemand vor der versammelten Studentschaft "liebe Erstsemester" sagen hören.


(Ich wollte eine Schmunzelschnute hinzufügen, aber ich sehe sie nicht)
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Christoph Kukulies


eingetragen von Elke Philburn am 24.03.2002 um 14.37

Möglich ist beides, wobei die Variante ohne l wohl die häufigere ist.


eingetragen von Christoph Kukulies am 24.03.2002 um 09.33

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Liebe Erstsemester und Erstsemesterinnen (Anrede bei der Eröffnung des Semesters, selbst gehört! Keiner außer mir schien etwas zu bemerken)



Wirklich Erstsemester und nicht Erstsemestler?
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Christoph Kukulies


eingetragen von Manfred Riebe am 24.03.2002 um 07.30

Roth, Dr. Wolfgang, Mannheim: Zur Verfassungswidrigkeit der Rechtschreibreform. Zugleich Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97. In: Bayerische Verwaltungsblätter, Heft 9, 1. Mai 1999, S. 257-266,
vgl. http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Cricetus/SOzuC1/SOVsRSR/ArchivSO/WRoth.htm
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"Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!" (VRS)

Manfred Riebe
Vorstandsmitglied des VRS
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.
- Initiative gegen die Rechtschreibreform -
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg
Manfred.Riebe@raytec.de
http://www.vrs-ev.de


eingetragen von Christian Melsa am 23.03.2002 um 23.56

Weil das Thema eigentlich hierher gehört, verlege ich die Diskussion aus dem VRS-Strang in diesen.

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Manfred Riebe
Die Richter haben den Beschluß des Deutschen Bundestages zwar zitiert, aber in keiner Weise berücksichtigt. Deshalb haben sie das Parlament bevormundet und gewissermaßen in dieser Frage entmündigt.
In der Hierarchie der Gewaltenteilung muß das Gericht, das die Verfassung schützt, natürlich den höchsten Rang genießen. Sonst könnte ja der Bundestag ungehindert Gesetze erlassen, die mit der Verfassung nicht konform gehen. Dazu müßte er erst einmal die Verfassung ändern, und das geht ja nicht so einfach.

Zitat:
Das BVerfG hat es außerdem versäumt, den Art. 3 (3) GG zu prüfen. Darin ist die Pflicht des Staates enthalten, die Sprache zu schützen. Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß der Staat grundsätzlich kein Recht hat, in die Sprache einzugreifen. Tut er es dennoch, dann ist dazu ein Gesetz erforderlich. Aus diesen Gründen haben die Verfassungsschützer einen Verfassungsbruch begangen.
Diese Folgerungskette kann ich nicht nachvollziehen. In diesem Satz des Grundgesetzes geht es ums Diskriminierungsverbot. Es steht darin nichts von einer Staatsverpflichtung, die Sprache zu schützen. Wenn es solch eine Verpflichtung gäbe, so könnte sich der Staat dann doch bei Änderungen darauf berufen, die Sprache vor "Veraltung" schützen zu wollen.


eingetragen von Elke Philburn am 23.03.2002 um 12.32

Wieso Frauen ihre Bezeichnungen mit so einem aufgerichteten Mittelteil verhunzen und die unmarkierte, gängige Form ganz den Herrschaften überlassen sollen, ist mir schleierhaft.

Die FrisösInnen Friseurinnen sind da pragmatischer: Sie bestehen - vermutlich als Qualitätsmerkmal ihres Handwerks - auf die Beibehaltung der männlichen Endung in der Berufsbezeichnung.


eingetragen von Walter Lachenmann am 23.03.2002 um 11.58

Auch unter Diakonissen wird immer wieder der Ruf nach den DiakonissInnen laut. Das ist alles sehr schwierig und muß ernstgenommen werden, besonders wenn von Staat und Sprache die Rede ist, denn mit dieser Sprache können wir immer weniger Staat machen. So wird in einschlägigen Kreisen darauf hingearbeitet, das Wort »man« aus dem Sprachgebrauch zu verbannen, da sich dieses von »Mann« herleite und bei gedankenlosem Gebrauch die Herrschaft des männlichen Sexismus in der Gesellschaft zementiere.
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theo Grunden am 23.03.2002 um 11.27

hat wohl – vor einigen Jahren - der Präsident eines Schützenvereins, welcher auch die Mitgliedschaft von Frauen zuläßt (aber anscheinend noch nicht so lange), und zwar am Beginn seiner Begrüßungsrede: „Liebe Schützenbrüderinnen und Schützenbrüder!“

Man sehe mir den kleinen Abstecher von der Echt- zur Schützenstaatlichkeit nach (Strangbezug).


eingetragen von Walter Lachenmann am 23.03.2002 um 09.07

V.l.n.r.:

RM., EP. (im Hintergrund, wie es sich gehört), VWL.
(Die Krawatte links oben im Bild könnte die von T.I. sein, darauf läßt der Sprachrechtwahrerschreiborden am Revers schließen)
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Walter Lachenmann


eingetragen von Elke Philburn am 22.03.2002 um 23.28


eingetragen von Walter Lachenmann am 22.03.2002 um 22.18

In unseren Brandreden fangen wir immer an mit:
Liebe Genossen und Genossen ...


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Walter Lachenmann


eingetragen von Elke Philburn am 22.03.2002 um 22.09

Das ist wohl wie mit der Rechtschreibung: Je mehr man die Leute drangsaliert, desto falscher machen sie's.


eingetragen von Reinhard Markner am 22.03.2002 um 21.30

Nicht einmal, daß die Reihenfolge den Regeln der Höflichkeit widersprach ?


eingetragen von Theodor Ickler am 22.03.2002 um 18.50

Liebe Erstsemester und Erstsemesterinnen (Anrede bei der Eröffnung des Semesters, selbst gehört! Keiner außer mir schien etwas zu bemerken)


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Th. Ickler


eingetragen von Christian Dörner am 22.03.2002 um 18.42

Auf dem letzten Parteitag von Bündnis 90/GrünInnen begann jemand seine Rede folgendermaßen:

"Liebe Delegiertinnen und Delegierte, ..."

Muß man das noch kommentieren?
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Christian Dörner


eingetragen von Christian Melsa am 22.03.2002 um 16.20

Auf der kürzlichen Versammlung der Grünen (und Bündnis 90, gell), auf der ihr neues Grundsatzprogramm verabschiedet wurde, wies auch eine Rednerin darauf hin, daß sie doch tatsächlich noch ein paar Stellen in dem Dokument entdeckt habe, bei denen das -Innen fehle! Das ginge nun wirklich nicht, damit würden sie doch ihre ganze Glaubwürdigkeit zum Thema Gleichberechtigung der Frauen aufs Spiel setzen; wie solle man bei solchen Unachtsamkeiten noch andere ermahnen können, political correct gender mainzustreamen? Joschka Fischer sprach als einziger Mann und als letzter Redner in dieser Sache die Versammelten mit den einleitenden Worten "Liebe Freunde..." an - entsetztes Schweigen im Saal. Es heißt doch gefälligst "Liebe Freundinnen und Freunde"! Allerdings löste er die Spannung dann schnell, indem er anfügte, ja, er richte sein Wort jetzt mal nur an die Kerle unter den Grünen, die er dann rügte, weil kein einziger von ihnen zu diesem Thema geredet hatte (außer ihm natürlich).


eingetragen von Elke Philburn am 22.03.2002 um 12.26

aber ich glaube, dieser lächerliche Firlefanz könnte der Glaubwürdigkeit wirklich wichtiger Fraueninteressen eher schaden als nützen.


eingetragen von Theo Grunden am 22.03.2002 um 11.04

Inneneinrichtung

Wieso eigentlich nur Schülersprecherinnen und Schülersprecher, und kein Wort über Schülerinnensprecherinnen oder Schülerinnensprecher?

