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-- viel sagend (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=380)
eingetragen von Jörg Metes am 03.03.2004 um 10.22
Der Bertelsmann-Wahrig 2002 legt sich wieder ganz auf vielsagend fest. Denn:
»Die Folge aus dem Wort viel und einem Verb/Partizip wird getrennt geschrieben, wenn viel als selbständiges [sic] Wort aufgefasst werden kann: Die Straße ist viel befahren (Man befährt die Straße viel). Sie ist eine viel bewunderte Schauspielerin (Man bewundert die Schauspielerin viel) usw. § 34 E3(3), § 36 E1 (1.2).
Kann die Folge aufgrund ihrer festen Bedeutung oder möglichen Steigerbarkeit als Zusammensetzung aufgefasst werden, wird wie bei vielsagend oder vielversprechend zusammengeschrieben: er warf mir einen vielsagenden (noch vielsagenderen) Blick zu; sie lieferte vielversprechende (vielversprechendere) Ergebnisse.«
Die Erklärungen im Bertelsmann-Wahrig haben ja überhaupt etwas nahezu Tragisches. Redakteure, die sich nicht richtig ausdrücken können, erläutern Regeln, die sie nicht richtig begreifen, im Brustton einer Überzeugung, die ihnen niemand abnimmt, vor einem Publikum, das einfach nur Bahnhof versteht:
»Und den gescheiterten Spitzenkandidaten Thomas Mirow tröstete der Noch-SPD-Chef viel sagend: "Ich hoffe auf weitere Zusammenarbeit - in welcher Funktion auch immer...!"«
(Bild-Zeitung, 2. März 2004, S. 2)
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Jörg Metes
eingetragen von Theodor Ickler am 25.12.2001 um 04.37
Zu den wohl unbeabsichtigten Folgen der RSR gehört die Auseinanderreißung von vielsagend. Nachdem dies in den Reformduden eingedrungen war, kamen die Reformer allerdings zu der Einsicht, daß zumindest in gewissen Fällen die bisherige Auffassung als EIN Wort die einzig mögliche ist. Man revidierte also, und nun steht im neuesten Duden: vielsagend, auch viel sagend, und in einem Kasten wird erklärt: ein vielsagender, auch viel sagender Blick (rot gedruckt!), aber nur ein noch vielsagenderer Blick.
Bertelsmann 1999 erklärt: "vielsagend = > viel sagend [mit zwei Betonungsstellen!]; aber nur vielsagender, sehr vielsagend (bei Steigerung und mit Attribut)"
(Natürlich ist sehr kein "Attribut"!)
Von allen Einwänden gegen die Getrenntschreibung ist also bei den Reformern nur der Hinweis auf die gesamthafte Steigerung angekommen, hat aber mit Recht schon genügt, die Revision auszulösen. Aber auch bei adverbialem Gebrauch muß weiterhin zusammengeschrieben werden, vgl. etwa die häufigen Fehlschreibungen wie: Sie hob viel sagend die Schultern. (Willi Fährmann: Unter der Asche die Glut. Arena 1997:609)
Man fragt sich auch, was hier durch Rotdruck als neu gekennzeichnet werden soll; denn es bleibt ja alles beim alten, nur daß die Darstellung jetzt viel schlechter ist als vor der Reform.
Die Ersetzung eines Wortes durch ein anders betontes Wortgefüge ist ebenfalls indiskutabel; aber Bertelsmann verfährt in Hunderten von Fällen auf diese absurde Weise.
Nachtrag (Satyrspiel):
"Sie hob viel sagend die Schultern. Er blickte sie noch viel sagender an.
Der Korrektor hat keine Fehler in Ihrem Probetext gefunden."
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Th. Ickler
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