Schülervertretung schön und gut, aber wer vertritt denn in Schleswig-Holstein eigentlich die Schülerinnen? Bitte sofort auch eine Schülerinnenvertretung einrichten!

Klarer Fall für das Innenministerium und/oder dessen "Innenarchitekten" und "Innenarchitektinnen"!
Auch Leserinnenbriefe an die Presse könnten in einem solchen Fall übrigens etwas bewirken.


eingetragen von Elke Philburn am 22.03.2002 um 08.42

Wieviele Leute gibt's eigentlich, die bei dem Plural Schüler nur an Jungen denken?


eingetragen von Sigmar Salzburg am 22.03.2002 um 07.55

Durch Josef Kraus "Spaßpädagogik" (Kapitel 26 Die »lingua paedagogica correcta«) zum Wiederlesen angeregt: Paragraph 90 des schleswig-holsteinischen Schulgesetzes:

8) Zu den Vertreterinnen und Vertretern der Eltern, Schülerinnen und Schüler gehören kraft Amtes die oder der Vorsitzende des Schulelternbeirats und, sofern vorhanden, die Schülersprecherin oder der Schülersprecher. Die übrigen Vertreterinnen und Vertreter der Eltern werden vom Schulelternbeirat für die Dauer von zwei Schuljahren gewählt. Die übrigen Vertreterinnen und Vertreter der Schülerinnen und Schüler werden von dem obersten Beschlußorgan der Schülervertretung für die Dauer eines Schuljahres gewählt; das Statut der Schülervertretung kann eine Wahl durch alle Schülerinnen und Schüler vorsehen. Die Mitgliedschaft erlischt, wenn kein Kind der Vertreterin oder des Vertreters der Eltern die Schule mehr besucht oder die Vertreterin oder der Vertreter der Schülerinnen und Schüler die Schule verläßt.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 10.03.2002 um 11.19

Der "KÖLNER KNÜNGEL" wird als einer der größten
Skandale der Nachkriegszeit bezeichnet.
Bei NTV gestern abend mit Erich Böhme war
Hans Leyendecker von der SZ anwesend.
Er zeichnet offensichtlich verantwortlich für die
Aufdeckung des Skandals.

Seine investigativen Neigungen und/oder Fähigkeiten
könnte er einem ebenso großen Skandal widmen, nämlich
in dem Sumpf der Reformkommissionsverschwörung
wühlen.
































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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Theodor Ickler am 09.03.2002 um 13.58

Einer der Politiker, die mir den dritten Bericht der Rechtschreibkommission besorgt haben, beschwor mich in einem Brief:

"Um Himmels willen! Sagen Sie bloß keinem, wo Sie den Bericht herhaben - ich werde von den eigenen Leuten gesteinigt!"

Das gibt doch sehr zu denken. Da es keinen Politiker gibt, der von sich aus Interesse an einer Rechtschreibreform gehabt hätte, müssen hier andere Kräfte am Werk sein.


__________________
Th. Ickler


eingetragen von Walter Lachenmann am 09.03.2002 um 07.22

Ich weiß natürlich ganz genau, daß 40-jährig und Recht haben krottenfalsche Schreibungen sind. Das sollte witzig sein. Ist es aber wohl doch nicht. Ich sehe es reuig ein: Mit sowas macht man keine Scherze.
(Auch nicht mit so ernsten Themen wie dem von der Doppelbelastung. Aber wenn schon die eigene Frau drüber lacht? Ich meine jetzt meine richtige.)
Kommt alles nicht wieder vor. Es tut mir Leid.
Herr Ickler, bitte nicht auch noch ein Kochbuch!
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 09.03.2002 um 03.09

Lieber Herr Lachenmann, bei uns ist das anders geregelt. Meine Frau will nie recht haben, dafür erledige ich das Kochen. Nachschlagen tu ich also bloß im Kochbuch, obwohl ich eigentlich auch da im voraus weiß, was drinsteht, und mich sowieso nicht daran halte.
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Th. Ickler


eingetragen von Elke Philburn am 09.03.2002 um 01.48

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Wie oft hat man beim Nachschlagen m "Rechtschreibwörterbuch" gefunden, was man sich ohnehin schon gedacht hatte!

Kann ich nur bestätigen.

Zitat:
Im Grunde wissen wir, wie geschrieben wird, nicht wahr?


Ganz richtig.

(Übrigens: Das Jammern von Frauen über die 'Doppelbelastung' soll nur darüber hinwegtäuschen, welche Erleichterungen die Automatisierung des Haushalts mit sich bringt. Es gehört dazu wie das Klappern zum Handwerk.)



eingetragen von Christian Melsa am 09.03.2002 um 01.36

Ich stelle einmal einen Kommentar von Prof. Jochems aus dem Nachrichtenbrett hierher, da er genau zu dem Thema dieses Diskussionsstrangs paßt. Die angedachten Lösungsansätze gefallen mir übrigens sehr gut.

Mindeststandards als Empfehlung
Helmut Jochems 9.3.2002

Plädoyer für eine plebiszitäre Schreibfreiheit

Als die Kultusministerkonferenz 1955 auf Betreiben des Dudenverlags die von der Gesellschaft für deutsche Sprache empfohlenen „Neuschreibungen“ von Lutz Mackensen in dessen 1954 bei Bertelsmann erschienenem Rechtschreibwörterbuch verwarf und dekretierte, bis zur Rechtschreibreform sei der Duden amtlich, konnte niemand ahnen, welch ein Freibrief damit einem Wörterbuchverlag erteilt war. Der Duden hat sich nie in seine Karten schauen lassen, aber vielleicht hat er ja tatsächlich nur jeweils eine der in der Schreibpraxis vorgefundenen Varianten zur Norm erklärt. Da sich die Getrennt- und Zusammenschreibung und zum Teil auch die Groß- und Kleinschreibung bei uns weiterhin im Fluß befinden, hieb- und stichfeste Regeln folglich nicht zu formulieren waren (und sind), mußte notwendigerweise von Fall zu Fall und gelegentlich auch widersprüchlich entschieden werden. Alle Polemiken gegen die deutsche Rechtschreibung in den Jahren vor 1996 beschränkten sich auf diese beiden Bereiche. Die Kultusminister wären gut beraten gewesen, wenn sie 1996 die arbiträre Dudenpraxis durch eine einfache Regelung für die Schulen außer Kraft gesetzt hätten:

In den problematischen Fällen der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung weist die deutsche Sprache heute Schreibvarianten auf, die weder grammatischen Vorgaben noch dem Sprachgefühl kompetenter Schreiber widersprechen. Sie sind auch im Schulunterricht zugelassen und gelten in schriftlichen Arbeiten nicht als Fehler.

Mir ist aus keiner anderen europäischen Sprache ein amtliches orthographisches Regelwerk bekannt. Eine staatliche Normierung der Rechtschreibung ist ja auch aus zwei Gründen wenig sinnvoll:

1. Sie behindert die Weiterentwicklung der orthographischen Gepflogenheiten, da Korrektoren und neuerdings Computer-Rechtschreibprogramme sinnvolle Neuerungen unterdrücken und so der öffentlichen Aufmerksamkeit entziehen.

2. Sie zwingt loyale Staatsbürger, in kritischen Fällen gegen staatliche Regelungen zu verstoßen, da die amtliche Normierung jede Art von Abweichung ausschließt.

Aus der gegenwärtigen Rechtschreibkrise gibt es nur einen Ausweg: Die Neuregelung von 1996 wird ersatzlos gestrichen, ohne zugleich wieder privilegierte Wörterbuchverlage in ihre alten Rechte einzusetzen. Gleichzeitig werden alle Institutionen, die in Umsetzung der Neuregelung von der bisherigen Schreibpraxis abweichende Vorschriften festgelegt haben, gebeten, auch in ihrem Bereich die Rechtschreibung freizugeben. Für das Jahr 2012 wird eine orthographische Konferenz einberufen, die für Schulen und Behörden Mindeststandards formuliert, die dann als Empfehlung gelten.

Wer dies für utopisch hält, sollte sich eins vor Augen halten: Aus der Neuregelung kann sich kein Sprachgefühl entwickeln, das später einmal zu einer neuen Schreibsichertheit führt. Ein hoher Grad von Beliebigkeit ist also für die nächste Zukunft ohnehin nicht zu vermeiden. Wenn man aber sowohl eine kultivierte Rechtschreibung will, wie sie die übrigen europäischen Sprachen kennen, wie auch mit der früheren und heutigen Gängelung Schluß machen möchte, führt kein Weg an einer plebiszitären Schreibfreiheit von etwa zehn Jahren vorbei.


eingetragen von Walter Lachenmann am 08.03.2002 um 22.05

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Ich habe zwar sogar in dieser erlauchten Forumsgesellschaft ein bißchen Überzeugungsarbeit leisten müssen, um den Verdacht abzuwehren, daß ich einer Beliebigkeitsschreibung das Wort rede, aber inzwischen hat sich mancher wohl durch die Erfahrung von der Richtigkeit meiner Vermutung überzeugt.
Da würde ich mich an Ihrer Stelle nicht zu früh freuen. Noch sind die Keulen nicht eingemottet ...
Vielleicht hat sich nur die Schlachtordnung der Antiimperialisten, der keiser-wadlbeißer, verheddert.
Und haben nicht auch Sie, werther Theosaurios, einiges von uns ungläubigen Thomaner Chorknaben lernen können?

Und noch was, Sie wissen es auch: Nachschlagen macht Spaß! Bei uns zum Beispiel ist es so, daß ich immer laufen muß, wenn beim Essen das Salz oder die Butter oder der Braten nicht auf dem Tisch sind. Also wirklich, ich kann jetzt nicht mehr, geh Du (bei uns mit D), jetzt koch' ich schon die ganze Zeit, dann hab ich noch den ganzen Haushalt und die Doppelbelastung und bin eine allein erziehende Mutter von inzwischen 40-jährigen Töchtern, und als Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft hat man's eh nicht leicht, also ich muß jetzt mal endlich sitzen bleiben, sagt sie. Und dann will jeder, ausgerechnet wenn man endlich beim Essen sitzt, Recht haben, wenn es darum geht, wie etwas geschrieben wird oder wo ein Wort herkommt, oder wer wie heißt. Ist ja egal, das klären wir hinterher, sagt er. Und sie flitzt wie von der Tarantel gestochen rauf in die obere Etage und bringt sämtliche Nachschlagewerke und beweist, daß sie natürlich Recht hatte.
Ist doch so, oder?
__________________
Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 08.03.2002 um 14.15

lieber Kujon, wozu sonst habe ich denn das Rechtschreibwörterbuch gemacht? Aber hier kann man einen eigenartigen Effekt beobachten (meinetwegen den "Theosaurier-Effekt"). Während die Reformer anstrebten, die Rechtschreibung im Schulunterricht niedriger zu hängen (was allerdings von Gallmann und auch vom Duden als durch Reform unerreichbar zurückgewiesen wurde), haben sie das Gegenteil bewirkt und brüsten sich auch noch damit, daß durch die Reform das Nachschlagen zum selbstverständlichen Alltag geworden sei. Bei meinem deskriptiven Ansatz dagegen braucht man sich nur ein wenig hineingedacht zu haben und wird fortan viel weniger zum Nachschlagen neigen. Ich habe zwar sogar in dieser erlauchten Forumsgesellschaft ein bißchen Überzeugungsarbeit leisten müssen, um den Verdacht abzuwehren, daß ich einer Beliebigkeitsschreibung das Wort rede, aber inzwischen hat sich mancher wohl durch die Erfahrung von der Richtigkeit meiner Vermutung überzeugt. Wie oft hat man beim Nachschlagen im "Rechtschreibwörterbuch" gefunden, was man sich ohnehin schon gedacht hatte! Im Grunde wissen wir, wie geschrieben wird, nicht wahr? An den Rändern (kujonieren) natürlich nicht, das haben Ränder so an sich. (Der Begriff hat mir immer gut gefallen, aber als ich mein Büchlein "Die Ränder der Sprache" schrieb, hatte ich - ich schwöre es - nicht die geringste Ahnung, daß es ein Reclam-Bändchen gleichen Titels schon gab.)
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 08.03.2002 um 13.16

Wie wäre es für die 2. Aufl. mit dem Titel
Der Rechtschreib-Terminator
Das Ende aller orthographischen Schrecknisse

von Theosaurus Ickler


eingetragen von Walter Lachenmann am 08.03.2002 um 10.26

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Kujon, mündiger!


Ich google mich vor Lachen! Aber im Ernst: Natürlich schreibt auch der mündige und erst recht der kundige Rechtschreibbürger »kujonieren«, denn sonst ist der nächste Schritt »telefonnieren« usw. Aber da sich jeder mal vertut, braucht halt auch der mündige und erst recht der unmündige Kutter- oder Schifffahrer im Orthographienebel manchmal einen Kompaß, damit er wieder weiß, woher der Wind weht. Stimmt doch, oder?
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 08.03.2002 um 09.57

Google: kujonieren 266mal, kujonnieren (Null).

Nicht, daß ich das zwingend fände, aber ...

Th. I. (Deskriptor)

(Neulich wurde übrigens der populistische Oberbürgermeister von Nürnberg in den Nürnberger Nachrichten als "Populator" bezeichnet.)
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Th. Ickler


eingetragen von Walter Lachenmann am 08.03.2002 um 05.37

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Vor Jahren habe ich mal die kecke Behauptung aufgestellt: Ein Rechtschreibproblem, das selbst der Deutschlehrer nur durch Nachschlagen lösen kann, ist gar keins.


Das war - hoffentlich - vor sehr, sehr vielen Jahren, als es noch Visionäre gab, die zum Beispiel auch davon überzeugt waren, daß alle Menschen gut wären, wenn es nur die bösen Unterdrücker nicht gäbe. Und daß die schwierigen Rechtschreibregeln genau von diesen ersonnen worden seien, nur um damit die Wenigschreiber, etwa die der Schiffart Kutter, zu kujonnieren (spätestens bei diesem Wort muß auch der rechtschreibmündige Bürger nachschlagen und findet bei Ickler nur ein n, bleibt aber, mündig wie er ist, bei zweien, denn er schreibt auch abonnieren, da läßt er sich nicht dreinreden oder drausbringen, den Duden nimmt er wegen so einer Petitesse erst gar nicht zur Hand).
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 08.03.2002 um 04.36

Wie auch immer man sich Rechtschreibung vorstellt, es muß auf jeden Fall dahin kommen, daß der gebildete Deutsche nicht nachschlagen muß, wenn er ernstnehmen oder leichtnehmen schreiben will. Der Deutschlehrer muß spätestens als Student gelernt haben, daß solche Verbindungen sprachgerecht sind, aber nicht zu der kleine Gruppe der immer zusammengeschriebenen Verbzusatzverbindungen gehören.

Zum Vergleich: Wenn der Lehrer Grammatikfehler (weil mit Hauptsatzstellung) oder unschöne Wiederholungen anstreicht (und dann ... und dann), kann er sich nicht auf ein vergleichbar verbindliches Werk wie den Duden stützen und braucht es auch nicht. Ich habe absichtlich zwei Beipiele gewählt, die sich sprachsystematisch durchaus verteidigen lassen. Trotzdem urteilt jeder Lehrer hier ganz unbefangen.

Vor Jahren habe ich mal die kecke Behauptung aufgestellt: Ein Rechtschreibproblem, das selbst der Deutschlehrer nur durch Nachschlagen lösen kann, ist gar keins.

Als mildernde Einzelheit kann ich ja zugeben: Auch der belesenste Deuschlehrer wird nicht immer wissen, was das Üblichste ist. Für ihn gibt es das Rechtschreibwörterbuch. Aber das geht in jedem Falle über das Schulrelevante hinaus.
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 07.03.2002 um 22.25

Man muß berücksichtigen, daß die damalige Öffentlichkeit das Treiben der Konferenztheilnehmer mit großem Argwohn beobachtete und gerade die Entscheidungen mit wechselnden Mehrheiten die Ergebnisse letztendlich wirkungslos gemacht haben. Die Nachfolger der damaligen Experten haben daraus gelernt, ihre Versammlungen von vornherein geheimzuhalten.


eingetragen von Christian Melsa am 07.03.2002 um 21.57

Hm, das ist in der Tat befremdlich unsystematisch. Daß man sich da nicht wenigstens überall auf eh einigen konnte, man hätte das ja generell zur Abstimmung bringen können.

Nun ist es beim deskriptiven Ansatz so, daß man statt einem kleinen Grüppchen versammelter "Weiser" einfach die ganze Sprachgemeinschaft abstimmen läßt (aber aus der Perspektive des lernenden Individuums ergibt sich daraus ja eigentlich die gleiche Schwierigkeit). Nehmen wir mal an, es entwickelt sich in der Sprachgemeinschaft - aus welchen Gründen auch immer - im Schreibgebrauch eine ähnliche, neue Unsystematik. Wie wäre damit umzugehen? Auf Laut-Buchstaben-Ebene ist gerade bei e, eh, ee die Unsystematik ja bereits vorhanden (Stelen, stehlen, Seele, selig). Man könnte also nicht sagen, daß ein Wandel auf diesem Gebiet irgendwelchen bestehenden Regeln widersprechen würde.

Also wieder die Frage nach den Aufnahmekriterien. Ein Wörterbuchautor wie Ickler kann sich natürlich die Freiheit nehmen und sagen, hier, das ist jetzt eben mein Wörterbuch, so habe ich das mit meinem Fachwissen aus dem Bestand ausgesucht, ich empfehle diese Schreibweisen. Ein anderer Wörterbuchautor trifft eine andere Wahl, nimmt weniger übliche, jüngere Schreibweisen als zusätzliche Varianten auf. An dieser Stelle würde die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenvariante tatsächlich Sinn machen, es müßte dann also die alte und neue Schreibung entsprechend gekennzeichnet sein, damit der Benutzer eine Grundlage hat, seine Wahl zu treffen. Das dürfte im normalen Leben eigentlich zu keinen Problemen führen, höchstens in der Schule. Da müßte man sich einen ganz neuen Umgang mit Rechtschreibfehlern einfallen lassen, denn ein Lehrer kann ja schlecht andauernd alle möglichen Wörterbücher wälzen, um nachzuschauen, ob das, was er dem Schüler da gerade anstreichen möchte, eventuell nicht doch irgendwo "erlaubt" ist. Hier liegt wohl der eigentliche Knackpunkt. Nur hier hat der Staat eine Ordnung vorzunehmen - jedenfalls solange die Schulen noch so staatlich organisiert sind. Ein neues Orthographie-Referenzwerk küren? Dann sind wir wieder da, wo wir vorher schon waren. Ich glaube, es wäre also nicht nur aus diesem Grund gut, wenn man einzelnen Schulen, ja einzelnen Lehrern, mehr Unabhängigkeit gewähren würde, d.h. mehr Mündigkeit zutrauen, wenn der Staat also auch dort seine Hände aus dem Spiel nehmen würde. Den einzelnen Schulen übergeordnete Einheitsprüfungen und ein differenzierteres System zur Leistungskontrolle, sprich: Notengebung, wären sicher ein Fortschritt. Das Phänomen Rechtschreibreform stellt so auch an dieser Stelle ein Symptom tieferliegender Probleme dar.


eingetragen von Theodor Ickler am 07.03.2002 um 19.26

Auszug aus dem Protokoll von 1876:

"eh wird beibehalten in: befehlen, empfehlen (einstimmig), Fehl, fehlen, Kehle, Mehl, Mehltau, stehlen (mit 10 Stimmen), in Quehle oder Zwehle (mit 7 St.).
Dagegen wird für die Wörter helen, verhelen, Hel nebst verholen, unverholen die Schreibung ohne h mit 8, für die beiden letztgenannten mit 11 Stimmen beschlossen.
eh wird ferner (mit großer Mehrheit) beibehalten in nehmen, genehm (...), mit 8 St. in Lehm."

Usw. - über viele Seiten hin!

Das kann man nicht wissen, und man sieht auch nicht ein, warum das so sein soll. Ein Irrweg, ganz offensichtlich.
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Th. Ickler


eingetragen von Christian Melsa am 07.03.2002 um 18.25

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Wie kann der Rechtschreibbeflissene jeweils erraten, was solchen Herren seinerzeit richtig erschienen sein mag?
Man meinte wohl, der Betroffene solle da ja gar nicht raten, er solle es wissen! Dazu mußte man die Schreibungen eben auswendig lernen. Aber immerhin war durch die Abstimmung geklärt, welche Schreibungen überhaupt.


eingetragen von Theodor Ickler am 07.03.2002 um 17.59

Wenn man die jetzt leicht zugänglichen Protokolle der Verhandlungen der I. Orthographischen Konferenz 1876 liest, erkennt man, daß schon damals der Irrweg der Einzelwortfestlegung beschritten wurde. Über Hunderte von Wörtern haben die 14 gelehrten Herren einzeln abgestimmt! Dabei kamen mal 7, mal 8 und mal 11 Stimmen zusammen, und je nachdem wurde dann die Wortschreibung so oder so festgelegt. Wie kann der Rechtschreibbeflissene jeweils erraten, was solchen Herren seinerzeit richtig erschienen sein mag? Endloses Nachschlagen wäre die Folge gewesen, und so kam es ja dann auch.

Ich schließe daraus, daß Abstimmungen dieser Art bzw. die gleichwertigen Einzelwortfestlegungen der Dudenredaktion nicht die Lösung sein können. Das Rechtschreibwörterbuch hat innerhalb eines Rahmens von sprachrichtigen Möglichkeiten (Regelwerk) über das jeweils Üblichste Auskunft zu geben, damit der Schreibwillige so schreiben kann "wie die anderen", also unauffällig.

Übrigens haben wir all diese Fragen schon jahrelang durchdiskutiert, und wenn wir jetzt noch einmal anfangen, dann Herrn Kürschner zuliebe, der erst später zu uns gestoßen ist. Aber mir kann es nur recht sein.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 07.03.2002 um 12.56

des Bildes hier ein kleiner Disput, den die VRS-Presseerklärung auslöste :

3 Mar 2002 00:03:39 +0100

Hallo, Herr Markner,

daß der uneingeschränkte Vorrang einer deskriptiven (!) vor einer (zumindest moderat) präskriptiven Orthographie von der Mehrheit der VRS-Mitglieder gewünscht ist, geschweige denn je so als Vereinsmeinung beschlossen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis bzw. läßt sich für mein Teil kategorisch verneinen.

Die Meinung anderer Vereinsmitgieder hierzu würde mich interessieren.

Nur kurz: Letzte Konsequenz des - sage ich jetzt einmal ein wenig polemsich - ewigen Deskriptivismus in der neueren deutschen Ortographiegeschichte ist m. E., daß - und ich finde, wir sind nicht mehr so weit weg davon... - jeder individuell so schreibt, wie ihm "die Feder gewachsen ist" (was ja sogar das BVG für den nichtstaatlichen Schriftverkehr so postuliert hat). Dann gibt es im Zuge der momentan schon in vollem Gange befindlichen Auflösung der Kategorie Rechtschreibung überhaupt nämlich keine "Recht-" (i. S. v. Richtig-) Schreibung mehr (denn was "richtig" ist, ist letzten Endes - zumal in historischen Sprachen mit langer Geschichte, die ja bekanntlich nur bedingt logisch sind -, von einigen linguistisch begründbaren Fällen
abgesehen, allein auf Konvention beruhend und m u ß insofern ein Stück weit p r ä s k r i p t i v sein!

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Rupp

***

3. 3. 2002, 2:32

Sehr geehrter Herr Rupp,

was mit deskriptivem Ansatz in bezug auf die Orthographie gemeint ist, erschließt sich nicht auf Anhieb. Ich kann hier nur so viel sagen: regelloses Chaos ist nicht die Folge. Was die Mehrheit der VRS-Mitglieder glaubt und meint, weiß ich nicht. Ich stelle allerdings immer wieder ein großes Interesse der Mitgliedschaft an unfruchtbaren internen Auseinandersetzungen fest. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre es zweifellos hilfreicher, den einen oder anderen Leserbrief zu schreiben.

Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Markner

***

3 Mar 2002 23:05:09 +0100

Sehr geehrter Herr Markner,

das Stichwort "deskriptiv" haben Sie ins Gespräch gebracht. Ich wüßte auch nicht, daß es hierüber eine Auseinandersetzung gibt.
Dennoch denke ich, daß es möglich sein muß, sich intern darüber klar zu werden, was man eigentlich will.
Klar wollen wir wohl alle, daß die verhaßte Dumm- und Beliebigkeitsschreibung möglichst schnell wieder das Zeitliche segnet.
Doch was soll danach kommen? Icklers Wörterbuch? Die Duden-Graphie der letzten "guten" Ausgabe?
Hierüber sollte man sich im klaren sein.

Meine Meinung:
Um eine stabile, realistische Grundlage für die Abschaffung der Dumm- und Beliebigkeitsschreibung zu haben, sollte zunächst die Dudengraphie der 20. Auflage wiedereingeführt werden. Auf dieser Grundlage sollte ein Gremium (über dessen Zusammensetzung und Legitimation man sich noch Gedanken machen müßte; warum aber z. B. nicht etwas Vergleichbares zur Académie française?) die ja auch in der 20. Auflage des Dudens existierenden umstrittenen Graphien diskutieren und beschließen.
Voraussetzung für die Mitgliedschaft in diesem Gremium sollte m. E. ein linguistisches Studium oder eine vergleichbare Qualifikation sein.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Rupp

***

[Ich antwortete mit dem Hinweis, daß das von Herrn Rupp vorgeschlagene Verfahren dem der KMK entspreche, das zur Rechtschreibreform geführt habe.]

***

4 Mar 2002 22:08:42 +0100

Sehr geehrter Herr Markner,

Sie haben meine Zeilen leider nicht genau gelesen: Ich sprach von einem Experten- (!) Gremium... (und nicht von einem Haufen losgelassener verhinderter Sprachreformer).

Im übrigen: Die jedwedem deutschen Sprachgremium an Tradition und Einfluß um ein Vielfaches überlegene französische "Académie française" hat, nachdem sie Ende der 80er Jahre die damalige französische Rechtschreibreform zunächst aktiv mitgetragen hatte, den Mut gehabt,
ihren Fehler zu erkennen, ihn öffentlich einzugestehen und zu "widerrufen".
Daß hierzu eine deutsche "KMK" offensichtlich nicht im Ansatz imstande ist, spricht Bände über die Hybris dieses Pseudogremiums...
(das man m. E. im Lauf der bundesrepublikanischen Geschichte einfach vergessen hat wieder abzuschaffen).
>
> Es gab und gibt die Möglichkeit, die von Ihnen
> aufgeworfenen Fragen bei http://www.rechtschreibreform.com zu
> diskutieren. Ich wiederhole aber, daß es zur Zeit
> sinnvoller wäre, DIE WELT bei ihrer Kampagne zu unterstützen.

Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen...

In diesem Sinne
mit freundlichen Grüßen
Stephan Rupp

***

6. 3. 2002, 10:26

Sehr geehrter Herr Rupp,

ich habe Ihre Zeilen durchaus genau gelesen. Sie sprechen und sprachen von einem »Experten-(!) Gremium«, und als Qualifikation nannten Sie ein abgeschlossenes Linguistikstudium. Man kann Professor Augst und seiner Truppe vieles vorwerfen, aber daß sie kein Examen abgelegt hätten, geht dann doch etwas weit. Diese Leute sind selbstverständlich »Experten«. Daran ändert die Tatsache nichts, daß sie eine schiefe Auffassung jener Sachverhalte haben, mit denen sie sich professionell beschäftigen.

Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Markner

***

6. 3. 2002 21:58:15 +0100

Sehr geehrter Herr Markner,

warum so polemisch?

Für mich ist - trotz abgeschlossenen Studiums ( ;-) ) - Prof. Augst kein ernstzunehmender Experte. Es gibt in jedem Stall schwarze und weiße Schafe.
Daß wir deswegen jetzt aber anfangen, ein mit Ärzten oder jeder beliebigen anderen Berufsgruppe besetztes Gremium über unsere geliebte Muttersprache entscheiden zu lassen, geht doch etwas zu weit.

Letzten Endes fehlt vielen sogenannten Experten eben eines:
Fingerspitzengefühl und historisches Bewußtsein, die auch eine große Verantwortung vor einer Sprachfamilie mit fast 100 Mio. Sprechern einschließt.

Mit beidem waren eigentlich - hélas..! - unsere Duden-Redakteure bis zum vergessenswürdigen Tag der Geburt dieser "amtlichen Rechtschreibregeln" in den meisten Fällen ausgestattet.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Rupp

***

6 Mar 2002 11:39:43 +0100

>Von:
Merkwürdig, daß bei Post von Herrn Markner nie der Absender erscheint.
[Keine Absicht, R. M. / r_markner@yahoo.com]

Die Lösung liegt darin, UNABHÄNGIGE Fachleute zu finden - keinesfalls sollten es nur Sprachwissenschaftler (Linguisten) sein.
- unabhängig vom Kapital (Stichwort Wörterbuchverlage)
- unabhängig von den kurzfristigen Interessen der Politik (Stichwort KMK)

Eben solche Fachleute wie Theodor Ickler.

Ich meine eine Unabhängigkeit nicht nur vom "Staat" (wie die Kultusminister fälschlicherweise in der VRS-Presseerklärung bezeichnet werden), sondern
auch vom großen Kapital und von Verbandsinteressen.

Thomas Paulwitz
Schriftleiter
thomas-paulwitz@deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Theodor Ickler am 07.03.2002 um 10.23

Der Staat interessiert sich so wenig für die Rechtschreibung wie die Kapitalisten.
Ursprünglich hatten die staatlichen Schulbehörden den Unterricht im Sinn, der vor oder unmittelbar nach der Reichsgründung an einer Vereinheitlichung der RS interessiert sein mußte. Nachdem die Einheitsorthographie hundert Jahre lang eingeübt war und gut funktionierte, mußten die Reformeiferer den Staat zum Jagen tragen. Sie holten sich von ihm, wie Zabel so unnachahmlich sagt, den Auftrag. Das war eine Glanznummer. Der Staat wollte nämlich gar nicht. Das läßt sich aus den Zabel-Dokumenten noch ablesen.
Als das Ding am Laufen war, entstanden Interessen bei Verlegern (an Planungssicherheit), und es kann sein, daß ganz große Verlage die Reform als Gelegenheit zur Marktbereinigung nutzten. Klett schluckte Auer, Bertelsmann schluckt vielleicht Brockhaus, wer weiß?
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Thomas Paulwitz am 07.03.2002 um 09.18

Tatsache ist doch, daß die Kultusminister die Regelung der Rechtschreibung erst an sich gerissen und dann wieder abgegeben haben. Bei dem letzten Treffen der Kultusministerkonferenz wurde doch deutlich, daß die Minister (zu deutsch Staatsdiener) nicht mehr daran denken, sich groß mit der Rechtschreibreform zu beschäftigen und lieber die Zwischenstaatliche Rechtschreibkommission im Verbund mit den großen Verlagen vor sich hin werkeln lassen.

Der Staat könnte aber auch einen freien Markt schaffen. Tut er das nicht, bekommen wir eben die heutigen Zustände, und die Kapitalisten beherrschen den Staat und "weisen ihn die Schranken".
__________________
Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Matthias Dräger am 07.03.2002 um 06.27

Entstaatlichung
8.3.2002
Theodor Ickler
KOMMENTAR



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Mißverständnis

Ich schlage vor, das Nachrichtenbrett von dieser Diskussion zu entlasten und dorthin zurückzukehren, wo sie ja bereits seit längerer Zeit geführt
worden ist, also ins Forum.

FriMar803:29:32GMT2002

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1. Entwurf
8.3.2002
Matthias Dräger
KOMMENTAR



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Klärung der Begriffe - ein Versuch

Staatliche (präscriptive) Rechtschreibung versus normale (descriptive) Rechtschreibung

„Alte“ Rechtschreibung:

Halbstaatliche Regelung, „Duden ist verbindlich in allen Zweifelsfällen“: de facto descriptiver (beschreibender)
Ansatz, Ausrichtung an der Rechtschreibung der Schreibgemeinschaft, aber noch mit unnötigen
Spitzfindigkeiten

Kennzeichen: breiteste Akzeptanz, aber noch unnötige Einzelfestlegungen
Wörterbuch: Sehr gute Benutzbarkeit auch älterer Auflagen



Staatliche Rechtschreibung:

Rechtschreibreform(en), d. h. vorgegebenene, konstruierte, künstliche Rechtschreibung (die Gemeinschaft der
Schreibenden entmündigend)

Kennzeichen: Willkürliche Einführung neuer, konstruierter Schreibweisen und Regeln, ohne Notwendigigkeit, z. B. „Schloß“, „daß“, plötzlich,
ohne erkennbaren Anlaß, zu „Schloss“, „dass“ (in diesem Fall mit Verschlechterung und Verflachung der Schrift zum Nachteil der Leser)
Fortschreibung der willkürlichen Schreibungen durch neue willkürliche Schreibungen durch eine Zwischenstaatliche Kommission in Verbindung
mit dem „Staat“ (d. h. vor allem: Frau Palmen-Schrübbers, etc.) treu ergebenen Wörterbuchverlagen
Wörterbücher:großes Geschäft mit immer wieder neuen, vorfristig veralteten Ausgaben zu Lasten der Allgemeinheit



Neuer Ansatz (Ickler):

Rein deskriptive Rechtschreibung: Dokumentation der tatsächlich verwendeten Rechtschreibung,
Selbstnormierung des Systems der allgemein akzeptierten Rechtschreibung, normale Rechtschreibung

Kennzeichen: Beibehaltung der bisher verwendeten bewährten Rechtschreibung. Muß sich als neues Konzept behaupten gegenüber einer von
Amts wegen angeordneten mehr oder weniger willkürlichen, teils ungrammatikalischen Rechtschreibung („so Leid es mir tut“).
Hat die Staatsmacht gegen sich, wie sie derzeit in Form einigen namentlich bekannter „Einzelkämpfer“ auftreten (und die von sich kaum
behaupten dürfen, daß sie den Willen der Mehrheit der Bevölkerung oder gar der Gemeinschaft der professionell Schreibenden repräsentieren).
Wörterbuch: wie vormals der „Duden“ voraussichtlich lange „Standzeit“, da an der Schreibgemeinschaft ausgerichtet

KOMMENTAR: Mißverständnis

FriMar801:22:51GMT2002

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Verlage und Staat
8.3.2002
Thomas Paulwitz
KOMMENTAR



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Verlage bedienen sich der Staatsmacht...

... und weisen damit den Staat in die Schranken.

„Dieser Kommentar ist mir leider unverständlich. Soweit ich es durchschaue, haben große Verlage sich der Staatsmacht bedient ...“

Eben. Und den schwachen Staat in die Schranken gewiesen.

„...und genießen, wie man sieht, die besondere Rücksichtnahme der Rechtschreibkommission. Aber sonst? Was mit Entstaatlichung der
Rechtschreibung gemeint ist, sollte klar genug sein.“

Mit dem ungenauen Begriff „Entstaatlichung“ kann eigentlich nur gemeint sein, daß der Staat die Rechtschreibung nicht mehr den großen
Verlagen überläßt, sondern für möglichst große Freiräume sorgt, in denen die Sprachgemeinschaft die Sprache gestalten kann. Schafft er die
Freiräume nicht, bedienen sich eben die Kapitalisten der Sprache.

ThuMar721:27:14GMT2002

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Sprache ohne Staat
7.3.2002
Theodor Ickler
KOMMENTAR



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Wie bitte?

Dieser Kommentar ist mir leider unverständlich. Soweit ich es durchschaue, haben große Verlage sich der Staatsmacht bedient und genießen, wie
man sieht, die besondere Rücksichtnahme der Rechtschreibkommission. Aber sonst? Was mit Entstaatlichung der Rechtschreibung gemeint ist,
sollte klar genug sein.

KOMMENTAR: Verlage bedienen sich der Staatsmacht...

KOMMENTAR: Klärung der Begriffe - ein Vesuch

ThuMar720:48:58GMT2002

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Staat und Sprache
7.3.2002
Thomas Paulwitz
KOMMENTAR



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„den Staat in seine Schranken weisen“

So wie Bertelsmann?

„Um der Sprachgemeinschaft als einer entdeckenden und erfindenden Gruppe gerecht zu werden, muß man freilich den Staat in seine Schranken
weisen.“

Die großen Wörterbuchverlage haben den Staat eigentlich ziemlich erfolgreich in die Schranken gewiesen. Ob es der Rechtschreibung gefrommt
hat, bezweifle ich.

KOMMENTAR: Wie bitte?


eingetragen von Theodor Ickler am 07.03.2002 um 03.43

Auf der Nachrichtenseite schrieb Thomas Paulwitz:

"Mit dem ungenauen Begriff „Entstaatlichung“ kann eigentlich nur gemeint sein, daß der Staat die Rechtschreibung nicht mehr den großen Verlagen überläßt, sondern für möglichst große Freiräume sorgt, in denen die Sprachgemeinschaft die Sprache gestalten kann. Schafft er die Freiräume nicht, bedienen sich eben die Kapitalisten der Sprache."

Demnach wäre eine staatliche Orthographie dadurch gekennzeichnet, daß der Staat es den großen Verlagen überläßt, wie geschrieben wird. In England richtet sich die Schulorthographie, soweit ich weiß, nach den maßgeblichen Wörterbüchern einiger weniger großer Verlage. Das wäre also im Sinne von Herrn Paulwitz eine staatliche Rechtschreibung. Bei uns bezweckt die Reform laut Blüml, die Rechtschreibung den Verlagen zu entreißen und in die staatliche Kompetenz zurückzuholen, d. h. durch eine ständige staatliche Kommission betreuen zu lassen. (Junktim von Neuregelung und Aufhebung des Dudenprivilegs.) Das wäre laut Paulwitz Entstaatlichung.

Bei einer solchen Umkehrung der Begriffe kann ich nicht mithalten. Mir ist es schon unbegreiflich, in welchem Sinne der Staat "Freiräume" schaffen könnte oder sollte, in denen wir die Sprache gestalten können. Als ob Zwang und Unfreiheit das Natürliche wäre. Die Frage ist doch, nach welchem Maßstab in der Schule die Rechtschreibung gelehrt und bewertet werden soll. Bisher legte der Staat als Schulaufsicht die Dudennorm zugrunde und neuerdings die von der eigenen Reformkommission geschaffene Neuregelung. Ich halte beides für verfehlt und setze dagegen die übliche Rechtschreibung selbst, zu ermitteln durch jeden, der sich dazu fähig fühlt. Auch große Verlage natürlich, ob kapitalistisch oder nicht, das geht doch keinen etwas an.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.03.2002 um 18.09

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Melsa

Die Frage ist also: Reden wir vom idealen grundgesetzkonformen Staat, oder reden wir vom faktischen Staat, mit dem wir es tatsächlich zu tun haben?


Wir müssen von beidem reden, um das Problem "Rechtschreibreform" politisch lösen zu können.
__________________
Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Christian Melsa am 03.03.2002 um 17.47

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Thomas Paulwitz
Bundesrat und Bundestag gehören selbstverständlich nicht zur Regierung, sondern sind Parlamente, die - direkt oder indirekt - vom Staatsvolk gewählt werden. Der Bundeskanzler wird vom Bundestag gewählt, der Kanzler schlägt dem Bundespräsidenten die Minister vor. Minister und Kanzler bilden die Bundesregierung. Dort ist derzeit kein Abkömmling der CDU/CSU zu finden, so daß man nicht von einer "rot-grün-schwarzen Regierung" sprechen kann.
Klar, so sind die Begriffe idealerweise gedacht, die Sie hier erklären. Ich hatte ja den Begriff "Regierung" auch nur mal probeweise etwas in bezug auf die faktischen Einflußzusammenhänge relativiert, um den Ansatz aufzugreifen, den Sie vorher zu "Staat" und "Volk" ins Gespräch gebracht hatten.

Die Frage ist also: Reden wir vom idealen grundgesetzkonformen Staat, oder reden wir vom faktischen Staat, mit dem wir es tatsächlich zu tun haben?

Zitat:
In der verfassungsmäßigen Ordnung sind weder Kultusministerkonferenz (KMK) noch Wörterbuchverlage zu finden. Nicht nur mit der Umsetzung der Rechtschreibreform versucht die KMK, die Ordnung zu beseitigen. Widerstand läßt sich also auch verfassungsrechtlich begründen.
Sehr richtig.


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.03.2002 um 17.15

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Melsa
Was ist denn aber nun "Regierung"? Wir reden üblicherweise von einer rot-grünen Bundesregierung. Dabei können SPD und Bündnis 90/die Grünen gar nicht alles auf Bundesebene allein durchsetzen, oft wird auch die Zustimmung der CDU benötigt, die derzeit den Bundesrat dominiert. Aber wer würde schon behaupten, wir hätten eine rot-grün-schwarze Regierung?

Oder müßten wir nicht andererseits sagen, wir haben eine Volksregierung? Denn schließlich werden doch die Parlamente vom Volk bestimmt. Nun gut, auf diese Weise kann das Volk nur sehr indirekt Einfluß nehmen, aber selbst Parlament, Bundeskanzler, Minister usw. können nur Anweisungen geben, handeln tun immer andere.

Man könnte weiterhin sagen, auch Mitwirkende von Wörterbuchredaktionen und der Kultusministerkonferenz gehörten ja zum Volk. Demnach würden deren Aktionen ja doch wieder vom Volk ausgehen. Und wenn das Volk mit dem Staat identisch ist ...

Das läuft alles auf dasselbe hinaus, wie zu sagen, Holz und Baum seien miteinander identisch.



Sie werfen aber auch alles durcheinander. Eine Regierung wird nicht von Parteien gebildet, sondern - was nicht sein muß - getragen. Es gibt auch parteilose Minister.

Aber, richtig ist, daß Parteien sehr viel Einfluß auf den Staat und seine Regierung ausüben, um nicht zu sagen, zu viel.

Ein Schnellkurs:
Bundesrat und Bundestag gehören selbstverständlich nicht zur Regierung, sondern sind Parlamente, die - direkt oder indirekt - vom Staatsvolk gewählt werden. Der Bundeskanzler wird vom Bundestag gewählt, der Kanzler schlägt dem Bundespräsidenten die Minister vor. Minister und Kanzler bilden die Bundesregierung. Dort ist derzeit kein Abkömmling der CDU/CSU zu finden, so daß man nicht von einer "rot-grün-schwarzen Regierung" sprechen kann.

++++++++++++++

Zum Abschluß noch Auszüge aus dem Grundgesetz:

Artikel 7
(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

Artikel 20
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

++++++++++++++++

In der verfassungsmäßigen Ordnung sind weder Kultusministerkonferenz (KMK) noch Wörterbuchverlage zu finden. Nicht nur mit der Umsetzung der Rechtschreibreform versucht die KMK, die Ordnung zu beseitigen. Widerstand läßt sich also auch verfassungsrechtlich begründen.
__________________
Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Christian Melsa am 03.03.2002 um 16.47

Was ist denn aber nun "Regierung"? Wir reden üblicherweise von einer rot-grünen Bundesregierung. Dabei können SPD und Bündnis 90/die Grünen gar nicht alles auf Bundesebene allein durchsetzen, oft wird auch die Zustimmung der CDU benötigt, die derzeit den Bundesrat dominiert. Aber wer würde schon behaupten, wir hätten eine rot-grün-schwarze Regierung?

Oder müßten wir nicht andererseits sagen, wir haben eine Volksregierung? Denn schließlich werden doch die Parlamente vom Volk bestimmt. Nun gut, auf diese Weise kann das Volk nur sehr indirekt Einfluß nehmen, aber selbst Parlament, Bundeskanzler, Minister usw. können nur Anweisungen geben, handeln tun immer andere.

Man könnte weiterhin sagen, auch Mitwirkende von Wörterbuchredaktionen und der Kultusministerkonferenz gehörten ja zum Volk. Demnach würden deren Aktionen ja doch wieder vom Volk ausgehen. Und wenn das Volk mit dem Staat identisch ist ...

Das läuft alles auf dasselbe hinaus, wie zu sagen, Holz und Baum seien miteinander identisch.


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.03.2002 um 16.15

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Lieber Herr Paulwitz, mit scharfsinnigen Überlegungen, was alles zum Staat gehört, kommen Sie hier nicht weiter. Das Wort hat schließlich einen bestimmten Gebrauch in der Sprache, und über den kann man sich nicht ungestraft hinwegsetzen. Gewiß bin ich auch Teil dieses Staates, aber wenn ich ein Brot kaufe oder meinen Töchtern den Kopf wasche, dann wird man nicht von staatlichen Einkäufen bzw. Kopfwaschungen sprechen. Wir wissen doch alle, was es heißt, daß in Deutschland der Staat die Rechtschreibung regelt und in anderen Ländern nicht, oder?

Staatliche Einkäufe sind Einkäufe für den Staat. Wenn Theodor Ickler etwas für den Staat einkauft, ist das ein staatlicher Einkauf.

Wenn die Regierung etwas einkauft, dann soll sie das nicht machen, um sich selbst zu bereichern, sondern - im Auftrag des Staatsvolkes - zum Nutzen des Staates, also der Allgemeinheit.

Eine staatliche Regelung der Rechtschreibung sollte demnach im Auftrag des Staatsvolkes zum Nutzen der Allgemeinheit stattfinden, wenn sie stattfindet.

Nicht umsonst erklärte der Bundestag: "Die Sprache gehört dem Volk".

Was ist aber geschehen? Eben nicht der Staat, sondern demokratisch und staatlich nicht legitimierte Akteure, die Kultusministerkonferenz (KMK), die Kommission und die Wörterbuchverlage, haben die Rechtschreibreform beschlossen und duchgesetzt.

Man kann also nicht von einer staatlichen Regelung sprechen, sondern eher von einer KMK-Regelung.

Daß ein Staatsorgan wie die Regierung einmal den Staatswillen fehlerhaft umsetzen kann, wissen wir. Das kann dann das Staatsvolk durch Wahlen oder Abstimmungen zu korrigieren versuchen.

Wir wissen auch, daß solche Versuche nicht immer erfolgreich sind. Wenn sich aber nicht einmal der Bundestag durchsetzen kann, dann ist etwas am staatlichen System vorbeigegangen.

Meiner Ansicht nach lohnt es sich schon zu differenzieren.

Eine Staatssprache ist schließlich nicht allein die Sprache der Staatsregierung.
__________________
Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Theodor Ickler am 03.03.2002 um 15.44

Lieber Herr Paulwitz, mit scharfsinnigen Überlegungen, was alles zum Staat gehört, kommen Sie hier nicht weiter. Das Wort hat schließlich einen bestimmten Gebrauch in der Sprache, und über den kann man sich nicht ungestraft hinwegsetzen. Gewiß bin ich auch Teil dieses Staates, aber wenn ich ein Brot kaufe oder meinen Töchtern den Kopf wasche, dann wird man nicht von staatlichen Einkäufen bzw. Kopfwaschungen sprechen. Wir wissen doch alle, was es heißt, daß in Deutschland der Staat die Rechtschreibung regelt und in anderen Ländern nicht, oder?
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.03.2002 um 13.26

Aus einer Leserin Zuschrift vom 4. März 2002:

"Ansonsten finde ich es nicht sehr hilfreich, dass sich die Deutsche Sprachwelt an die hergebrachten Regeln hält. Sie ist in Kraft getreten, und wir haben uns daran zu halten, es zu lernen, ob es uns gefällt oder nicht. Wer sich zur Unterstützung an Ihre Zeitung halten möchte, wird leider noch mehr verunsichert. Was sage ich meinem Kind, welches in der Schule gezwungen ist, die neue Rechtschreibung zu praktizieren? Mit Ihrem Vorbild kommt es doch nicht weiter!"
__________________
Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.03.2002 um 12.54

Auch wenn ich Gefahr laufe, mir den Mund fusselig zu reden:

Das Staatsvolk gehört auch zum Staat, nicht nur die Staatsregierung, die hier immer wieder fehlerhaft als "Staat" bezeichnet wird (so auch jüngst in der neuesten VRS-Presseerklärung).

Ich bin dagegen, das Staatsvolk aus dem Begriff "Staat" zu drängen und so die Verantwortung des einzelnen Staatsbürgers für den Staat zu übersehen. Die Ohne-mich-Haltung, den Staat mit der Regierung gleichzusetzen (etwa: "der Staat bin nicht ich, das sind die anderen"), fördert die Teilnahmslosigkeit des Staatsvolkes, die zum Stillstand führt.
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Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Walter Lachenmann am 03.03.2002 um 11.59

Caesar non supra grammaticos.
Der Kaiser hat über Grammatiker nicht zu befehlen.

Mit diesem Satz rügte Erzbischof Placentinus auf dem Konstanzer Konzil (1414-1418) den Kaiser Sigismund. Der soll dreist wie ein Kultusminister erwidert haben:

Ego sum rex Romanus et supra grammaticam.
Ich bin römischer König und stehe über der Grammatik.


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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 25.02.2002 um 14.11

Hinzuweisen ist auf ein neues Buch:

Nerius, Dieter (Hg.): Die orthographischen Konferenzen von 1876 und 1901. Hildesheim, Zürich, New York: Olms 2002. (Documenta orthographica Abt. B, Band 5.

Der Band ist sehr nützlich, weil er die Vorlagen und Protokolle der beiden Konferenzen enthält, manches wird hier zum erstenmal veröffentlicht.

Leider mißbraucht Nerius die Einleitung dazu, seine alte Geschichte vom staatlichen Einfluß aufzuwärmen und damit indirekt die heutige Staatsorthographie zu rechtfertigen:

"Ein zweiter Grund für die Veröffentlichung der Materialien beider Konferenzen ergab sich aus den aktuellen Diskussionen um die 1996 beschlossene Neuregelung der deutschen Orthographie. Diese Diskussionen legen es nahe, die konkreten Einzelheiten des Zustandekommens der bisher geltenden Regelung noch einmal vor Augen zu führen, denn in den Auseinandersetzungen um die jüngste Rechtschreibreform wurde von Gegnern der Neuregelung nicht selten der Eindruck erweckt, als ob die bisherige Regelung einen gewissermaßen natürlich gewachsenen Geltungsanspruch besäße, der Eingriffe von außen durch staatliche Institutionen von selbst verbiete. Dies wird durch die orthographiegeschichtlichen Fakten, wie sie sich in den Konferenzmaterialien zeigen, als unzutreffend erwiesen. Es wird vielmehr deutlich, daß staatliche Institutionen bei der Festlegung und Durchsetzung der Einheitsorthographie sehr wohl ihre Hand im Spiel hatten, und zwar sowohl bei der Verhinderung orthographischer Regelungen als auch bei ihrer Durchsetzung." (S. VIII)

Wie man sieht, läuft es auf ein Wortspiel hinaus. Kein Reformgegner dürfte bestritten haben, daß der "Geltungsanspruch" der Orthographie unter staatlicher Mitwirkung entstanden ist. Die Reformgegner sagen lediglich, daß die Wortschreibungen selbst und alle "Prinzipien" der deutschen Orthographie, mit deren Aufdeckung Nerius sein wissenschaftliches Leben verbracht hat, von den Schreibenden und Druckenden selbst "erfunden" worden sind, ohne Beteiligung des Staates. Der Staat hat ausgewählt und vorgeschrieben.

Später sagt Nerius ganz vorsichtig, der Staat habe eingegriffen, "da die benötigte Einheitsorthographie im Selbstlauf offensichtlich nicht oder jedenfalls nicht schnell genug verwirklicht werden konnte."

So sagte es auch schon Konrad Duden 1876: Die Einheitsorthographie kommt auch von selbst, aber der Staat kann es beschleunigen.


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Th. Ickler


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